Pinneberg. 120 Jugendliche demonstrieren gegen drohende Abschiebung ihres Klassenkameraden. Vietnamese ist ein guter Schüler und voll integriert.
„Nam ist einer von uns“, „Team Nam“, „Nam bleibt“, „Wir kämpfen für Nam“, „Gebt Nam die Chance auf eine Zukunft“, „Eine Perspektive für Nam!“: Die aufgebrachten Schülerinnen und Schüler der Johannes-Brahms-Schule in Pinneberg hatten diese Sätze auf große, farbige Plakate geschrieben, um ihren Mitschüler Nam Le (15) mit aller Kraft zu unterstützen. Kräftig bliesen sie in Trillerpfeifen, brüllten in Megafone und skandierten „Nam bleibt“ und anderes, laut und vernehmlich. Ihre friedliche Demonstration am Mittwochnachmittag vor Rathaus und Drostei hatten sie ordnungsgemäß angemeldet. Grund für den Aufruhr: Der junge Vietnamese, der mit ihnen lernt, gut Deutsch spricht und jetzt die neunte Klasse besucht, soll mit seinem Vater abgeschoben werden.
Nam Le lebt seit sechs Jahren in Deutschland. „Er ist einer von uns, und jetzt soll er abgeschoben werden. Das wollen wir nicht hinnehmen. Unsere Klasse hat daraufhin die Proteste initiiert“, sagt Nina Klostermeier aus der Klasse 9a.
Der junge Vietnamese lebt allein mit seinem Vater, der sich noch im Vietnam von Nams Mutter getrennt hatte. „Mein Vater hat Asyl beantragt, weil er hier arbeiten möchte. Er hat auch immer dann, wenn er eine Arbeitserlaubnis hatte, gearbeitet“, erzählt Nam Le ganz ruhig. „Unser Asylantrag wurde aber im Sommer 2018 abgelehnt.“ Der Junge wohnt in Halstenbek, hat viele Freunde gefunden, spielt im Sommer gern mit ihnen Fußball und im Winter gemeinsam Computerspiele.
Rund 1000 Namen auf Unterschriftenliste
Innerhalb von einer Woche haben alle Schüler, die sich engagieren wollten, Unterschriftenlisten an ihre Freunde verteilt. Viktoria Schiefelbein (15) war eine von ihnen. Sie geht in seine Klasse: „Ich finde das nicht gut. Mein Freundeskreis wäre nicht derselbe ohne Nam. Die Nachricht war ein Schock für uns. Nam erzählt fast nie etwas. Er ist immer so freundlich und hilfsbereit und hat das seit letztem Sommer mit sich herumgetragen. Jetzt hat er es uns endlich erzählt.“
Auch ihr Mitschüler Philip Schipior (16) kann die drohende Abschiebung nicht nachvollziehen. „Er ist bei uns bestens integriert. Er gehört zur Klassengemeinschaft und zum Freundeskreis dazu. Und in meinen Augen hat er Perspektiven hier. Er ist gut in Mathe und Physik – für solche Menschen gibt es Arbeitsplätze.“
Dass geschätzte 120 Mitschüler für ihn auf die Straße gegangen sind, seit vergangenem Dienstag rund 1000 Pinneberger Schüler ihrem Protest per Unterschrift Ausdruck verliehen haben, das freue ihn sehr, sagt Nam Le. Seine Klasse habe das organisiert. „Es ist sehr schwer für mich, zurück zu gehen“, sagt er bedrückt. „Ich kann kein Vietnamesisch mehr schreiben und nur noch schlecht sprechen. Mein Vater hat dort keine Arbeit, und wir haben keine Verwandten. Wir würden vor dem absoluten Nichts stehen.“ Früher habe sein Vater als Fahrlehrer und Chauffeur gearbeitet.
Nam Le hat für sich in Deutschland schon eine Erfolg versprechende Perspektive entwickelt: Als Oberstufen-Profil seiner Schule hatte er sich Physik und Informatik ausgesucht, „weil ich das gut kann. Ich möchte nämlich IT-Spezialist werden.“ Die werden in Deutschland überall händeringend gesucht.
Oliver Carstens, Sprecher des Kreises, bestätigt, dass im Falle Le „grundsätzlich Ausreisepflicht besteht“. Das bedeute aber noch nicht Abschiebung. „Es liegt ein Antrag bei der Härtefallkommission in Kiel vor“, so Carstens. Näher wollte sich auch Norbert Scharbach, Vorsitzender der unabhängigen Härtefallkommission, nicht äußern: „Ich kann und darf einer Beratung nicht vorgreifen. Zu Dringlichkeit oder Erfolgsaussichten kann also nichts sagen.“