Tornesch. In Tornesch möchte Anika Schlüter eine Kinderbetreuung mit Pferden, Feldern und Naturerfahrung anbieten. Aber die Genehmigung scheint schwierig.

Sie will das jetzt machen, allen bürokratischen Hürden zum Trotz. Und zwar genau hier, an der Straße Am Moor in Tornesch. Ein Ort, an dem die Welt noch in Ordnung zu seien scheint – mit Wäldern und Feldern, Scheunen und Ställen, Tieren und viel Platz mitten im Landschaftsschutzgebiet. Die Idee sei gut und treffe den Zeitgeist, und bislang einmalig ist sie auch. Anika Schlüter will sich jedenfalls nicht beirren lassen und bald die erste Bauernhof-Kita im Kreis Pinneberg eröffnen.

Der Plan sieht 15 naturnahe Betreuungsplätze für Drei- bis Sechsjährige auf dem Hof ihrer Eltern vor. Dort, wo die Reitpädagogin mit Mann, zwei Töchtern, 27 Pferden und einem Hund lebt. „Ein idealer Ort für Kinder“, sagt sie, während sie über ihr persönliches Stück Landidylle blickt. Allerdings hat die Kita-Aufsicht des Kreises Pinneberg bereits angedeutet, dass ein solcher Betrieb schwieriger zu genehmigen sei als herkömmliche Kindergärten.

Andererseits dürfte eine Bauernhof-Kita die Sehnsucht vieler Eltern nach dem einfachen Leben für ihre Kinder bedienen, nach einem Aufwachsen ohne dauernde Konsumverlockung im Smartphone-Zeitalter. Eine Betreuung, bei der die Kleinsten täglich die Natur spüren – mit Tieren, Pflanzen, Wetter – klingt für heutige Eltern verlockend. Wo kommt die Milch her? Welches Futter brauchen Pferde? Wie erntet man Kartoffeln? Um solche Fragen ginge es, wenn das frühkindliche Umweltbewusstsein geschärft wird. Mehr als 30 Hof-Kitas gibt es bereits bundesweit. Im Kreis Pinneberg wäre es die erste seiner Art.

„Die Idee dafür hatte ich schon länger“, sagt Anika Schlüter, 41, gelernte Erzieherin und in ihrer Art ziemlich geradeaus. „Aber bisher wusste ich nicht, wie man so ein Projekt hier umsetzen soll.“ Als Reitpädagogin mit 20 Jahren Erfahrung sehe sie zwar täglich, wie gut die Zeit auf dem Hof den Kindern und Jugendlichen tue. Aber zur täglichen Kinderbetreuung von 8 bis 14 Uhr gehöre naturgemäß mehr. An einem Kita-Betrieb hängen Personal, Konzept, Bedarfsplanung, Buchhaltung, die ganze Organisation. „Deshalb war ich froh, mit der Genossenschaft Kita-Natura einen Träger gefunden zu haben“, sagt Schlüter.

Diese Genossenschaft wurde 2017 von Pädagogen und Landwirten gegründet. Der Zusammenschluss hat sich zum Ziel gesetzt, die Gründung von Hofkindergärten zu erleichtern.

Mitbegründerin Anne-Marie Muhs war die erste Betreiberin einer Bauernhof-Kita. Die Ökotrophologin hält naturnahe Spiel-, Lern- und Erlebnisräume für wichtig, um Kindern auch wertvolle Selbsterfahrungen zu ermöglichen. In Tornesch würde sich Kita-Natura um Personal und Organisation kümmern, Anika Schlüter um den Hof.

Ein umgebauter Bauwagen auf einem abgezäunten Areal soll den Kindern als Basis- und Rückzugsort bei widrigen Witterungsbedingungen dienen. Für Frühstück und Mittagessen steht ein großer Seminarraum auf dem Hof zur Verfügung. Toiletten und Küche sind vorhanden. Zwei Erzieher würden für die Gruppengröße benötigt. „Wir planen mit einer Betreuungszeit von 8 bis 14 Uhr“, so Schlüter. „Mein Wunsch wäre, dass wir im Oktober starten können.“

„Im Kreis mit seinen 157 Kitas wäre dieser naturnaher Hofkindergarten einmalig“, betont Kreis-Sprecher Oliver Carstens. Es gebe zwar 13 Wald- oder Naturkindergärten, aber noch kein Projekt wie in Tornesch. Dementsprechend, so Carstens, würde dieses Angebot die Vielfalt erhöhen und Eltern mehr Wahlmöglichkeiten geben. Zumal die Kitaplätze im Kreis erfahrungsgemäß rar sind. Aber ganz einfach, lässt der Kreis in einer ersten Stellungnahme wissen, wird die Genehmigung nicht.

Kita-Aufsicht hat Bedenken wegen des Bauwagens

Im Landschaftsschutzgebiet gelte nämlich das Gebot der „größtmöglichen Schonung des Außenbereiches“. Nur „eingriffsminimale Vorhaben“ seien zulässig, also keine Fundamente, keine Einfriedungen, keine befestigten Außenanlagen und keine Nutzung eines Bauwagens als Gruppenraum. Am Prüfverfahren seien vier Stellen beteiligt – die Naturschutz- und Forstbehörden, die Feuerwehr und die Kita-Aufsicht. Zudem äußert die Verwaltung auch andere Bedenken. „Eine Kita auf einem klassischen Bauernhof, der in Betrieb ist, würde keine Erlaubnis erhalten“, so Carstens. Die Gefahren, die von großen Arbeitsmaschinen, Jauchegruben und Tieren ausgehen, seien zu hoch.

„Das erste Treffen mit Vertretern des Kreises war entsprechend ernüchternd“, sagt Anika Schlüter. Sie will aber an ihrem Vorhaben festhalten, denn schwere Maschinen oder Güllegruben gibt es bei ihr schon gar nicht. Mit Bedenken kennt sich auch die Trägergenossenschaft Kita-Natura aus. Ein Grund für den Zusammenschluss war, dass zuvor die Bemühungen vieler Gründer einer Bauernhof-Kita an den Unstimmigkeiten mit Behörden scheiterten, weil Tiere, Maschinen und Werkzeug für Ämter in ganz Deutschland mehr nach gefährlichem Arbeitsplatz als nach einem Ort der Kinderbetreuung klingen. Deshalb steht die Genossenschaft Anika Schlüter beratend zur Seite. Das Modell der Zukunft wäre: Künftige Eltern der Kita werden Mitglied in der Genossenschaft, um die Kita-Gründung zu unterstützen. Anika Schlüter agiert als Vermieterin.

Die Reitpädagogin aus Tornesch will zunächst ohnehin Schritt für Schritt an ihrer Vision arbeiten. „Ich brauche jetzt erst mal jemanden, der mir eine Baugenehmigung für den Bauwagen ermöglichen kann – da suche ich noch Experten.“ Etwa 60.000 Euro kostet ein umgebauter Bauwagen. Geld, dass die zweifache Mutter gern bereit ist zu investieren. „Denn ich sehe ja, was los ist auf der Welt.“ Klimawandel, Extremwetterlagen, Plastikschwemme – all diese Probleme bekämen auf dem Bauernhof ein konkretes Gesicht, die Kita wäre ein Puzzleteil für mehr Umweltbildung.

„Heu etwa ist in diesem Jahr wegen der Trockenheit fünfmal so teuer wie vergangenes Jahr“, berichtet Schlüter. Und auch ihre Eltern spielen in der Planung eine Rolle. „Viele Kinder sehen ihre Großeltern kaum noch. Hier leben noch drei Generationen auf einem Hof.“ Das dürfte für einige Kinder eine völlig neue Erfahrung sein.

Und wie sehr Anika Schlüter den Zeitgeist trifft, beweist ein weiteres Beispiel aus Pinneberg. Denn auch in Barmstedt wird daran gearbeitet, eine Bauernhof-Kita zu gründen. Im Nachbarkreis Steinburg ist man auf Hof Dannwisch schon weiter. Dort gibt es bereits einen Kindergarten auf dem Bauernhof.

Unser Pferdehof ist idealfür Kinder