Wedel/Tornesch . Wirtschaftsserie „Wo in aller Welt“: Das Pharmaunternehmen Medac ist auf Wachstumskurs und mittlerweile in 95 Ländern aktiv.
Usbekistan und Kasachstan: Da muss so manch einer erst einmal überlegen, wo das denn noch genau liegt. Volker Bahr als Sprecher des Pharmaunternehmens Medac verknüpft mit Usbekistan und Kasachstan, dass auch in diesen vom Kreis Pinneberg tausende Kilometer entfernten Ländern seit kurzem die Kosten für den von Medac entwickelten Rheuma-Pen den Patienten erstattet werden. Ein weiterer Erfolg einer seit Jahren anhaltenden Wachstums- und Expansionsstrategie des in Wedel und Tornesch ansässigen Unternehmens. Mit derzeit 95 Ländern, in denen Medac-Produkte vertrieben werden, hat sich das mittelständische Unternehmen zu einem globalen Spieler gemausert – ein Muss also für die neue Serie „Wo in aller Welt“, in der das Abendblatt regionale Betriebe von überregionaler Bedeutung vorstellt.
Großbritannien bereitet Probleme
Denn um alle Medac-Vertretungen aufzuzählen, braucht es einige Zeit. So unterhält das Pharmaunternehmen in Japan, Frankreich, Italien und Großbritannien Tochtergesellschaften oder Firmenbeteiligungen. Weitere Niederlassungen finden sich in Dänemark, Finnland, Polen, Portugal, der Slowakei, Skandinavien und Tschechien. Als Repräsentanzen zählt Bahr noch Moskau in Russland, Gagarin in Kasachstan sowie eine nahe Kiew in der Ukraine auf.
Allerdings ist ausgerechnet einer der wichtigsten Absatzmärkte für Medac die im Moment für viele Beobachter unberechenbare Insel Großbritannien. Um genau zu sein, macht das Geschäft mit den Briten zehn Prozent des Umsatzes aus. Daher beobachten die Spezialisten für Zulassung und Vertrieb sowie aus der Rechts- und Finanzabteilung des Unternehmens die Entwicklungen auf der Insel sehr genau, um sich darauf schnellstmöglich einzustellen. Wie verhält es sich zum Beispiel mit dem zukünftigen Zoll oder der Zulassung von Medikamenten? Unter anderem hat Medac verschiedene Präparate, die eine EU-Lizenz haben. Doch noch ist unklar, ob Großbritannien nach dem Brexit die Regelungen der EU übernimmt oder es andere geben muss.
Medac hat laut Unternehmenssprecher Bahr bereits neue Forschungsstudien in Großbritannien gestoppt. Denn es ist noch völlig unklar, inwieweit nach dem Brexit ab voraussichtlich April diese dann aus EU-Ausland stammenden Studien in der EU anerkannt werden würden. „Wir müssen uns auf alle Eventualitäten einstellen“, so Bahr. Derzeit gehe man bei Medac aufgrund der unklaren Situation davon aus, dass man Großbritannien wie jedes andere EU-Drittland behandeln werde.
Das internationale Geschäft birgt eben so einige Hürden, aber auch große Chancen. Immerhin mauserte sich die Medac Gesellschaft für klinische Spezialpräparate mbH in den vergangenen fast 50 Jahren von einem kleinen Start-Up zu einem Unternehmen mit mittlerweile rund 1100 Mitarbeitern in Deutschland sowie weiteren 630 weltweit und in Tochtergesellschaften. Der Umsatz lag zuletzt bei 390 Millionen Euro, im Vergleich dazu waren es in 2013 beispielsweise 356 Millionen Euro. Davon bleibt auch in den Städten etwas hängen. Das Pharmaunternehmen gehört zu den großen Gewerbesteuerzahlern in Wedel und seit 2011 auch in Tornesch.
Denn im dortigen Gewerbepark baute Medac sein neues Logistikzentrum. Zwei Jahre nach der feierlichen Einweihung musste dort schon aufgrund des rasanten Wachstums erweitert werden. Seither wird mittels des modernen voll automatisierten Hochregallager in Tornesch der europäische und weltweite Markt logistisch bedient. In Wedel wird an verschiedenen Standorten neben dem Hauptsitz an der Theaterstraße nahe des Bahnhofs aber weiterhin an der Entwicklung neuer Produkte sowie deren Einführung auf verschiedenen Märkten gearbeitet.
„Medac liefert heute Arzneimittel und Diagnostik weltweit“, sagt Geschäftsführer Jörg Hans. Fast überall auf der Welt könnten Patienten die entwickelten Krebsmedikamente oder den Rheuma-Pen von Medac bekommen. Doch ausruhen mag man sich bei Medac auf dem Erfolg nicht. Für dieses Jahr ist so einiges geplant. „Wir sind zuversichtlich, allein bis Sommer vier bis fünf Arzneimittel und Medizinprodukte zur Bekämpfung verschiedener Krebserkrankungen bei Medac einzuführen und Ärzten und Apothekern anbieten zu können“, berichtet Hans.
Bei einem dieser Medikamente handel es sich um das Medizinprodukt Chemosat, das Anfang des Jahres auf dem europäischen Markt etabliert wurde. Es richtet sich an einen kleineren Personenkreis. Laut Unternehmenssprecher sind deutschlandweit geschätzt 400 Menschen pro Jahr von der Erkrankung betroffen, für die es sonst aber keine Heilung gebe. Es geht um Patienten mit Leberkrebs, deren Metastasen so gestreut haben, das sie nicht operativ entfernt werden können. Eine Chemotherapie könne nur helfen, wenn sie sehr stark wäre und das würde gesunde Organe zerstören. Die Idee hinter dem Medac-Produkt: Mithilfe eines Filters wird die Leber vom Blutkreislauf des Körpers isoliert und in konzentrierten Dosen das Antikrebs-Medikament direkt in die Leber injiziert.
Rheuma-Pen ist ein Umsatzträger
Während Chemosat einer kleinen Gruppe hilft, zählen die von Medac entwickelten Fertigspritzen und das Nachfolgeprodukt, der Fertig-Pen, zu den größten und verbreitetsten Umsatzträgern. Sie enthalten einen Wirkstoff zur Behandlung von Rheuma, der aber auch bei Morbus Crohn und Schuppenflechte verschrieben wird. Bei Medac kam man auf die Idee, es den Patienten leichter zu machen, in dem man die Spritzen bereits befüllt ausliefert. Daraus entwickelte sich die Idee des Pen, eines Autoinjektors. Dabei handelt es sich um eine Art Plastikstift. Auf Knopfdruck schießt eine Nadel heraus, injiziert das Medikament und schnellt dann wieder zurück. Vorteil für die Patienten: Sie sehen keine Nadel und müssen sich auch nicht selbst damit stechen. „Allein 50.000 Dauerpatienten nutzten pro Jahr den Rheuma-Pen in Deutschland“, berichtet Unternehmenssprecher Bahr.
Hinter den Kulissen arbeitet das Medac-Team noch einem ganz anderen Zukunftsprojekt – und zwar der Organisation rund um die große Geburtstagsfeier zum 50-jährigen Bestehen. Das Jubiläum wird im kommenden Jahr gefeiert, die Party selbst ist voraussichtlich für den 1. April geplant.
Serie „Wo in aller Welt“: Unter diesem Motto stellt das Hamburger Abendblatt in Pinneberg von sofort an immer montags Unternehmen aus der Region vor, die mit ihrer Arbeit weit über den Standort hinaus wirken. Nächste Folge: Am Montag, 4. Februar, wird’s sportlich. Denn das Elmshorner Unternehmen Victor International ist wie der Name schon sagt, weltweit aktiv und Mit-Marktführer, wenn es um die richtige Ausstattung für Badminton, Squash und Tennis geht.