Uetersen. Was Ordnungsamt, Zoll, Kreisverwaltung, Polizei, Steuerfahndung und Jobcenter gemeinsam gesucht haben – und gegen wen sie nun vorgehen.

Konzertierter Schlag der Behörden gegen Mietwucher und Überbelegung in Uetersen. 50 Beamte des städtischen Ordnungsamts, der Bauaufsicht des Kreises, des Zolls, des Jobcenters und der Steuerfahndung sind am Montag unter Polizeischutz an einer Razzia in drei Mietobjekten beteiligt gewesen. Am Tag danach erklärten Bürgermeisterin Andrea Hansen und Thomas Gartsch vom Hauptzollamt Itzehoe die sehr komplexe Aktion.

Bei der Durchsuchung der zum Teil völlig überbelegten Räume seien 40 dort gemeldete Bewohner angetroffenen worden, bei denen es sich vor allem um Handwerker und Gewerbetreibende aus Rumänien und anderen osteuropäischen EU-Länder handelte. Zwei rumänisch sprechende Dolmetscher sorgten für die Verständigung mit den Bewohnern, die unsanft um 5.50 Uhr aus dem Schlaf gerissen worden waren. „Es geht uns aber weniger um die armen Leute, die hier unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen, als um diejenigen, die damit enorm viel Geld verdienen“, sagt Bürgermeisterin Hansen.

Ordnungsamt hat die Objekte seit gut einem Jahr im Visier

Die drei durchsuchten Einfamilienhäuser, die zum Teil mit diversen Anbauten vergrößert worden sind, sollen zwei Uetersener Eigentümern gehören. Dem Ordnungsamt sei seit gut einem Jahr aufgefallen, dass immer mehr und eindeutig zu viele Menschen für den vorhandenen Wohnraum in diesen Häusern gemeldet gewesen sind, und es habe dann die anderen Behörden alarmiert.

„Wir werden in Zukunft weitere solcher Kontrollen durchführen, weil uns weitere Fälle im Kreis Pinneberg bekannt sind“, sagt Kreissprecher Carstens. Die Kreisverwaltung war mit Mitarbeitern der Bauaufsicht und Brandschutzexperten an der Aktion beteiligt.

Dies ist eines der durchsuchten und völlig überbelegten Gebäude in Uetersen.
Dies ist eines der durchsuchten und völlig überbelegten Gebäude in Uetersen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

In den drei Objekten leben osteuropäische Arbeitskolonnen offenbar zu Wucherpreisen, wie die Behörden herausfanden. So sei ein 75 Quadratmeter großes Haus mit vier Zimmern in zwei Etagen, in denen sich jeweils eine Küche und ein Bad befinden, mit jeweils einer Familie belegt, die dafür jeweils 700 Euro im Monat zu bezahlen haben. In einem anderen Objekt stehe den Bewohnern praktisch nur ein Bett zur Verfügung, das 200 Euro im Monat koste. „Wir haben dort 17 Bewohner angetroffen, die nur eine Schlafstätte besitzen“, sagt Zoll-Mann Thomas Gartsch. In dem 200 Quadratmeter großen Haus sei aber die doppelte Zahl an Betten vorhanden.

Da es aber rein rechtlich keine Mindestgrößen gebe, die Mietern zur Verfügung stehen müsse, gehen die Behörden jetzt systematisch von verschiedenen Seiten dagegen vor:

Die Bauaufsicht des Kreises

Aus baurechtlicher Sicht werde untersucht, ob für die Bauten und Umbauten in den Objekten Baugenehmigungen vorliegen und ob sie mit den Auflagen übereinstimmen, erläutert Kreissprecher Carstens. Die Behörde stelle fest, ob sich Gefahrenlagen für die Bewohner in den Gebäuden ergeben. Der Brandschutz kläre, ob ausreichend Rettungs- und Fluchtwege zur Verfügung stehen. Carstens: „Da haben wir große und kleine Mängel festgestellt.“

Finanzbehörden

Die Steuerfahndung hat die Razzia begleitet, um jetzt im Detail zu untersuchen, ob die Vermieter ihre hohen Mieteinnahmen ordnungsgemäß und entsprechend der Belegung versteuert haben. Das gelte für alle relevanten Steuereinnahmen, von der Umsatz über die Einkommens- bis zur Gewerbesteuer.

Ordnungsamt

Das städtische Ordnungsamt prüft, ob für die Zahl der Bewohner zum Beispiel genügend Mülltonnen vorhanden sind oder ob es Ordnungsrechtliches zu beanstanden gebe, das die Nachbarschaft über Gebühr stören könnte. So habe es rund um die drei überbelegten Immobilien in Uetersen erhebliche Beschwerden aus der Nachbarschaft über starke Vermüllung und übervolle Briefkästen gegeben, heißt es aus dem Ordnungsamt.

Zoll

Aber auch die Rechtslage der Bewohner wird gecheckt. So sind in den drei Objekten zurzeit 15 Gewerbe angemeldet, im Bauhaupt- und -nebengewerbe, im Reinigungsbereich und in der Speditionslogistik. Drei Gewerbetreibende seien bei der Razzia vor Ort gewesen, deren Geschäftsunterlagen nun überprüft würden, sagt Gartsch. Insbesondere gehe es um mögliche Scheinselbstständigkeit: Wenn jemand auf dem Bau nur Lasten auf der Schubkarre hin und her schiebe, sei er abhängig beschäftigt.

Jobcenter

Das Jobcenter prüft, ob die Bewohner Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch erhalten, und – falls ja – ob das zu Recht geschehe.

Alle diese Bundes- und kommunalen Behörden untersuchen nun die Fälle und werden gegenüber Vermietern und Bewohnern Recht und Gesetz durchsetzen, sofern dagegen verstoßen worden sein sollte. „Wir wollen ein Zeichen setzen, dass die Behörden hier gemeinsam vorgehen“, sagt der Zollbeamte Gartsch. Dem Zollamt lägen bereits Anfragen anderer Kommunen vor, die auch diese Formen von Mietwucher und Überbelegung in ihren Städten bekämpfen wollen.

Denn ebenso wie der Kreissprecher Carstens sagt auch Uetersens Bürgermeisterin Hansen, dass es sich bei diesen Vorfällen von eindeutiger Überbelegung einzelner Mietobjekte um keine Einzelfälle handele. Das bestätigt Amtsdirektor Rainer Jürgensen vom Amt Marsch und Geest Südholstein: „Wir haben in Moorrege zwei solcher Fälle, in denen die Vermieter den kleinsten Raum vermieten, um den größten Profit zu erzielen.“ Auch da gebe es erhebliche Probleme mit der Nachbarschaft, die sich über zu viel Müll und nächtliche Ruhestörung beschwerte.