Elmshorn. Die Alzheimer Gesellschaft Kreis Pinneberg bietet Aktivitäten für Menschen mit Demenz an. Zu Besuch im Industriemuseum Elmshorn.
Die Kaffeetafel ist gedeckt mit einem weißen Spitzentischtuch. Aus feinen Goldrand-Sammeltassen trinken die Besucher Kaffee und Tee. „Die habe ich früher auch gesammelt“, sagt Erika Bühlow. „Dürfen wir die mitnehmen?“ Die Seniorin ist mit zwei weiteren Bewohnern des Dana Pflegeheims Appen und der Betreuerin Britta Offen bei einer besonderen Führung im Industriemuseum Elmshorn dabei – einer Führung für Menschen mit Demenz.
Etwa 6000 Menschen im Kreis Pinneberg sind an Demenz erkrankt. Angesichts einer alternden Gesellschaft wird diese Zahl in den nächstren Jahren weiter ansteigen. „Für die Betroffenen und ihre Familien geht die Diagnose Demenz häufig mit sozialem Rückzug einher“, sagt Ines Hundsdörfer, Koordinatorin der Alzheimer Gesellschaft Kreis Pinneberg. Sie hat gemeinsam mit Ingrid Kant vom Kirchenkreis Hamburg-Südholstein, Fachbereich ÄlterWerden, verschiedene Entlastungs- und Betreuungsangebote für Menschen mit Demenz und deren Familien initiiert, die durch ehrenamtliches Engagement getragen werden. So auch die Führung durch das Industriemuseum.
Museumspädagogin Sabine Stieper reicht das Gebäck. Sie hat sich ein weißes Schürzchen umgebunden, wie ein Dienstmädchen sieht sie aus. „Wissen Sie denn, was ein Dienstmädchen früher verdient hat?“, fragt sie in die Runde und schiebt die Antwort gleich hinterher. „Zehn Mark – im Monat“. Die Museumsbesucher staunen. Herbert Klein betrachtet die großen, alten Maschinen im Raum. „Das ist eine Abkantpresse“, sagt er. „Heute geht alles über Computer.“ Klein kennt sich aus, er hat selbst an einer solchen Maschine gearbeitet. 27 Jahre lang war der Maschinenbaumeister Betriebsleiter bei Witt und Sohn in Pinneberg. „Wir haben Generatoren für Schiffe gebaut“, erinnert sich Klein.
Über der Maschine hängt eine Kuhhaut. Stieper fragt, woher das Sprichwort „Das geht auf keine Kuhhaut“ herkommt. „Im Mittelalter hat man die Sünden auf Felle geschrieben.“ Herbert Klein schmunzelt. Wie groß seine Kuhhaut wohl wäre?
Demenz bedeute nicht ausschließlich Verlust, sondern auch Erhalt von frühen Erinnerungen im Langzeitgedächtnis, sagt Hundsdörfer. Demente hätten ein feines Gespür für Stimmungen. „Das Herz wird nicht dement“, sagt sie. Humor und Schulwissen blieben. „Es ist wichtig, bei den Führungen für Menschen mit Demenz möglichst viele Sinne anzusprechen.“ Stieper führt die Gruppe durch die aktuelle Ausstellung „Der Trinkkultur auf der Spur - eine Zeitreise durch Elmshorn“. Sie zeigt eine Milchkanne und erzählt, wie sie als Kind zum Milchmann geschickt wurde und sie Milch verschüttete. „Kanne leer, Hintern blau“, sagt sie. Die Alten lachen. Das kommt ihnen doch bekannt vor. Wolfgang Herrmann erzählt, wie er als Junge die Mark für die Milch in die Kanne tat und dann die Milch dort hineingegeben wurde.
Der 63-Jährige ist mit seinem dementen Vater Hans Herrmann gekommen. Der ist schon 92. Seine Gedanken schweifen immer wieder ab. Stiepers Vortrag kann er nicht mehr folgen. Und dann leuchten seine Augen auf, und er sagt lachend: „Das waren noch Zeiten.“ In einer Vitrine hat er eine Packung Maxwell-Kaffee entdeckt. „Er hat dort früher in dem Werk gearbeitet“, sagt Wolfgang Herrmann.
„Auf der Gefühlsebene können wir Menschen mit Demenz auch bei fortschreitendem Abbau gut erreichen, in Verbindung bleiben und Wohlbefinden ermöglichen“, sagt Ingrid Kant. Und da kommt das Singen ins Spiel. Sie stimmt beherzt in ein Trinklied mit ein: „Trink, trink Brüderlein trink. Lass doch die Sorgen zu Haus!“ Immer mehr stimmen mit ein: „Trink, trink, Brüderlein trink, zieh doch die Stirn nicht so kraus…“
Und dann singen sie „Wann muß man trinken?“ Horst Lemke kennt jede Zeile: „Im Herbst, da muß man trinken! Da ist die rechte Zeit; es reift uns ja der Trauben Blut, und dabei schmeckt der Wein gut…“ singt er inbrünstig und schunkelt und strahlt dabei übers ganze Gesicht. Textsicher ist Lemke. Auf den Zettel mit den Liedertexten musste er nicht einmal schauen.