Kreis Pinneberg. Kreative aus dem Kreis bemängeln geringe Wertschätzung und zu wenig Kunst am Bau. Aber sie loben auch die finanzielle Förderung.
Sie malen, sie erleuchten und sie fotografieren. Ihre Skulpturen stehen im öffentlichen Raum. Regionale Künstler prägen den Kreis Pinneberg, tragen mit ihren Werken dazu bei, sein Profil zu schärfen. Wird ihnen das gedankt? Das Abendblatt fragt nach. Und will von überregional angesehenen Kreativen wissen, wie sie über ihr Umfeld denken, warum sich ausgerechnet hier Kunst erschaffen – und was besser laufen könnte. Das ist einiges, so viel sei vorweggenommen. Doch auch Lob ist hören.
Nehmen wir Gisela Meyer-Hahn, eine renommierte und streitbare Künstlerin, die seit Jahrzehnten mit Licht und Farben arbeitet, oft im Zusammenspiel mit Musikern. Meyer-Hahn, die 1988 nach Pinneberg kam, wird zu internationalen Kongressen eingeladen, ihre Installationen sind bundesweit gefragt. Große Aufmerksamkeit etwa erregte ihr Konzept, gigantische Windräder leuchten zu lassen. Fühlt sie sich auch in Pinneberg ausreichend wertgeschätzt? „Ja, von Einzelpersonen. Von kommunalen Verwaltungen nicht“, so Meyer Hahn. Regelmäßige finanzielle Unterstützung erfahre sie nicht. Was sie sich wünsche? „Dass die freischaffenden Künstler eine breitere Plattform erhalten, ihre Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, dass Veranstalter und Künstler leichter miteinander in Kontakt kommen und überhaupt voneinander wissen“, antwortet die Lichtkünstlerin.
Eine Schlüsselrolle komme den Kommunen zu, die auch mit Freischaffenden, nicht nur mit Vereinen, stärker kooperieren müssten. Ob sie schon mal überlegt habe, den Kreis zu verlassen?, „Ja, und temporär tue ich das auch immer wieder.“
Jörgen Habedank hat sein Atelier in Tornesch. „Für Künstler kann ich keinen expliziten Vorteil des Standortes Kreis Pinneberg ausmachen. Das Interesse an bildender Kunst regional ist eher dünn“, sagt er. Er mache sich zudem Sorgen um den Nachwuchs. „Wo bleiben Jugendliche bei Ausstellungen?“, fragt Habedank. Er fühle sich „eindeutig“ nicht ausreichend wertgeschätzt. Die Entscheidungen zu den Kulturpreisträgern im Kreis seien „sehr undurchsichtig und seltsam“. Vieles müsse besser werden, wenn es um die Kunstszene gehe. „Sich ein Gesicht geben. Den öffentlichen Raum gestalten. Architektur gestalten und Mut zu individuellen Lösungen haben“, nennt Habedank seine Ansätze. Der Blick in die Niederlande, nach Dänemark, England lohne. Über Projekte, die mutig gestaltet würden, werde gesprochen. „Sie sind Anziehungspunkte und Hingucker. Davon hat Pinneberg viel zu wenig.“
Klar koste Kunst Geld, aber da komme etwas zurück: „Interesse, Verbundenheit, Engagement, Identifikation mit einem Ort “, sagt Habedank, der trotz mangelnder „Laufkundschaft“ dem Kreis mit seinem Atelier treu bleiben will. „Ich freue mich, wenn ich andernorts der Kunst aufgeschlosseneren Haltungen begegne, arbeite aber hier vor den Toren Hamburgs gern, habe ein traumhaftes Atelier in der alten Mühle in Tornesch.“
Kulturverband
Karl-Heinz Boyke ist gebürtiger Uetersener. Der freischaffende Maler, Bildhauer und Kurator ist auch Sachverständiger für Kunst im öffentlichen Raum. „Die hiesigen Kommunen könnten sich trotz der derzeitigen Zurückhaltung des Landes verstärkt für die Kunst im öffentlichen Raum engagieren“, sagt Boyke. Und weiter: „Es wird viel gebaut, und den Künstlern bricht ein Betätigungsfeld weg, wenn Kunst am Bau nicht realisiert wird.“ Die Gemeinde Halstenbek sei da ein Vorbild. Im Übrigen gehöre wohl zum Leid aller Künstlerinnen und Künstler, dass sich die entsprechenden Politiker gern mit Kunst und Kultur schmückten, sich aber dann aus der finanziellen Unterstützung zurückzögen.
Der Kreis Pinneberg sei allerdings beispielhaft mit seiner jährlichen Förderung von Kunst- und Kulturprojekten mit mehr als 100.000 Euro. „Das ist etwa das Budget des Landes für vergleichbare Projekte“, betont Boyke. Und hebt hervor, dass Künstler in der Region Möglichkeiten haben, sich zu vernetzen. Schließlich gebe es mit der Drostei einen Kulturknotenpunkt, ebenso einen Runden Tisch der Kreisverwaltung, den Kreiskulturverband, Kunstvereine wie in Elmshorn, Pinneberg und Quickborn. Zudem habe sich in Pinneberg jetzt auch das Kulturwerk Schleswig-Holstein angesiedelt.
Fotosofin Gagel fühlt sich in Pinneberg zu Hause, weil sie rund um die Stadt gut mit anderen Kreativen zusammenarbeiten kann. Stadt und Kreis unterstützten künstlerische Vorhaben. „Manchmal zunächst mit Bedenken und administrativen Hürden, die jedoch meist überwindbar sind“, sagt Gagel, die den Kreis Pinneberg als ausgezeichneten Förderer herausstellt. „Die Stadt hat allerdings über die Jahre ihren Etat runtergeschraubt. Das ist sehr bedauerlich.“ Gagel wünscht sich grundsätzlich kürzere Wege im Miteinander von Kommunen und Kunst. „Und wir brauchen einen unbürokratisch verfügbaren Ausstellungsraum. Der fehlt in der Tat“, so die Fotosofin. Der Region den Rücken kehren? Für Gagel kein Thema. Ihr Motto bleibe, von Pinneberg in die Welt zu wirken.
Kollege Detlef Allenberg, der in Pinneberg lebt und arbeitet, schätzt de Ruhe bei gleichzeitiger Nähe zu Hamburg, wo er gut vernetzt ist. Er kann sich über mangelnde Wertschätzung nicht beschweren, verweist auf vier Ausstellungen in der Region in diesem Jahr. Es gebe zahlreiche Spuren seiner Arbeit im Kreisgebiet, etwa Skulpturen in Rellingen und Elmshorn. Auch Allenberg wünscht sich allerdings, dass die Kommunen wieder aktiver werden, wenn es um Kunst geht. In den 1960er und 1970er-Jahren hätten Kreiskulturamt und Landräte bei Künstlern Werke angekauft.
Allenberg weist nach Hamburg: „Die Einstellung der Politik und der Wirtschaft in Hamburg hat sich durch die Elphi stark verändert, plötzlich erfährt Hamburg einen Schub durch die Kunst“, sagt er.
Mit Hamburg kennt sich auch Martin Musiol ziemlich gut aus. Der Maler und Fotograf verließ vor 20 Jahren das Schanzenviertel, um in den Kreis Pinneberg zu ziehen. „Die Kunstszene ist im positiven Sinn übersichtlicher“, so Musiol.
Von der Öffentlichkeit fühlt er sich gut wahrgenommen. „Wenn Wertschätzung aber gleich Werkverkauf sein soll, dann ist es schwierig, besonders, wenn man etwas gegen den Strich malt“, sagt Musiol. Das an Kunst interessierte Publikum sei zudem in die Jahre gekommen. „Ist das überall so?“, fragt der Mann, der sich auch als Chronist des Hamburger Schanzenviertels einen Namen gemacht hat. Dem Kreis Pinneberg mangele es zudem an Ausstellungs- und Kunstorten. „Wir als Künstlergilde suchen ein Domizil, um Präsenz zu zeigen. Wir träumen von einem Leerstandsladen in einer Einkaufszone wie in Pinneberg, das Stadtmarketing ist sehr wohlwollend, aber Vermieter zeigen wenig Interesse.“
Positiv sei eine aktuelle Kooperation der Künstlergilde mit der IHK Elmshorn. Er kündigt an: Das dabei entstandene Buch „Papier, Kunst trifft Industrie, die Künstlergilde besucht und interpretiert die Papierindustrie im Unterelberaum“ werde im Januar der Öffentlichkeit vorgestellt.