Wedel. Insekten als Zukunftsmahlzeit? Ein Wedeler Restaurant-Chef bietet ein Aktionsmenü an. Für seine Gäste ist das eine Herausforderung.

Für die einen ist es Zukunftsmusik, für andere eine doch etwas eklige Angelegenheit. Worum es geht? Um Insekten als Nahrungsmittel. Was in der erfolgreichen Show „Dschungelcamp“ („Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“) ständig auf den Teller kommt und in Asien teilweise als Delikatesse gilt, ist in Europa ein Tabu. Doch genau damit brechen immer mehr Gastronomiebetriebe. Die proteinreichen Insektensnacks liegen im Trend, finden sich in Supermarktregalen, und ganze Kochbücher werden über die Zubereitung geschrieben. Nun sind sie auch in Wedel angekommen. Im Restaurant Mühlenstein befinden sich Würmer im Salat – und das ganz bewusst.

„Das ist ein schmaler Grat“, sagt Geschäftsführer Marcus Fürstenberg, der sich dessen bewusst ist, dass solche Kombinationen Gäste auch vor den Kopf stoßen können. „Wir legen deshalb ganz besonders viel wert darauf, dass die Insekten – auch wenn sie extra für den Verzehr geeignet sind – nicht aus Versehen in andere Gerichte geraten“, sagt der Gastrochef. Fürstenberg weiß, dass für viele Besucher, die sich an das etwas andere Menü heranwagen, der Wettbewerb im Vordergrund steht.

Bei Facebook nominieren sich Freunde und Bekannte für die Mutprobe. Dabei stellt Fürstenberg fest: Es sind deutlich mehr Frauen, die sich an die etwas andere Speise heranwagen. Bei der Premiere im vergangenen Jahr zählte er 33 Frauen und 17 Männer, die sich an die Insektenspeise herantrauten. In diesem Jahr waren es bislang zwölf Frauen und fünf Männer. Aber die Aktion läuft auch noch bis Mitte Februar.

Insekten zu essen ist auch ökologisch sinnvoll

Dauerhaft mag der Restaurantbetreiber die Speiseinsekten nicht auf die Karte nehmen. Auch wenn er davon überzeugt ist, dass sowohl Gastronomie als auch Konsumenten umdenken müssen. „Fleisch wird zukünftig viel zu teuer werden. Wir müssen sehen, wie es weitergeht“, sagt Fürstenberg. Auch aus dem ökologischen Gedanken sei der Verzehr von Speiseinsekten durchaus zukunftsfähig.

Die Zucht der Tiere würde deutlich weniger Platz in Anspruch nehmen, es würde dabei sehr viel weniger Kohlendioxid erzeugt, und sie ließen sich unter relativ humanen Bedingungen zu Lebensmitteln verarbeiten. Es sind diese und weitere Gründe, aus denen Insekten von manchen Experten auch als Fleisch der Zukunft gehandelt werden.

So schmeckt’s dem Testesser

Abendblatt-Hospitant Oskar Petermann probiert den Wedeler Wurmsalat:

Heuschrecken und Mehlwürmer? Nie hätte ich mir vorgestellt, so etwas einmal auf meinem Teller zu finden. Als es dann doch dazu kam, war ich neugierig und auch ein wenig nervös. In Asien mögen Insekten zwar als Delikatesse gelten, hierzulande sind sie es nicht. Zumindest noch nicht.

Dementsprechend war es komisch, einen Salat gespickt mit Mehlwürmern und drei Heuschrecken vor mir stehen zu haben. Also vorsichtig starten, erst einmal mit nur einem einzigen Wurm. Wenn man den Gedanken verdrängt, dass man ein angebratenes Insekt isst, schmeckt es eigentlich nicht schlecht. Interessant zumindest.

Ich werde mutiger. Es folgen die Heuschrecke und ein paar Gabeln Mehlwürmer. Es schmeckt leicht nussig, erinnert etwas an angebratene Pinienkerne. Doch diese Note weicht schnell einem anderen kaum beschreibbaren Eigengeschmack.

Die Insekten sind eine eher knackige Beilage. Widerlich sind Mehlwürmer und Heuschrecken jedenfalls nicht, allenfalls gewöhnungsbedürftig. Allerdings isst das Auge bekanntlich mit, weswegen ein Mehlwurm-Salat sicherlich Überwindung kostet.

Wenn man aber bedenkt aus was tierische Gelatine zum Teil gefertigt wird, wirken gegrillte Heuschrecken dagegen noch harmlos.

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Und doch, das Auge isst ja bekanntlich mit, und das Gehirn spielt in der Sache eine große Rolle. Wer von Kindesbeinen an gelernt hat, Dinge lieber nicht zu essen, aus denen sich Würmer oder ähnliches herauswindet, hat mit Flammkuchen samt Mehl- und Buffalowürmern, garniert mit zwei großen Heuschrecken, und einem Insektenschokomousse so seine Probleme.

100 Gramm Heuschrecken kosten 59 Euro

„Ja, das ist Kopfsache“, sagt auch Fürstenberg. Auch er und sein Team taten sich anfangs schwer. Denn alle Mitarbeiter sollten die Gerichte probieren. Laut dem Restaurantleiter trauten sich alle zu testen, und waren sie ernst noch vorsichtig, sei schlussendlich alles aufgegessen worden. „Die Heuschrecken schmecken am besten“, sagt Fürstenberg. Er empfiehlt, wie bei Krabben den Kopf abzutrennen. „Und die Flügel würde ich auch abnehmen“, sagt er. Er beschreibt den Geschmack als nussig, knusprig.

Im Wedeler Restaurant Mühlenstein gibt’s Mehlwürmer und Heuschrecken. Abendblatt-Hospitant Oskar Petermann macht den Test.
Im Wedeler Restaurant Mühlenstein gibt’s Mehlwürmer und Heuschrecken. Abendblatt-Hospitant Oskar Petermann macht den Test. © krk | Katy Krause

Irgendwie, wohl auch dank des „Dschungelcamps“, wirkt das Ganze billig, ist es aber ganz und gar nicht. 100 Gramm gefriergetrocknete große Heuschrecken, die dann in der Pfanne angebraten werden können, kosten 59 Euro. Fürstenberg greift dabei auf die Tafel-Insekten der Firma Snack-Insects aus Witzeeze nahe Hamburg zurück. Seit 2012 vermarktet Unternehmer Folke Dammann kochfertige Speiseinsekten, ist auf Messen unterwegs und bietet entsprechende Kochkurse an. Ein Fernsehbericht über Dammann und die mögliche Fleischalternative war auch der Anlass für Fürstenberg, sich mit dem Thema auseinander zusetzen.

Doch nicht nur der Gastroleiter denkt um. Auch seine Kunden, wie er sagt. Die vielen Lebensmittelskandale und Bericht über Massentierhaltung bewirkten das. „Wir haben viel mehr vegane und vegetarische Gerichte auf der Karte als früher“, sagt Fürstenberg. Sein nächstes Projekt: plastikfreie Strohhalme zu finden, die auch für Cocktails funktionieren. Eine Papiervariante ist im Praxistest durchgefallen, nun denkt Fürstenberg über ungekochte Teigwaren als Grundstoff nach.

Ob die Kunden im Wedeler Mühlenstein in einer fernen Zukunft hier wirklich einmal dauerhaft Insekten verspeisen und Cocktails durch eine Art Makkaroni schlürfen, muss wohl die Zukunft zeigen.