Pinneberg. Die Jagd mit Schrotmunition ist umstritten. Zwei Böcke sollen schon erlegt worden sein. Ein Kitz starb in der Wildtierstation.

Zwei Rehe und ein krankes Kitz: Das ist nach Abendblatt-Informationen die bisherige Bilanz der umstrittenen Wildjagd auf dem Pinneberger Friedhof. Nachdem die Stadt die Tiere zum Abschuss freigegeben hat, weil es zuvor „durch den Verbiss der Rehe zu erheblichen Schäden an der Friedhofsbepflanzung“ gekommen sei, scheuen sich aber alle offiziellen Stellen, detaillierte Angaben zu bestätigen. „Zu sensibel“, heißt es angesichts teils harscher Kritik von Tierschützern.

Entsprechend zugeknöpft zeigen sich auf Nachfrage das schleswig-holsteinische Umweltministerium, die Kreisjägerschaft, die Stadt Pinneberg, die Friedhofsverwaltung und die untere Jagdbehörde des Kreises. „Ich kann lediglich bestätigen, dass es bereits zu Abschüssen gekommen ist“, sagt etwa Pinnebergs Stadtsprecherin Maren Uschkurat. Konkret wurden übereinstimmenden Aussagen zufolge zwei Böcke erlegt.

Ein unterversorgtes Kitz ist vom Friedhof zur Wildtierstation Hamburg in Sparrieshoop gebracht worden, dort aber gestorben, bestätigt Stationsleiter Christian Erdmann. Wie andere Tierschützer hält Erdmann, selbst Besitzer eines Jagdscheins, die Jagd auf dem Friedhof „für einfallslosen Quatsch“, das Schießen mit Schrot für Tierquälerei.

„Grabnutzungsberechtigte“ fordern „Entnahme“ der Rehe

Trotz dieser Anfeindungen gegen die zuständigen Stellen hält die Stadt Pinneberg am Ziel fest, die Population von sechs Tieren vom Friedhof zu verbannen. Insbesondere „Grabnutzungsberechtigte und gewerblich tätige Gärtner“ sowie andere „Nutzergruppen“ hätten mit Nachdruck eine „waidgerechte Entnahme“ der Rehe gefordert, heißt es in einer Stellungnahme. Gerade diese waidgerechte Entnahme ist aber Grund für die Kritik von Tierschützern. Die nun praktizierte Jagd mit Schrotmunition wird heftig moniert.

Laut Behörden war die Abschussfreigabe die einzige geeignete Lösung, da das Heruntertreiben der Rehe erheblichen Stress verursache, mit enormen Personalkosten verbunden sei und eine Rückkehr der Tiere nicht ausgeschlossen werden könne.

Dabei sei der Einsatz von Schrot den Jagdbehörden zufolge sicherer, weil durch Querschläger weniger Gefahren für die Allgemeinheit entstünden. Lovis Kauertz vom Verein Wildtierschutz sagt hingegen, dass diese Jagdvariante aufgrund der geringeren Munitionsgeschwindigkeit vor allem eines sei: tierquälerisch. Laut Bundesjagdgesetz sei es nicht grundlos verboten, Rehe mit Schrot zu schießen.

Tierschützer halten sich nachts auf dem Friedhof auf

Christian Erdmann von der Wildtierauffangstation in Sparrieshoop mit einem auf dem Pinneberger Friedhof gefundenen Rehkitz.
Christian Erdmann von der Wildtierauffangstation in Sparrieshoop mit einem auf dem Pinneberger Friedhof gefundenen Rehkitz. © Wildtierstation Hamburg | Wildtierstation Hamburg

Im Landesumweltministerium müsse dafür keine Ausnahmegenehmigung eingeholt werden. Ein Sprecher: „Für die Aufgaben nach dem Jagdrecht sind gemäß Landesjagdgesetz die unteren Jagdbehörden, für Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nach dem Landesverwaltungsgesetz die Ordnungsbehörden, hier: der Kreis Pinneberg, zuständig.“

Gleichwohl räumt das Ministerium die besonderen Umstände der Maßnahme ein. Denn: „Rehwild darf grundsätzlich nur auf bejagbaren Flächen bejagt werden. Friedhöfe hingegen sind sogenannte befriedete Bezirke, in denen die Jagd grundsätzlich ruht.“ Allerdings könnten die unteren Jagdbehörden Ausnahmen auch in befriedeten Bezirken zulassen. Das sei in Pinneberg geschehen.

Selbst die gesetzlich verbotene Munitionswahl sei den Umständen entsprechend zulässig, so der Ministeriumssprecher. Generell dürfe Rehwild zwar nach dem Bundesjagdgesetz nur mit Büchsenpatronen und nicht mit Schrot beschossen werden. Aber: „Unabhängig vom Jagdrecht können die Ordnungsbehörden nach dem Landesverwaltungsgesetz geeignete Maßnahmen treffen, wenn dies zur Gefahrenabwehr erforderlich ist.“ In Pinneberg sei die „langsamere“ Streumunition aus Angst vor Querschlägern gewählt worden. Es sei überdies nicht ungewöhnlich, dass in Ausnahmen auch auf Friedhöfen Wildtiere erlegt werden müssen.

Diese Ausnahme hat in Pinneberg nach Abendblatt-Informationen entschlossene Tierschützer bereits dazu gebracht, sich absichtlich auf dem Friedhof aufzuhalten, um die Jagd zu behindern. Auch beleidigende Mails seien dem Vernehmen nach bei den zuständigen Stellen eingegangen. Aufgrund dieser teils vehementen Kritik werden die konkreten Jagdzeiten auf dem Friedhof nun kurzfristig festgelegt und nicht öffentlich gemacht. Bis Mitte Juni soll das Rehwild auf dem Friedhof noch bejagt werden – auch das eine Ausnahme. Die Schonzeit für Rehwild endete zwar am 1. Mai. Und männliche Tiere dürfen auch bis Januar bejagt werden, aber junge weibliche Tiere nur bis zum 1. Juni. Auf dem Friedhof sei wegen der besonderen Umstände eine Ausnahme bis Mitte Juni erteilt worden.

Doch nicht nur die Folge, auch die Ursache des Rehproblems soll behoben werden. Damit die Tore nicht wie in der Vergangenheit von Besuchern offengelassen werden, installiert die Stadt künftig automatische Türschließer und Bodengitter im Eingangsbereich, die Rehwild vom Eindringen abhalten sollen.