Elmshorn. Wirtschaftsserie „Wo in aller Welt“: Federbälle und Badmintonschläger für Spitzensportler aus dem neuen Firmensitz in Horst.

Badmintonprofis wie Tai Tzu Ying aus Taiwan schmettern Federbälle mit mehr als 300 Kilometer pro Stunde übers Netz – ICE-Geschwindigkeit. Ausgerüstet wird die chinesische Spitzensportlerin von Victor. Victor ist einer der führenden Hersteller für Indoor Sportartikel – mit Sitz in Horst (Kreis Steinburg). Der Badminton-Spezialist hat einen Jahresumsatz von rund 120 Millionen Dollar. Die Produkte – Schläger, Turnschuhe, Federbälle und Sporttaschen – werden in mehr als 100 Ländern verkauft. Etwa 200 Sendungen gehen von Horst aus jeden Tag in die Welt. 50 Länder werden von hier aus verwaltet.

Mit Beginn des Jahres 2019 ist der Sportartikelhersteller von der Robert-Bosch-Straße in Elmshorn an den neuen, um ein vielfaches größeren Firmenstandort an der Marie-Curie-Allee in Horst gezogen. Vier Millionen Euro hat der dreigeschossige Neubau gekostet. Hier laufen alle Fäden zusammen – von der marktorientierten Bedarfsanalyse am Anfang über Design und Marketing bis zum Lager und Versand am Schluss.

Victor International heißt jetzt Victor Europe

Auf 5000 Quadratmeter Fläche und mit modernster IT- und Logistiktechnik ausgestattet, starten die Mitarbeiter nach der Umfirmierung unter dem Namen Victor Europe GmbH neu durch. „Indien und Südamerika haben wir für eine siebenstellige Summe verkauft“, sagt Geschäftsführer Jan Beutler (58). „Europa ist jetzt das Zentrum unseres Tuns.“ Der Unternehmer hat selber zehn Jahre mit seiner Familie in Ländern wie China, Dubai und Hongkong gelebt. Neben der Firmenzentrale in Horst gibt es noch eine in Kanada und in Taiwan – wo die Firma ihren Ursprung hat. Den größten Umsatz macht Victor mit mehr als 50 Prozent in China, wo Badminton Volkssport ist.

Die Lagerfläche hat sich fast verdreifacht. 34 Mitarbeiter haben die neuen Büros bezogen. Ein großer Showroom zeigt die neue Kollektion. Durch ein kleines Fenster blickt man auf den Indoorcourt, auf dem Kunden die Produkte auch ausprobieren können.

Victor Europe sponsert unter anderem Spitzensportlerin Tai Tzu Ying.|
Victor Europe sponsert unter anderem Spitzensportlerin Tai Tzu Ying.| © picture alliance/AP Photo | Claus Fisker

Das Mutterunternehmen von Victor namens „Victor Industrial Racket Cooperation“ wurde von Den Li Chen im Jahr 1968 in Taipeh, Taiwan gegründet. Insbesondere im Bereich Badminton entwickelte sich das Unternehmen auf dem asiatischen Kontinent rasant zu einem der größten und erfolgreichsten Federball- und Schlägerhersteller. Guido Schmidt begann ab 1978 damit, eine Verteilungsorganisation in Deutschland aufzubauen.

Bis 1989 hatte Victor den Firmensitz in Hamburg-Lurup, zog dann aber wegen der niedrigeren Gewerbesteuer nach Elmshorn. Nach dem Tod des Gründers im Jahr 1991 erwarb der Manager Jan Beutler das Unternehmen von einer Erbengemeinschaft. Kurzerhand meldete er sich im Verein an, um den Badminton-Sport besser kennenzulernen.

Neben Beutler ist der ehemalige Auswahlspieler der deutschen Badmintonnationalmannschaft Rolf Aurin (51) Geschäftsführer bei Victor. Das Unternehmen profitiert von seinem großen Erfahrungsschatz und seinem Know-How aus der Praxis.

Alle Schläger und Sportartikel werden von Profis mitentwickelt und getestet, sodass nur die besten Produkte auf den Markt kommen. Die Rackets (Schläger) machen ebenso wie die Shuttles (Federbälle) ungefähr 30 Prozent des Umsatzvolumens aus, dann kommen Schuhe, Taschen, Sportswear, technische Ausrüstung und Accessoires.

Als enorm bedeutsam für die Etablierung am Markt gilt der von Victor International hergestellte Naturfederball „Champion“. Eine eigene ISO 9001 zertifizierte Fabrik in Nanjing mit mehr als 1200 Mitarbeitern und großem sozialen Engagement, die nach westlichem Standard arbeitet – ob im Bereich des produktorientierten Qualitätsmanagements, des Umweltschutzes oder Arbeitsschutzes – fertigt mehr als fünf Millionen Naturfederbälle pro Monat. „Niemand auf der Erde produziert mehr Federbälle“. so Beutler.

Die Federbälle werden im chinesischen Nanjing gefertigt.
Die Federbälle werden im chinesischen Nanjing gefertigt. © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Verarbeitet werden 16 spezielle Gänsefedern aus der Unterseite der Schwingen, die besonders feste Kiele und robuste Härchen haben. Die exakt zurechtgestutzten Kiele der Federn müssen per Hand Millimeter genau in den Kork gesteckt werden. Damit sie nicht trudeln, kommt es auf den richtigen Winkel an. „Die Federbälle werden alle per Hand produziert und per Maschine getestet, um die Fehlerquote auf ein geringstes Maß zu reduzieren“, sagt Beutler. Früher wurden die Federn noch per Hand sortiert. Das war sehr aufwendig. Diese Arbeit übernehmen heute Maschinen.

Mehr als 200 Spitzenspieler werden von Victor gesponsert

Mehr als 200 Spitzenspieler werden von Victor gesponsert, beginnend bei lokalen Vereinen bis hin zur Unterstützung von sozialen Jugendprojekten weltweit. Aber auch die Topspitze des Badminton, etwa das koreanische Nationalteam, wird seit vielen Jahren von Victor ausgestattet.

Neu im Segment sind Floorball und Speed-Badminton, die von der Tochtermarke Vicfun angeboten werden. Zur Victor Gruppe gehört zudem Vicfloor. „Kein weiterer Indoor Anbieter ist historisch so spezialisiert, umfangreich aufgestellt, mit einer eigenen Fabrik und eigenen Ingenieuren im Rücken“, sagt Beutler. Diese wächst seit vielen Jahren zweistellig, bringt jährlich Innovationen und Patente heraus.

Die Geschichte des Unternehmens

1968: Den Li Chen gründet Victor in Taipei, Taiwan. Guido Schmidt übernimmt 1978 die Verteilungsorganisation in Deutschland, und die Victor Sport Vertriebs GmbH wird Eigentümerin der Rechte in Deutschland.

1997: Nach dem Tod von Guido Schmidt übernehmen Jan Beutler und Rolf Aurin die Firma.

2001/02: Aufkauf weiterer europäischer Markenrechte von Russland bis Spanien.

2005: Bau des Victor- Hauses in Elmshorn. Vergrößerung der Lagerflächen, Namensänderung in Victor International GmbH.

2008/2009: Juliane Schenk (Nummer Eins in Deutschland, Nummer Zwei in Europa) wird Vertragsspielerin. Übernahme weiterer Märkte von Indien bis Brasilien.

2009: koreanisches Nationalteam (Nummer zwei der Welt) unterschreibt Zwei-Jahres-Vertrag.

2011: Victor ist Hauptsponsor der Super Series Finals in Taiwan. Victor Korea Open 2011 ist mit 1,2 Millionen US-Dollar dotiert.

2012: Globale Kampagne Ready to Win.

2013: Sponsor der indonesischen Nationalmannschaft, Tontowi Ahmad und Liliyana Natsir werden Weltmeister im Mixed.

2014: Kooperation mit dem Deutschen Squashverband DSQV, Victor stellt ab sofort Spielball in Deutschland. Weltmeister im Herrendoppel sind Ko Sung Hyun/Shin Baek Cheol aus Korea, das koreanische Team gewinnt den Titel bei den Asian Games in Incheon.

2015: Victor und Team Malaysia geben offiziell Partnerschaft bekannt. Victor rüstet deutsche Squash-Nationalmannschaft aus.

2016: Jin Wei Goh aus Malaysia gewinnt mit 15 Jahren Weltmeisterschaft in Lima. Lee Yong Dae und Yoo Yeon Seong gewinnen sechs Superseries Titel in einer Saison.

2017: Tai Tzu Ying aus Taiwan gewinnt als weltweit erste Frau im Dameneinzel fünf Super Series Titel in Folge.

2017: Offizieller Ausrüster der „DANISA Denmark Open presented by Victor“ und Hauptsponsor der dänischen Nationalmannschaft.

2018/2019: Neuer Firmensitz für vier Millionen Euro gebaut. Umzug von Elmshorn nach Horst in größere Räume. Rückzug aus Indien und Südamerika. Namensänderung in Victor Europe GmbH.

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„Alle Produkte werden unter höchsten Qualitätsansprüchen entwickelt und produziert“, sagt er. Dabei steht die marktorientierte Bedarfsanalyse am Anfang und die mehrfachen Qualitätskon-trollen in der Fabrik, im Versand und im Lager am Schluss. „Eine Marke ist nur so erfolgreich wie ihre Produkte“, sagt der Geschäftsführer.

Serie „Wo in aller Welt“: Unter diesem Motto stellt das Abendblatt in Pinneberg immer montags Unternehmen aus der Region vor, die weit über den Standort hinaus wirken. In der nächsten Folge geht es am Montag, 11. Februar, um Loll Feinmechanik aus Tornesch, deren Präzision weltweit gefragt ist.