Kreis Pinneberg. 68 Ausländer sind im Kreishaus in Elmshorn eingebürgert worden, 31 von ihnen stammen von der Insel. Fünf Briten erklären diesen Schritt.

I just wanna know if staying is better than goodbye“ – „Ich möchte nur wissen, ob das Bleiben besser ist als ein auf Wiedersehen“ tönt es aus dem Sitzungsraum Arboretum im Kreishaus in Elmshorn. Eine Lehrerband begleitet die 74. Einbürgerungszeremonie im Kreis Pinneberg. Die Band trifft mit dieser Zeile des Popsongs „Calm After the Storm“ von The Common Linnets wohl die Gemüter vieler britischer Zuhörer. Denn bei einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union verlieren britische Staatsbürger ihr dauerhaftes Aufhalterecht in Deutschland und müssen sich entscheiden: bleiben oder auf Wiedersehen?

Landrat Oliver Stolz begrüßt an diesem Nachmittag 68 Menschen aus 20 Nationen. Sie leben in 18 Ortschaften im Kreis Pinneberg. Darum sind die ersten zwei Stuhlreihen reserviert: Bürgervorsteher und Bürgermeister sind auch gekommen, um ihre neuen Mitbürger und Nachbarn zu begrüßen. Sie haben Geschenke dabei. Die älteste Eingebürgerte ist 71 Jahre alt. Der jüngste ist ein siebenjähriger Junge. Die Menschen kommen aus der Türkei, aus Polen, Portugal oder Afghanistan.

Und eben aus Großbritannien. Die Briten sind mit 31 Personen die mit Abstand größte Gruppe. „Normalerweise haben wir drei bis fünf britische Staatsbürger bei der Einbürgerungszeremonie“, sagt Oliver Carstens, Sprecher der Kreisverwaltung.

Die Ausländerbehörde hat auf den kommenden Brexit mit einem Schreiben an britische Mitbürger reagiert (wir berichteten). 432 Briten im Kreis haben einen Brief erhalten, in dem sie aufgefordert werden, sich freiwillig bei der Behörde zu melden. Im Falle eines ungeregelten Brexits wird das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat eine Verordnung erlassen, mit der alle britischen Staatsangehörigen den deutschen Aufenthaltstitel verlieren. Die EU und Großbritannien haben sich darauf geeinigt, den Brexit mindestens bis zum 12. April zu verschieben.

Landrat spricht von „Fliehkräften in Europa“

Eine, die ihr dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland nicht verlieren möchte, ist Margaret Fliegel. Sie kam mit 16 Jahren als Austauschschülerin das erste Mal nach Deutschland. Sie lernte Klaus kennen. Durch Zufall traf sie ihn zehn Jahre später wieder. Heute ist Fliegel 71 Jahre als, beide sind schon lange verheiratet, leben in Rellingen. Klaus Fliegel sitzt auf einem Sofa vor dem Sitzungsraum und isst Kuchen, während seine Frau ihren Entschluss, Deutsche zu werden, erklärt: „Unsere Zukunft ist Europa, das sagt auch meine Mutter immer.“ Ihre Mutter ist 97.

Die Zukunft Europas sieht auch Landrat Oliver Stolz in Gefahr. Die politische Gegenwart sei geprägt von „politischen Fliehkräften in Europa“, sagt Oliver Stolz und spielt auf den Brexit an.

Dann ergreift Kirsten Fehrs, die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche, das Wort. „Dear Friends“, sagt sie. Spricht von „Ehre und Freude“, dass sie an diesem Tag die Rede halten dürfe. „Ab heute gehören Sie noch mehr zu diesem Land“, sagt sie und verweist obendrein auf die Rechte und Pflichten, die eine Staatsbürgerschaft mit sich bringe. Als sie die Religionsfreiheit in Deutschland als wichtiges Gut deklariert, nickt Oliver Stolz. Er sitzt jetzt an einem Tisch neben dem Rednerpult, wo auch 68 Grundgesetze und Urkunden auf ihre neuen Besitzer warten.

Einer dieser neuen Besitzer ist Stuart Willcox (49) aus Tornesch. Mit seiner 17-jährigen Tochter Rebecca ist er zur Einbürgerungsfeier nach Elmshorn gekommen, um seine Urkunden entgegenzunehmen. „Der Brexit ist Chaos pur, und die britische Gesellschaft ist gespalten“, sagt Willcox. Seine Familie lebt auf der Insel und sei ein Ebenbild der gespaltenen britischen Gesellschaft. Er habe schon seit Längerem über die deutsche Staatsbürgerschaft nachgedacht, auch schon vor dem Brexit. Der haben ihn dann endgültig dazu bewogen, Deutscher zu werden. Als Letzter erhält er seine Urkunde. Stolz steht er zwischen dem Landrat und dem Bürgervorsteher aus Tornesch, Friedrich Meyer-Hildebrand.

„Es war mir immer klar, dass ich irgendwann die deutsche Staatsbürgerschaft haben möchte“, sagt der Elmshorner Matthew Clayton, der als stellvertretender Schulleiter arbeitet. Seit 2002 lebt er in Deutschland. Der Brexit habe seinen Entschluss nur beschleunigt. Auch er hält unter Blitzlichtgewitter seine Urkunde in den Händen.

Carol Hickmann zelebriert ihren „British way of life“ mindestens einmal im Monat: Die 61-Jährige ist Vorstandsmitglied des British Club Hamburg, dessen 120 Mitglieder sich monatlich treffen. Der kulturelle Austauschin der EU sei stark. Den möchte sie aufrechterhalten. Der Brexit stehe dem entgegen. „Ich bin glücklich als Europäerin“, sagt sie.

Auf ihrem karierten Blazer trägt sie einen Anstecker des Clubs. Sie möchte noch mehr Menschen für diese Art des Austauschs begeistern. Auch am Tag ihrer Einbürgerung hat sie Visitenkarten in der Tasche. Als sie eine zückt, kommt von der Seite eine ebenfalls frisch eingebürgerte Britin und sagt: „Oh, give me a card...“