Hamburg. Emotionalität statt Behördensprache: Schauspielerin unterstützt Kampagne, die Studenten für den Kreis Pinneberg entwickelt haben.

Werbung lässt sich für alles machen. Nicht nur für Waschmittel oder Autos. Auch für etwas, das nicht direkt zu greifen ist. Pflegeeltern zum Beispiel. Weil der Kreis Pinneberg immer weniger Pflegeeltern findet, hat ein lockeres Gespräch des dortigen Teamleiters für Pflegestellen und Adoption, Jasper Jensen, jetzt zur Folge, dass zur Lösung dieses gravierenden Problems ganz neue Wege beschritten werden: 27 junge, hoch motivierte Studierende der Hamburger Macromedia Fachhochschule haben am gestrigen Donnerstag in der Hochschule ein Konzept darüber vorgelegt, was im Kreis alles besser laufen könnte, um Kindern in Not eine Pflegefamilie zu vermitteln. Die Schauspielerin Sandra Quadflieg war sofort Feuer und Flamme, als sie von der Zusammenarbeit hörte, und unterstützt seitdem das Projekt.

Aktuell befinden sich im Kreis Pinneberg 250 Pflegekinder an rund 200 Pflegestellen. Ein Viertel von ihnen lebt bei Verwandten, zehn Pflegekinder suchen zurzeit eine Familie. „Die Kooperation kostet uns nichts“, sagt Jasper Jensen. Er hatte sich auf einer Veranstaltung in Rellingen mit dem Unternehmensberater Holger Liekefett von der Ellerbeker Agentur VauDrei unterhalten, der außerdem als Dozent an der Macromedia Hochschule arbeitet. „Ich habe dann die Pflegeeltern-Suche als Werbethema für meine Studenten vorgeschlagen“, erzählt Liekefett. „Unter den Studenten war sofort ein Funke.“

Behördenmitarbeiter wissen um ihr Image

Er war es, der dann die Schauspielerin Sandra Quadflieg mit ins Boot holte. Sie ist mit Mirco Quadflieg verheiratet, dem Enkel des großen Schauspielers Will Quadflieg. Die Schauspielerin („Großstadtrevier“) ist Vorsitzende der Hamburger Benita-Quadflieg-Stiftung, weil ihr die Hilfe für bedürftige Kinder persönlich am Herzen liegt. Die Stiftung unterhält unter anderem das Haus Mignon, in dem 19 Pflegekinder aufwachsen. „Wie in einer Familie“, sagt Quadflieg. „Das ist das Wichtigste: Dass die Kinder Halt haben. Das ist etwas völlig anderes als der Schichtbetrieb, in dem wechselnde Betreuer arbeiten.“

Sandra Quadflieg engagiert sich für die Stiftung, weil sie glaubt, „dass wir alle die Welt ein bisschen besser machen können“. Nicht schnacken, sondern machen – so beschreibt sie ihre Philosophie. Das scheinen auch die Studenten so empfunden zu haben, ihre vielen gründlichen und überzeugenden Überlegungen mündeten in einer Mehr-Liebe-Werbekampagne. Insgesamt lieferten sie eine hoch professionell umgesetzte und straff vorgetragene Analyse, die im Anschluss für viel Begeisterung sorgte, aber in freundlichem Ton auch nicht mit Kritik sparte. Das hatten Jasper Jensen und seine Kollegen schon erwartet: „Wir als Behörde haben ein schlechtes Image. Mit uns verbindet man tausend Formulare, und das Jugendamt gilt als die Stelle, die den Leuten die Kinder wegnimmt“, sagt Jasper Jensen unverblümt. Jugendamtsleiter Christoph Helms bekannte freimütig: „Wir lernen von euch und Ihnen.“

Am meisten, stellten die Studenten fest, hapert es derzeit im Kreis Pinneberg an Informationen und generell an der Zugänglichkeit der Behörden-Internetseite: Es sei eine ganz große Herausforderung gewesen, die Website überhaupt zu finden. Sie sei sehr unstrukturiert und bürokratisch, obwohl die Pflegeelternsuche so ein emotionales Thema sei. Und weiter: Die Behörde gehe mit der Elternsuche „emotionslos“ um, Flyer und Broschüren seien „ein bisschen verbesserungswürdig“, man müsse sich „ein bisschen durchwühlen“ und erkenne nicht, was kommuniziert werden soll. Die Website des Kreises habe „die Behördenklischees erfüllt: Sie ist leider sehr langweilig“. Worte wie „grau und monoton“ fielen, „aber es handelt sich doch um ein sehr emotionales Thema“. So sei es trotz der Seriosität der Behörde schwierig, Leute, die potenziell als Pflegeeltern infrage kommen, zu erreichen.

Die private Macromedia Hochschule

Die private Macromedia Hochschule für angewandte Wissenschaften unterhält sechs Standorte in Deutschland. Einen davon in der Hamburger Innenstadt. Die Hochschule hat sich dem digitalen Wandel verschrieben und bietet Bachelor- und Masterstudiengänge an.

Ihre Studentenschaft ist auffallend international, was unter anderem daran liegt, dass etwa ein Viertel der Studienrichtungen in englischer Sprache studiert werden können.

Die Macromedia Hochschule, die es seit zehn Jahren gibt, hat den Schwerpunkt Medien, Management und Kommunikation und vermittelt praxisorientiertes Fachwissen, ausgehend davon, dass die Kunst, über digitale Medien zu kommunizieren, den Erfolg von Unternehmen heutzutage entscheidend mitbestimmen kann.

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Wie viel besser Faltblätter gestaltet werden könnten – auch das lieferten die Studenten in Zusammenarbeit mit einer Grafikerin gleich mit. Sie änderten die Farben, arbeiteten mit Piktogrammen, rund ausgeschnittenen Fotos und Symbolen, die alles schnell zu erfassen sind.

Mitnichten betrachten die jungen Studierenden die Suche nach Pflegeeltern als aussichtslos: Als ausdrücklich positiv beschreiben sie moderne Familienzusammensetzungen in Form von Patchworkfamilien oder mit gleichgeschlechtlichen Eltern.

Die Pflegeeltern-Zielgruppe sehen sie im sozialökologischen Milieu: engagierte, gesellschaftskritische Bürger zwischen 30 und 60, die politisch korrekt seien und der Wachstumsgesellschaft kritisch gegenüberstünden.

Jasper Jensen sagte, dass er die Ideen der Studenten landesweit umsetzen möchte. er ist sich sicher: „Das Land tut dafür auch Geld raus.“ Auch Sandra Quadflieg war hinterher „superbegeistert“: „Es ist wichtig, bei den Menschen Emotionen anzusprechen. Was ihr gemacht habt, ist umsetzbar, weil es greifbar und nachvollziehbar ist. Wenn ihr mich braucht, würde ich euch gern unterstützen.“