Kreis Pinneberg. In Pinneberg erblicken seit Jahren immer mehr Kinder das Licht der Welt. Grenzen der Kapazität bei Geburtshelferinnen erreicht.

Als besonders babyfreundlich zeichneten WHO und Unicef die Pinneberger Geburtsklinik aus. Da liegt es wohl nahe, dass passend zu dem verliehenen Prädikat die Zahl der Geburten im Regio Klinikum am Fahltskamp hoch ist. Im vergangenen Jahr kamen laut Regio Kliniken fast 1300 Kinder hier zur Welt. Zum Vergleich: Nach Eröffnung des Geburtszentrums im Oktober 2012 wurden dort in einem Jahr laut Regio Kliniken 1206 Kinder geboren. Der Trend hält also an. Womöglich liegt es auch daran, dass die Klinik den werdenden Eltern einiges an Komfort bietet.

Kreißsaal verfügt über Musikanlage und Fernseher

Mütter, die 2019 ein Kind in einem Pinneberger Kreißsaal bekommen möchten, finden sich in großen wohnlich ausgestatteten und von farbpsychologischen Experten gestalteten Räumen wieder. 1,5 Millionen Euro wurden in den Umbau des Geburtszentrums investiert. Jeder Kreißsaal verfügt laut Regio Kliniken über eine Musikanlage und einen Fernseher. „Zur Entspannung unter der Geburt stehen außerdem Seile, Geburtsmatten und Pezzibälle bereit“, wirbt das Unternehmen. Wer eine Wassergeburt präferiert, für den steht eine Entbindungswanne zur Verfügung.

Zudem wirbt das Unternehmen damit, dass Kinder, die in Pinneberg zur Welt kommen, besonders warm empfangen werden. Um die Beziehung zwischen Mutter-/Vater-Kind zu fördern, werden die Neugeborenen mit einer speziellen Wärmeluftmatte bedeckt und können sich so besser in ihrer neuen Umgebung akklimatisieren. Zum Pinneberger Wohlfühlpaket gehört auch ein hauseigener Fotograf, der für die Eltern bereit steht.

Mehr Kinder und gleichzeitig weniger Hebammen

Der Geburtenboom hat aber auch seine Schattenseite. Es gibt einen deutlich gestiegenen Bedarf an Hebammen, gleichzeitig aber weniger Hebammen – im Kreis Pinneberg sind es weniger als 60. „Es herrscht definitiv Hebammenmangel. Schwangere müssen sich bereits in der sechsten Schwangerschaftswoche um eine Hebamme kümmern, sonst wird es schwierig“, sagt Maraike Gubernatis vom Vorstand des Hebammenverbandes Schleswig-Holstein und DHV-Delegierte für den Kreis Pinneberg. Die 35-Jährige aus Elmshorn arbeitet in Teilzeit auf der Wochenbettstation im Klinikum Pinneberg, betreut aber auch als freiberufliche Hebamme Mütter und ihre Neugeborenen daheim – und ist bis September bereits belegt. Täglich muss sie Schwangeren, die noch eine Hebamme suchen, absagen.

„Es gibt nur noch wenige Hebammen, die es sich leisten können, ausschließlich freiberuflich zu arbeiten“, sagt Gubernatis. Das seien eigentlich nur noch Hebammen, die beispielsweise durch den Verdienst eines Ehemannes abgesichert seien und sich das „Hobby Hebamme“ noch leisten könnten. „Wir rechnen unsere Leistungen direkt mit den Kassen ab, und die Gebührenordnung ist viel zu niedrig.“ Diese wird vom GKV-Spitzenverband als zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland festlegt.

Laut den Region Kliniken loben Eltern die sehr persönliche Betreuung im Geburtsklinikum auch durch Hebammen wie hier Karin Peters.
Laut den Region Kliniken loben Eltern die sehr persönliche Betreuung im Geburtsklinikum auch durch Hebammen wie hier Karin Peters. © Christina Clasen/RegioKliniken. | Christina Clasen/RegioKliniken.

Bis das Kind zwölf Wochen alt ist, können die Frauen Hebammen um Rat und Hilfe bitten. In der Wochenbettbetreuung versorgen sie den Nabel des Kindes, beobachten Trinkverhalten, Zustand und Entwicklung. Sie leiten Mütter zur Pflege des Kindes an, kontrollieren den Rückgang der Gebärmutter und der Wundheilung, helfen beim Stillen und bieten Kurse für Mütter zum Beispiel zu Themen wie Rückbildungsgymnastik an.

Viele Rechte und Freiheiten, die Hebammen und Frauen sich in den 80er-Jahren erstritten hätten, seien wieder gefährdet, so Gubernatis. „Im Kreis Pinneberg gibt es keine Beleghebammen mehr, die Hausgeburten machen würden“, sagt die Hebamme. Der Grund sind immense Versicherungssummen, die sich kaum noch eine Beleghebamme leisten kann.

„Schon jetzt sind die Grenzen unserer Kapazitäten erreicht“, warnt Gubernatis. Künftig könnte sich der Hebammenmangel noch verschärfen. „Uns fehlt der Nachwuchs. Es gibt nur noch wenige junge Frauen, die diesen Beruf ergreifen möchten, weil sie davon nicht leben können“, berichtet die Geburtshelferin. Hinzu kommen undefinierte Arbeitszeiten. „Wir sind immer in Rufbereitschaft, haben eigentlich nie frei.“

Gubernatis würde sich für ihren Berufszweig mehr Anerkennung und Wertschätzung wünschen. „Die Politik spricht oft davon, dass sie junge Familien fördern will. Wir Hebammen verhelfen den Familien zu einem guten Start“, sagt sie. Geburtszentren wie das in Pinneberg könnten die Hausbesuche am Wochenbett also nach der Geburt nicht ersetzen. Es sei wichtig, dass Mutter und Baby die ersten Wochen im Bett oder auf dem Sofa verbringen, um eine Bindung aufzubauen. „Es wäre eine Zumutung, wenn eine Frau drei Tage nach dem Kaiserschnitt mit ihrem Neugeborenen lange Wege für eine Wochenendbetreuung auf sich nehmen müsste.“

Und auch Social Media oder Internetforen seien keine Alternative zur Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme. Die Informationsflut würde die Frauen eher noch überfordern. „Sie vertrauen immer weniger auf ihre angeborene Intuition als Mutter“, berichtet Gubernatis. Darauf reagierten auch die Regio Kliniken, die in den vergangenen Jahren die Zahl an Informationsveranstaltungen sowie Kooperationen wie mit der Familienbildungsstätte Pinneberg ausgeweitet haben.