Kreis Pinneberg. Kunst- und Architekturstil wird 100 Jahre alt. In der Provinz nordwestlich von Hamburg wussten ihn wenige zu schätze. Eine Spurensuche.
Reduzierte Formen, großzügige Fensterflächen, geometrische Klarheit, rational und funktional: Das ist die Architektur im Bauhausstil. In diesem Jahr wird das Bauhaus 100 Jahre alt. Auch im Kreis Pinneberg hat die Kunstschule, die 1919 von Walter Gropius gegründet wurde, ihre Spuren hinterlassen. Wenn auch nicht viele.
Die alte Bauernmühle am Pinnauhafen in Uetersen, die Arztvilla im Bauerweg 24 in Elmshorn, das ehemalige Schwimmbad in Uetersen – diese Gebäude weisen Elemente des Bauhausstils auf, erklärt Antje Metzner, Denkmalpflegerin des Kreises.
Ortstermin am alten Schwimmbad in Uetersen. „Sehen Sie das hohe Kellergeschoss und die Fenster?“ Antje Metzner zeigt bei einem Rundgang um das Gebäude, was daran ans Bauhaus angelehnt ist. „Und hier, dieser Eingangsbereich, das ist typisch“, sagt Metzner. Sie deutet auf den mittleren Gebäudeteil auf der Vorderseite. „Die Ortskrankenkasse mit Badeanstalt“ im Kleinen Sand 51/53 in Uetersen wurde 1926 bis 1927 erbaut. Der Entwurf stammt vom Pinneberger Architekten Klaus Groth. Natürlich.
„Beim Thema Bauhaus im Kreis Pinneberg landet man immer wieder bei Klaus Groth“, sagt Antje Metzner. Der Architekt habe sich als einer der wenigen im Kreis mit dem Thema Bauhaus auseinandergesetzt. Bis Anfang der 1930er-Jahre waren seine Bauten von dem Stil geprägt.
Zweigeschossige Arztvilla ist Bauhaus-Musterbeispiel
Am reinsten findet sich der Bauhausstil in der Arztvilla im Bauerweg 24 in Elmshorn, auch das ein Entwurf Klaus Groths. Das zweigeschossige, kubische Flachdachgebäude ist 1931 entstanden. „Es ist das einzige Gebäude im Kreis, das ich wirklich dem Bauhaus zuschreiben würde“, sagt Metzner. Sie hat sich mit dem Thema in letzter Zeit intensiver beschäftigt – in Vorbereitung auf den Tag des offenen Denkmals im September, der in diesem Jahr unter dem Motto „Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur“ steht.
Die Arztvilla im Bauerweg ist ein weißer Putzbau, gegliedert durch senkrechte Klinkerbänder. Die Fenster sind nicht mehr original, die Aufteilung wurde um 1970 verändert. Der Hals-, Nasen- und Ohrenarzt Dr. Ritschel, dem die Villa gehörte, war dem Stil des Neuen Bauens gegenüber sehr aufgeschlossen und wünschte sich ein Haus in diesem Baustil, so ist es in dem Band „Beiträge zur Elmshorner Stadtgeschichte“ von Bärbel Böhnke, Leiterin des Industriemuseums in Elmshorn, nachzulesen. Ritschel beauftragte Groth für seine Stadtvilla.
Im Bauhaus wurden Kunst und Handwerk kombiniert
Der Architekt entwarf nicht nur das Gebäude, sondern auch Inneneinrichtung und Außenlampen. Durchaus typisch. „Im Bauhaus wurden Kunst und Handwerk kombinierbar“, sagt Antje Metzner. Das Verspielte der vorangegangenen Epoche sei weggefallen, das Design wurde praktisch und schnörkellos.
Antje Metzner hat für diese Bauweise etwas übrig. „Sehen Sie hier dieses Detail, die Rundung an der Tür?“, fragt sie. Sie blickt auf den hinteren Teil der Bauernmühle auf dem Areal des Nordmark-Werkes in Uetersen, auch ein Entwurf Klaus Groths. Der Klinkerbau, dessen Rückseite von der Brücke aus gut zu betrachten ist, weist ebenfalls Bauhauselemente auf.
Ganz anders als die Bauernmühle mutet das ehemalige Verwaltungsgebäude der ILO-Werke in Pinneberg an. Der weiße Putzbau wurde ebenfalls im Bauhausstil errichtet. Das Gebäude aus dem Jahr 1932 ist U-förmig um einen Hof mit Pergola aus Betonpfeilern angeordnet. Architekt war in diesem Fall aber nicht Klaus Groth, sondern Rudolf Lodders, der unter anderem am Bau der Grindelhochhäuser in Hamburg beteiligt war.
Weder das Bauhaus noch ein anderer Baustil sei prägend für den Kreis Pinneberg gewesen.
Klaus Groth hat im Kreis etwa 800 Gebäude geschaffen
„Wir haben ganz durchmischte Baustile durch alle möglichen Epochen – Herrenhaus, Kloster und dann zum Beispiel die Neutra-Siedlung in Quickborn“, erklärt Metzner. Richard Neutras Entwürfe ähnelten im Stil dem des Bauhauses, allerdings sei die Philosophie dahinter eine andere, so Metzner.
Der Einfluss des Bauhauses im Kreis mag nicht groß gewesen sein, der Einfluss des Architekten Klaus Groth hingegen schon. Nach seinen Entwürfen entstanden etwa 800 Gebäude im Kreis Pinneberg. Wie alle seine Bauwerke spiegeln sie verschiedene Architekturströmungen wider. Viele seiner früheren Entwürfe sind von der Heimatschutzarchitektur beeinflusst, ab Mitte der 1920er-Jahre dann fanden sich in seinen Entwürfen zunehmend Formen des Neuen Bauens, wie sie am Bauhaus in Dessau entwickelt wurden.
Zu den Gebäuden, die stärker dem Funktionalismus verhaftet sind, zählen unter anderem das alte Schwimmbad in Uetersen, das 1928 errichtet wurde, und auch das Kreiskrankenhaus in Pinneberg am Fahltskamp. Es war der erste Bau mit Flachdach, den Groth entwarf, 1931 wurde er fertiggestellt. So ausgeprägt wie bei der Villa in Elmshorn war der Bauhausstil aber in keinem seiner Entwürfe zu erkennen. Vielleicht auch, weil sich mit dem Baustil damals noch nicht so viele anfreunden konnten, so ist es im Beitrag zur Elmshorner Geschichte von Bärbel Böhnke zu lesen: Das Haus erregte nicht nur in Elmshorn den Unmut der Traditionalisten, in der Zeit der Nationalsozialisten war es dann massiver Kritik ausgesetzt.
Weitere Infos: Das Bauhaus
Das staatliche Bauhaus wurde 1919 von Walter Gropius in Weimar als Kunstschule gegründet. Die Schule bestand von 1919 bis 1933. Bauhaus wird oft mit der Moderne in Architektur und Design gleichgesetzt. Kunstgeschichtlich werden die Entwürfe auch unter Begriffe wie Funktionalismus, Klassische Moderne, Neue Sachlichkeit und Neues Bauen eingeordnet.