Heidgraben. Bürgerinitiative „Glasfaser-Ausbau auch für uns“ in Heidgraben gegründet. Angaben der Großkonzerne verhindern Anbindung auf dem Dorf.

Schwarze Löcher sind vielleicht die faszinierendsten Objekte der Astronomie. In ihnen komprimiert sich die Masse von bis zu mehreren Milliarden Sonnen auf einen Punkt. Ihre Anziehungskraft ist so stark, dass nicht einmal Licht entkommen kann. Es war eine astronomische Sensation, als vor kurzem ein internationales Forscherteam erstmals ein Bild von einem schwarzen Loch veröffentlichen konnte.

Das schwarze Loch, das einigen Heidgrabenern zu schaffen macht, ist dagegen kein solch faszinierendes Phänomen viele Galaxien entfernt. Sondern es liegt direkt vor ihren Haustüren. Am Dienstagabend haben 40 Bürger eine Initiative im Heidekrug gegründet. Ihnen reicht es. Sie wollen nicht länger als Schnecken auf der weltweiten Datenautobahn unterwegs sein, sondern sich einen schnellen Glasfaseranschluss ins Haus legen lassen.

BI-Gründer sehen die Politiker in der Pflicht

„Die Politik muss uns unterstützen“, steht für Frank Wendlandt, Sprecher der BI „Glasfaser-Ausbau auch für uns“, fest. „Die Benachteiligung, die wir erfahren, muss aufgelöst werden.“ Derzeit arbeitet der Breitband Zweckverband Marsch und Geest (BZMG) in 18 Gemeinden der Kreise Pinneberg und Segeberg, darunter in Heidgraben an der Schaffung eines Glasfasernetzes. Doch er darf nicht überall verlegt werden und schwarze Löcher spielen in dem Streit eine zentrale Rolle.

30 Megabit pro Sekunde (Mbit/s), dies ist die magische Grenze, die CDU, CSU und SPD 2015 in ihrem Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau festgelegt haben. Liegt die Übertragungsgeschwindigkeit darunter, wird von einem weißen Loch gesprochen und der Breitband-Zweckverband darf – mit finanzieller Unterstützung des Bundes – seine Leitungen verlegen. Bei mehr als 30 Mbit/s ging die alte Große Koalition davon aus, dass die Geschwindigkeit ausreicht, und der Zweckverband darf nicht aktiv werden.

Gunnar Oehnhausen (v.l.), Frank Wendlandt und Guido Peters haben die Gründung der Heidgrabener Bürgerinitiative initiiert.
Gunnar Oehnhausen (v.l.), Frank Wendlandt und Guido Peters haben die Gründung der Heidgrabener Bürgerinitiative initiiert. © Privat | Privat

Die Bundesnetzagentur hat die Übertragungsgeschwindigkeiten bei einem Interessenbekundungsverfahren abgefragt – und verlässt sich auf diese Angaben der Großkonzerne. Das Problem der BI-Gründer, die allesamt im Bereich rund um den Sperberweg wohnen: Sie leben demnach in einem schwarzen Loch, obwohl die Telekom mit ihren Kupferkabeln auf der „letzten Meile“ nach ihren Messungen nur auf eine Geschwindigkeit von 0,8 Mbit/s bis acht Mbit/s kommt. Und wenn sie auf der Vodafone-Website suchen und ihren Wohnort eingeben, wird ihnen gar kein Angebot für eine Übertragungsgeschwindigkeit von 30 Mbit/s oder größer gemacht.

Mit Briefen will nun die Bürgerinitiative auf ihre Misere aufmerksam machen. Die beiden zuständigen Bundesminister für Wirtschaft sowie digitale Infrastruktur, Peter Altmaier (CDU) und Andreas Scheuer (CSU), bekommen Post aus Heidgraben. Ihre zuständigen Landeskollegen in Kiel werden ebenfalls bedacht. Die Bundestagsabgeordneten Michael von Abercron (CDU) und Ernst Dieter Rossmann (SPD) aus dem Kreis Pinneberg sollen mobilisiert werden. Die Bundesnetzagentur sowie das für Schleswig-Holtein zuständige Breitband-Kompetenzzentrum werden informiert. Ziel ist es, aus dem schwarzen ein weißes Loch zu machen. Die realen Übertragungsgeschwindigkeiten sollen anerkannt werden. Für die interne Kommunikation nutzen die Heidgrabener übrigens die digitale Welt. Sie tauschen sich in einer WhatsApp Gruppe aus.

Neue Große Koalition will Grenzwert deutlich erhöhen

„Absolut positiv“ sieht Jürgen Neumann, Vorsteher des Zweckverbandes Breitband Marsch und Geest, die BI-Gründung. Der Zweckverband bekommt regelmäßig Anrufe und E-Mails von Betroffenen, die ebenfalls in einem schwarzen Loch wohnen und deutlich niedrigere Übertragungsgeschwindigkeiten als die 30 Mbit/s haben. Aktuell ist die Resonanz groß in Groß Nordende, Klein Nordende, Seeth-Ekholt, Kölln-Reisiek und Ellerhoop, wo der Zweckverband seine Dienste gerade bewirbt. Bi-Sprecher Wendlandt berichtet von Heidgrabenern aus anderen Bereichen des Dorfes, die sich bereits am Tag nach der Gründung bei ihm meldeten, weil sie sich benachteiligt fühlen und bei der BI mitmachen wollen.

Neumann verweist auf den Vertrag der neuen Großen Koalition, in dem die Grenze von 30 Mbit/s auf einen Gbit/s, also um das 33-Fache hochgesetzt worden ist. Dieser Vertragspassus harrt allerdings noch der Umsetzung durch die zuständigen Bundesministerien. Von diesen Gedankenspielen hält die BI allerdings nichts. „Wir wollen nicht erst in zwei Jahren angeschlossen werden“, sagt Wendtlandt. „Sondern bereits Anfang 2020 dabei sein, wenn der Zweckverband seine Erschließungsarbeiten in Heidgraben beginnen will.“