Kreis Pinneberg. Nudeln oder Gemüse, nur lecker oder auch gesund? Das Abendblatt hat sich Speisekarten von Restaurants im Kreis Pinneberg angesehen.

Gemüse? „Das kommt bei den Kindern gut an“, sagt Christoph Dettling. Er ist Inhaber des Haselauer Landhauses. „För Kinner“ stehen auf seiner Speisekarte drei Gerichte. Bei allen dreien ist Gemüse dabei. Es gibt Bratkartoffeln und Kroketten, aber keine Pommes. „Einige bestellen aber trotzdem Pommes“, berichtet der Gastronom. Das sei eben das, was Kinder gern essen wollen.

Pommes, Chicken Nuggets, Nudeln mit Tomatensoße – einer neuen Studie zufolge sind die Kindergerichte, die in deutschen Restaurants serviert werden, überwiegend ungesund. Ein Team der Universität Heidelberg hat 1877 Kindergerichte auf 500 Speisekarten inhabergeführter Restaurants untersucht (siehe Kasten). Das kürzlich veröffentlichte Ergebnis: Die Gerichte sind zu fettig und haben zu viel Kalorien, außerdem gibt es kaum Abwechslung. Die Wissenschaftler kamen zu dem erstaunlichen Urteil: Selbst das Essen bei US-Fastfood-Ketten sei gesünder, da dort die Kindergerichte auch wahlweise mit Wasser, Apfelspalten und Salat bestellt werden könnten.

Stimmt die Kritik tatsächlich? Das Abendblatt hat sich mal durch einige Speisekarten im Kreis Pinneberg gelesen, und eine Stichprobe zeigt: Die Forscher haben in vielen Fällen recht. Pommes, Schnitzel, Spaghetti mit Tomatensoße – das sind die Gerichte, die immer wieder bei den Kindermenüs vieler Restaurants im Kreis Pinneberg auftauchen.

„Die Nachfrage reguliert eben das Angebot. Viele Kinder stehen auf diese Klassiker“, sagt Björn Kunze, Sprecher des Schulauer Fährhauses. Aber in dem Wedeler Restaurant gibt es keine Pommes, nicht mal eine Fritteuse. „Auch bei uns stehen Schnitzel und paniertes Fischfilet auf der Kinderkarte“, räumt Kunze ein. Und fügt hinzu: „Ich finde diese Klassiker aber auch gut, und unsere kleinen Gäste sind zufrieden.“ Eltern und Kinder könnten außerdem immer einen sogenannten Räuberteller dazu bestellen, und das Kind könnte so alles probieren. „Wenn sich dann zeigt, dass ein Kind gern Forellenkaviar auf Skreifilet essen möchte, dann machen wir auch gern davon eine kleine Portion“, sagt Kunze. Wichtig sei es, die Kinder kulinarisch an so ein Essen heranzuführen, betont er, das sei die Aufgabe der Eltern.

„Wie gesund sich die Menschen ernähren, das entscheidet nicht der Gastronom, sondern der Gast oder in diesem Fall eben die Eltern“, sagt auch Jürgen Schumann. Er ist Vorsitzender des Pinneberger Kreisverbandes des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Die Pauschalkritik an den deutschen Gastronomen habe ihn „schockiert“, sagt er. Die Studie vermittele den Eindruck, Kinder seien in den meisten Restaurants nicht willkommen, und Gastronomen nähmen keine Rücksicht auf die Wünsche der jüngsten Gäste. „Für den Kreis Pinneberg kann ich sagen, dass Kinder bei den meisten Gastronomen willkommen sind“, so Schumann. „Fast alle haben auch extra Gerichte auf der Karte stehen, das gehört dazu.“ Wie gesund das sei, das sei natürlich dahingestellt, fügt Schumann an.

Die Studie

In deutschen Restaurants servierte Kindergerichte sind Forschern zufolge überwiegend ungesund. Rund vier von fünf untersuchten Speisen seien aus ernährungswissenschaftlicher Sicht schlecht für den Körper, sagte Sven Schneider von der Universität Heidelberg der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“).

Er hatte zusammen mit anderen Forschern 1877 Kindergerichte auf Speisekarten bewertet. Die Studie wurde bislang nicht in einem begutachteten Fachmagazin veröffentlicht.

Die meisten Kindergerichte enthielten zu viel Fett und Kalorien, wenig Nährstoffe und oft rotes Fleisch. Dieses Fleisch, also Schwein und Rind, gelte als besonders ungesund. Besser ist Wissenschaftlern zufolge zum Beispiel Geflügel.

54 Prozent der untersuchten Essen enthielten Pommes, Vollkornprodukte fanden sich kein einziges Mal, berichtete die „FAS“. Als Bewertungsgrundlage dienten laut der Wissenschaftler in Heidelberg die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für Mittagessen in Kitas und Schulen.

Rund ein Viertel der untersuchten Speisen habe kein einziges der elf DGE-Kriterien erfüllt, so Schneider.

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Als besonders familienfreundliches Beispiel nennt Schumann das Fährhaus am Spiekerhörn der Familie Plüschau nahe Seester. „Das Außengelände ist mit Spielplatz und allem sehr kinderfreundlich“, sagt Schumann. Und auch ein Blick in die Karte zeigt: sechs Gerichte speziell für Kinder. Darunter der Zusatz: „Auf Wunsch kann dir der Koch auch gern ein Gemüse deiner Wahl zubereiten!“

Das Prädikat „besonders familienfreundlich“ möchte Ulrike Carstensen für ihr Restaurant dagegen nicht gern haben. Im Heinsen’s in Ellerbek gibt es zwar extra eine Kinderkarte, aber die Sandkiste und die Bobbycars hat sie abgeschafft. „Kinder im Restaurant sind zunehmend problematisch“, berichtet Carstensen. Die Situation mit Eltern und Kindern „eskaliert regelmäßig, weil sich die Eltern nicht kümmern und die Kinder durchs Restaurant toben und andere Gäste extrem stören“, sagt sie. Natürlich dürften Kinder auch weiterhin in das Restaurant, auch die liebevoll gestaltete Kinderkarte mit „Captains Dinner“ (gebratene Gambas mit Nudeln in Sahnesauce) oder auch „Huhn im Meer“ (Hühnersuppe mit jungem Gemüse) bleibt. „Ich werde aber weiter meine eigentliche Zielgruppe verteidigen, die in Ruhe essen möchte“, so Carstensen.

Manche Kinder bestellen sich gern Sushi

Die eigentliche Zielgruppe sind Kinder auch nicht in Meusels Landdrostei in Pinneberg. „Wir sind kein typisches Restaurant für Kinder“, meint Besitzerin Aggi Meusel. „Die meisten Kinder, die gern mit zu uns kommen, sind eher so zwölf oder älter.“ Dennoch hat das Restaurant eine extra Kinderkarte. Die Gerichte dafür haben ihre Kinder ausgesucht, sagt Meusel. „Das sind Klassiker wie Bratkartoffeln mit Spiegelei, Pfannkuchen, Nudeln und auch Schnitzel mit Pommes und Salat.“ Der Renner seien dabei nicht Schnitzel und Pommes, sondern Bratkartoffeln und Spiegelei gefolgt von den Pfannkuchen. „Wir bieten auch kleine Portionen von den Gerichten unserer Karte an. Einige Kinder essen besonders gern unser Sushi“, sagt Meusel.

Dass es in vielen Restaurants im Kreis Pinneberg Gerichte extra für Kinder gibt, ist für Christoph Dettling vom Haselauer Landhaus eine Selbstverständlichkeit. „Das gehört einfach dazu, da mussten wir gar nicht drüber nachdenken.“ Genauso, wie für ihn Gemüse einfach dazugehört.