Pinneberg. Wendung im Fall des seit 2011 nicht umgesetzten Beschlusses, Straßenreinigungskosten in Pinneberg neu zu kalkulieren
Vielleicht wird es einem engagierten Bürger zu verdanken sein, dass nun, nach fast acht Jahren Stillstand, eine neue Gebührenordnung für die Straßenreinigung in Pinneberg auf den Weg gebracht wird: Detlev Niss war früher in der Direktion der AOK tätig und ist jetzt im Ruhestand. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Dinge, die seiner Ansicht nach in Pinneberg nicht gut laufen, „mit sehr viel Mühe und Fleiß“, wie er sagt, zu recherchieren, Briefe zu schreiben und bei der Bürgermeisterin, die ihn im Oktober 2018 empfangen hat, nachzufragen, warum dies und das so ist. Niss meint, die Verwaltung schade der Stadtkasse, weil sie trotz Kostensteigerungen und eines politisches Beschlusses aus dem Jahr 2011 die Gebühren nicht erhöhe; die Politiker hatten seinerzeit eine Neukalkulation der Gebühren beschlossen. Mit seiner Kritik steht Niss seit Neuestem in guter Gesellschaft: „Der Landesrechnungshof wird das Thema ,Straßenreinigungsgebührensatzung‘ bei seiner nächsten Prüfung der Stadt Pinneberg aufgreifen“, heißt es in einem Schreiben des Landesrechnungshofs an Niss, das der Redaktion vorliegt. „Das Prüfen der sogenannten kostenrechnenden Einrichtungen – wozu auch die Straßenreinigung gehört – zählt zu den Prüfungsthemen des Landesrechnungshofes“, heißt es weiter. Wann geprüft werde, sei noch offen.
Der Brief wurde der Kommunalaufsicht in Kiel zur Kenntnis weitergereicht, bestätigt Dirk Hundertmark, Pressesprecher im Kieler Innenministerium: „Wo Kommunen sich selbst verwalten, werden wir als Kommunalaufsicht nur bei Streitigkeiten einbezogen. Es müsste dann eine Beschwerde eingehen. Dies ist bisher nicht erfolgt.“
Die Stadt Pinneberg habe „die Gemeindeordnung des Landes Schleswig-Holstein, wonach die zu erhebenden Straßenreinigungsgebühren in regelmäßigen Abständen den tatsächlichen Kosten anzupassen sind, seit Jahren ohne erkennbaren Grund ignoriert“, meint Niss, der von Bürgermeisterin Urte Steinberg „keine nachvollziehbare Erklärung“ erhalten habe. Auf die warten selbst die Politiker vergeblich und seit Jahren. Die SPD macht deshalb inzwischen richtig Druck.
Politiker kennen Gründe für Verzögerung nicht
Wie berichtet, wurde Anfang November ein Antrag der Sozialdemokraten beschlossen, in dem die Stadtverwaltung aufgefordert wird, „lückenlos zu dokumentieren, warum Beschlüsse der Fachausschüsse und der Ratsversammlung aus dem Jahre 2011 bis heute nicht umgesetzt worden sind“, wie Ratsherr Reinhard Matthies (SPD) seinerzeit sagte. Auch nach den finanziellen Auswirkungen wurde darin explizit gefragt. Matthies: „Wir werden immer wieder mit Ausreden abgespeist“.
Auch die Grünen/Unabhängigen wollen das Thema jetzt neu diskutieren: „Wir haben da nicht rechtzeitig und intensiv genug nachgehakt“, räumt der Fraktionsvorsitzende Joachim Dreher selbstkritisch ein. „Ich muss dem Herrn Niss recht geben“, sagt wiederum Jürgen Jacob (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses: „Zigmal haben wir in den Ausschüssen nachgefasst: Die Löhne und andere Kosten sind gestiegen – wovon wird das alles bezahlt?“ Und: „Wenn wir eines Tages mit einer Gebührenerhöhung von zehn Prozent kommen, werden uns die Leute den Kopf abhacken!“
Ähnlich schätzt Werner Mende, Fraktionsvorsitzender der FDP, das Thema ein: „Das muss dringend angegangen werden.“ Die Stadt müsse kostendeckend arbeiten: „Ich gehe davon aus, dass die Gebühren erhöht werden müssen, denn alle Kosten sind gestiegen.“ Er hofft nun, dass mit der neuen Leitung beim KSP Bewegung in die Sache kommt. „Der Bürger soll zwar nicht weiter belastet werden. Aber wenn eine Erhöhung notwendig ist, müssen wir in den sauren Apfel beißen.“ In jeder Ausschusssitzung frage er nach, sagt Jürgen Jacob, „und immer schiebt die Verwaltung das auf die lange Bank. Ich habe inzwischen den Eindruck, dass da absolut nichts passiert. Das ärgert mich“.
Gebührensatzung
Keiner der befragten Politiker kennt die genauen Gründe für die Verzögerungen. Mal sei die Rede davon, dass „die Straßen neu berechnet werden müssen“ (Jacob), mal davon dass „die Stadt mit der Kalkulation beim KSP nicht nachkam“ (Mende). Mal habe es geheißen, zu viele Mitarbeiter im Rathaus seien krank oder im Urlaub, mal sei davon die Rede gewesen, dass Rechnungsprüfer noch an dem Thema dran seien.
Eine diesbezügliche Anfrage an die Pressestelle im Rathaus blieb bis Dienstagabend unbeantwortet. Gegenüber dem Abendblatt hatte Sprecherin Maren Uschkurat im November gesagt: „Wir werden die vergangenen Jahre nun aufarbeiten, um herauszufinden, warum sich das alles verzögert hat.“ Mit der Neukalkulation der Straßenreinigungs-Gebühren sei eine Fremdfirma beauftragt worden.
Die nächste Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Kleingartenwesen ist am Donnerstag, 14. Februar, um 18.30 Uhr im Pinneberger Rathaus. Auch dann wird von der Verwaltung erwartet, dass sie Gründe für die jahrelange Verzögerung darlegt.