Kreis Pinneberg. Sind wolfssichere Zäune hierzulande zu niedrig? Jurist will Umweltminister verklagen, sollte dieser den Wolf zum Abschuss freigeben.
In den vergangenen Tagen gab es erneut Risse von Schafen, die wohl auf einen Wolf zurückgehen. So wurde am 10. Januar ein Schaf in Westerhorn getötet – hinter einem Zaun, der nicht als wolfssicher galt. Am 7. Januar gab es einen Übergriff in Hemdingen und am 5. Januar in Ellerhoop. In beiden Fällen stand die Herde hinter einem mindestens 1,08 Meter hohen Zaun; jeweils ein Schaf wurde getötet. Damit stieg die Zahl der Angriffe auf Nutztiere hinter sogenannten wolfssicheren Zäunen im Kreis auf fünf. Das bestätigte Martin Schmidt, Sprecher des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). „Wir haben dem Tierhalter in Westerhorn als sofortige Maßnahme für 15 Hektar wolfssichere Zäune zu Verfügung gestellt.“
Ergebnisse der DNA-Analyse, ob es sich beim Angreifer um einen Wolf handelt, erwartet Schmidt Ende kommender Woche. Wird der Verdacht bestätigt, könnte der Wolf zum Abschuss freigegeben werden – ein Novum in Schleswig-Holstein. Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hatte in einer Stellungnahme am 3. Januar gesagt, dass „aufgrund der mehrfachen Überwindung wolfssicherer Zäune die Ausnahmeregelung im Naturschutzgesetz“ greifen würde, nach der ein Antrag auf Abschuss gestellt werden kann.
Jurist Christian Berger aus Buchholz Aller, der sich seit 16 Jahren dem Schutz von Wölfen verschrieben hat, ist darüber entsetzt. In einem Brief, der dieser Redaktion vorliegt, droht er dem Minister mit einer Strafanzeige, sollte dieser den Wolf zum Abschuss freigeben. Darin heißt es: „Ich frage mich ernsthaft, ob Ihre Mitarbeiter nicht wissen, dass 1,20 Meter als erforderlicher Grundschutz dringend empfohlen wird – wenn noch keine Übergriffe statt gefunden haben.“ Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hätten dies veröffentlicht.
Sachsen nicht vergleichbar mit Schleswig-Holstein
Das Bundesamt bestätigt dies: „Die vom BfN und der DBBW empfohlenen Standards für Herdenschutzmaßnahmen liegen über den Mindestschutzstandards der Bundesländer mit Wolfsvorkommen. Sie basieren auf einer breiten Wissensgrundlage aus nationalen und internationalen Erfahrungen“, erklärt Ruth Birkhölzer, Sprecherin im Bundesamt. So würden nur elektrifizierte bodenabschließende Zäune empfohlen, die mindestens 120 Zentimeter hoch sind. Festzäune könnten unterkrochen oder überklettert werden. Bei größeren Herden empfiehlt das Amt zusätzlich mindestens zwei Herdenschutzhunde. Es gebe aber regionale Unterschiede. Die Mindestschutzstandards der Bundesländer seien in jeweiligen Managementplänen festgelegt und könnten unterschiedlich geregelt sein. „Auch muss klar sein, dass im Einzelfall auch ein nach den empfohlenen Standards implementierter Herdenschutz unter Umständen keine hundertprozentige Sicherheit der Weidetiere vor Wolfsübergriffen bieten kann.“
Berger weist darauf hin, dass die Ausnahmeregelung des Paragrafen 45 Abs. 7 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetz verlange, dass der Nutztierhalter alles Zumutbare getan haben müsse, ehe ein Wolf zum Abschuss freigegeben werden könne. „Wir haben nun 20 Jahre Wölfe in Deutschland. In Sachsen hat man verlangt, dass die Schäfer 1,40 Meter plus 20 Zentimeter darüber Flatterband zäunen. Oder Alternativ 1,20 Meter und Herdenschutzhunde, Elektrozäune natürlich.“ Für Berger der zumutbare Standard, an dem gemessen werden müsste. Für eine Abschussgenehmigung müsste den Schäfern ein existenzieller Schaden entstehen. Dies bezweifelt Berger. Er verweist darauf, dass Schäfer „mehrere Hunderttausend Euro EU-Fördermittel pro Jahr bekommen“.
Das Schreiben liegt dem Kieler Ministerium vor. Hier verweist man darauf, dass eine enge Anlehnung an die Managementverfahren des Landes Sachsen nicht hilfreich erscheine, da sowohl die landschaftlichen, die klimatischen als auch die landwirtschaftlichen Strukturen in Sachsen nicht mit denen hier im Lande vergleichbar seien. „Die als wolfssicher bewerteten Verfahren wurden seit dem ersten Auftreten in Schleswig-Holstein aufgrund landesspezifischer Besonderheiten entwickelt“, heißt es in einer Stellungnahme. In Schleswig-Holstein gelten Flexizäune als wolfssicher, die eine Zaunhöhe von 1,05 bis 1,08 Meter aufweisen und mit mindestens 3500 Volt versehen werden. „Seit 2007 haben sich diese Zaunhöhen und Stromstärken bis heute bewährt“, heißt es aus dem Ministerium. „Erst jetzt hat ein einzelner Wolf gelernt, diese Zäune zu überwinden. Solche Lernereignisse sind auch bundesweit äußerst selten.“ Es werde aktiv an der Fortentwicklung des Wolfsmanagement gearbeitet. „Sollte sich zeigen, dass die Zaunhöhen nicht mehr ausreichend sein sollten, können diese auf der Grundlage länderspezifischer Erfahrungen fortentwickelt werden.“