Ellerbek. Wirtschaftsserie: Vor 35 Jahren erkannte die Manufaktur Nagel schon den veganen Trend. Produkte werden bis Skandinavien geliefert.

Wer den dänischen Supermarkt Bilka betritt, entdeckt sie genauso wie in vielen weiteren Tiefkühlregalen Skandinaviens sowie in fast allen Reformhäusern in Hamburg und Schleswig-Holstein. Auch im Sortiment der Supermarktkette Edeka sind die veganen Produkte der Manufaktur Nagel vertreten. Doch nicht nur den Norden hat das Unternehmen mit Sitz in Ellerbek für sich erobern können. Seine Produkte sind auch schon einmal nach England und Zypern geliefert worden. „Zudem sind wir derzeit in Gesprächen mit Kunden in Riga“, berichtet Andrea Nagel. Mit ihrem Mann gründete sie das Unternehmen – zu einer Zeit, als es Tofu in Deutschland vor allem als geschmacklich herausfordernde Bröckchen im Glas gab und nicht abzusehen war, dass vegan einmal so im Trend liegen könnte wie heute.

„Tofu ist angekommen in der Gesellschaft“, sagt Geschäftsführerin Nagel, die vor 35 Jahren mit ihrem Mann den Schritt in die Selbstständigkeit wagte und das heutige Unternehmen gründete. Andrea Nagel ist gelernte Krankenschwester, ihr Mann war Feinmechaniker. Früh befassten sie sich mit den Themen Ernährung, Massentierhaltung und Gesundheit. Auf der Suche nach Tofu, der schmeckt, entdeckten sie damals eine Manufaktur in Ottensen. Der Betreiber, ein Zen-Buddhist, wollte sie verkaufen und sich ins Kloster zurückziehen. Die Nagels ergriffen die Chance, sie ließen sich noch von dem ehemaligen Betreiber in die Maschinen und die Herstellung einweisen. Alles andere brachten sie sich später selbst bei, indem sie ausprobierten, sich mit anderen austauschten und Fachlektüre studierten.

Die Produkte der Firma Nagel aus Ellerbek finden sich auch in skandinavischen Supermärkten, wie hier in Dänemark.
Die Produkte der Firma Nagel aus Ellerbek finden sich auch in skandinavischen Supermärkten, wie hier in Dänemark. © Nagel | Nagel

„Wir sind damals von Geschäft zu Geschäft gelaufen“, erinnert sich Andrea Nagel, die ihre Produkte mit handgeschriebenen Rezepten versah. „Das war Pionierarbeit“, erinnert sie sich. Die Aufklärung zahlte sich aus. Schnell war die Produktionsstätte in Ottensen und später auch in einer ehemaligen Bäckerei in Groß Flottbek zu klein. Vor 19 Jahren folgte der Umzug nach Ellerbek. In einem umgebauten Kuhstall hat das Unternehmen nun seinen Sitz. Die Produktion wurde mittlerweile nach Süddeutschland verlagert. Die Ideenwerkstatt und der Vertrieb sind weiterhin im Kreis Pinneberg angesiedelt. „Wir arbeiten immer an neuen Produkten“, berichtet die Geschäftsführerin. In der hauseigenen Versuchsküche, die in Tangstedt liegt, wird viel ausprobiert und an Rezepten gefeilt. In Ellerbek geht’s dann ans Probieren und testen. Bis zu 50 Produkte umfasst das Sortiment der Manufaktur. So können Kunden beispielsweise Gemüse Burger, Räucher Tofu, Seitan Gulasch, Koriander Hummus, Veggie Hack und den Käseersatz VegiBelle erstehen. Möglich ist das über den Online-Shop, am Sitz in Ellerbek im Burstah 28 und natürlich im Fachhandel. Fünf Mitarbeiter sind für die Manufaktur Nagel in Ellerbek tätig, weitere 18 arbeiten in der Produktion bei Koblenz. 2018 lieferte das Unternehmen 176 Tonnen Tofu aus. Tendenz steigend.

Wer Unternehmenschefin Andrea Nagel zuhört, dem wird schnell klar, dass für sie die Produktion von Tofu mehr als ein Job ist – es ist eine Lebenseinstellung. Natürlich ernährt sich die Unternehmerfamilie – Andrea Nagel hat drei Söhne – vegan, um genauzusein makrobiotisch. Zudem legen sie viel Wert darauf, dass ihre Zutaten aus der Region und aus biologischem Anbau stammen. „Tofu ist eine Revolution, die völlig unterschätzt wird“, sagt Nagel mit Blick auf die Möglichkeit, dank des Sojaproduktes auf Fleisch gänzlich zu verzichten. Man könne soviel mehr Menschen ernähren, wenn man anstatt Soja an Kühe zu verfüttern und dann wiederum diese zu essen, sich gleich von Sojabohnen ernähre. Zudem würde sich so viel Tierleid vermeiden lassen, gibt Nagel zu bedenken.

Die Nachfrage nach veganen Nahrungsmitteln und dem Nagel-Tofu steigt immer deutlich spürbar nach Lebensmittelskandalen, wie die Geschäftsführerin zu berichten weiß. Ob BSE, EHEC, Dioxin-Eier, Pferdefleisch: Die Skandale der vergangenen Jahre hätten ein Umdenken bei den Verbrauchern bewirkt, so Nagel. Aber auch bei anderen Herstellern. „Wir spüren den zunehmenden Wettbewerb“, sagt sie. Der Familienbetrieb kann mit den Preisen der großen (Fleisch-)Konzerne, die plötzlich auch vegane Produkte anbieten, nicht mithalten – allerdings auch, weil man bewusst auf Qualität anstatt Masse setzt. „Wir sind schon lange am Markt“, so Nagel. Mit der Erfahrung und besonderen Produkten will man beim Kunden punkten. So entstand in der Versuchsküche auch die Rezeptur für das gefragte Algen-Tofu oder die neue Käsereihe Vegibelle. Derzeit arbeitet das Nagel-Team an einem Streichkäse, der bald auf den Markt kommen soll. Ein weiteres Zukunftsprojekt: Nagel möchte sich mit ihrem Betrieb der Initiative Gemeinwohl-Ökonomie zur Stärkung eines regionalen Netzwerkes anschließen.

Übrigens die Rezept-Vorschläge von Andrea Nagel gibt es immer noch – aufgrund der Menge allerdings nicht mehr handgeschrieben und angeheftet an jedes Produkt, wie einst in Gründungsjahren. Sie finden sich auf der Homepage der Firma unter tofunagel.de und sind als kleiner Rezeptflyer erhältlich, den Interessierte am Sitz in Ellerbek bekommen können.

In der neuen Serie „Wo in aller Welt“ stellt das Hamburger Abendblatt in Pinneberg von sofort an immer montags Unternehmen aus der Region vor, die mit ihrer Arbeit weit über den Standort hinaus wirken. Ihre Produkte fliegen durch die Welt, sind auf internationalen Schienen und den Weltmeeren unterwegs. In der nächsten Folge geht’s am Montag, 28. Januar, um die Pharmafirma Medac mit Sitz in Wedel und Tornesch. Das mittelständische Unternehmen hat sich in fast 50 Jahren enorm entwickelt und ist nun in 95 Ländern aktiv.