Tornesch . Hausnummern-Adventskalender: An Tag 6 freuen sich die Bewohner eines Seniorenheims in Tornesch auf den Besuch des Nikolaus.
Wer in diesen Tagen den Gebäudekomplex der Awo in der Pappelstraße 6 in Tornesch betritt, kommt schon in festliche Stimmung. Im Seniorenheim duftet es nach frisch gebackenen Keksen, ein Weihnachtsbaum ist auch schon da. Und heute, am Nikolaustag, gibt es kleine Geschenke für die Bewohner. „Am 6. Dezember bekommen wir einen kleinen Nikolaus aus Schokolade“, sagt Christa Wollner. Die 89-Jährige muss an ihre Kindheit denken. „Damals war die Weihnachtszeit eine willkommene Abwechslung“, sagt Wollner, die in den Kriegsjahren aufgewachsen ist. In einer Zeit der Entbehrung, in der selbst kleine Geschenke eine große Freude waren.
Die älteren Geschwister bastelten für Wollner Spielzeuge aus Holz, die ihr dann zusammen mit Süßigkeiten in die Schuhe gelegt wurden. Zu jener Zeit wusste sie noch nicht, woher die Gaben kamen. „Ich dachte erst, die Heinzelmännchen haben sie mir in den Schuh gelegt“, sagt die Frau mit dem grauen, zum Zopf geflochtenen Haar. Später klärte ihre Familie sie über die Tradition am Nikolaustag auf. Woher die genau kommt, weiß Wollner aber auch heute noch nicht.
Die Pastorin der Pinneberger Christuskirche kann da helfen. „Nikolaus von Myra war ein Heiliger aus der Region Lykien, die in der heutigen Türkei liegt“, sagt Kirsten Kunz. Es gibt viele Legenden um den späteren Bischof. Von besonderer Bedeutung für den heutigen Volksbrauch ist die Geschichte eines Mannes, der seine drei Töchter verheiraten wollte. Um das nötige Geld für die Mitgift zu verdienen, wollte der mittellose Mann seine Töchter in die Prostitution schicken. „Als Nikolaus davon erfuhr, warf er den Mädchen Goldklumpen durchs Fenster“, sagt Kunz. Die Kinder wurden so vor ihrem Schicksal bewahrt.
Wer ins Heim zieht, ist meist pflegebedürftig
Auf Basis der Legende ist der heutige Brauch entstanden, artigen Kindern Geschenke in die Schuhe zu legen. Im Laufe der Zeit haben Eltern die Geschichte erweitert. Der Gehlife Knecht Ruprecht kam dazu, und bestrafte die unartigen Kinder. „Eine pädagogische Maßnahme“, erklärt Kunz. Noch eine weitere wurde dazugedichtet. Die Kinder müssen ihre Stiefel putzen.
Das bleibt den Bewohnern der Pflegeeinrichtung erspart. Viele von ihnen wären dazu auch gar nicht mehr in der Lage. Die Seniorenunterkünfte unterliegen seit Jahren einem strukturellen Wandel. „Früher gingen die Leute ins Altersheim, weil sie alt waren“, sagt Katharina Birke, Leiterin der sozialen Betreuung. Heute werden sie oft erst in Pflegeeinrichtungen gebracht, wenn es gar nicht mehr anders geht. „Wenn jemand bei uns ankommt, ist er meist schon in hohem Maße pflegebedürftig“, sagt die 56-Jährige. Dabei wird übersehen, dass es auch einsame Menschen gibt, die sozial isoliert sind und deshalb ins Altenheim sollen.
Und von denen gibt es immer mehr. „Nicht nur, weil mehr und mehr Menschen älter werden, sondern auch, weil zunehmend die familiäre Unterstützung wegfällt“, sagt die Diplompädagogin. Familien leben nicht mehr zusammen, sondern oft sogar an Orten, die weit voneinander entfernt sind. Wie bei Birke selbst. Ihr Bruder lebt in der Schweiz, die Schwester in Berlin, und der Sohn studiert in Südostasien. Für Menschen aus manch anderen Kulturen unvorstellbar: „Eine Syrerin, die ehrenamtlich bei uns arbeitet, um Deutsch zu lernen, konnte nicht verstehen, warum eine Familie sich freiwillig trennt“, sagt Birke. Professionelle Pflege kannte die 27-Jährig nicht. In der Heimat kümmern sich die Familienmitglieder um die Angehörigen.
In Deutschland übernehmen die Aufgabe immer häufiger Pflege- und Betreuungskräfte. Aber von denen gibt es bei Weitem nicht genug. „Wir haben einen Pflegenotstand“, sagt Birke. Es fehlt Fachpersonal. Bundesweit. Gerade durch den erhöhten Pflegebedarf der Bewohner ist mehr Personal nötig als früher. Aber: „Der Markt ist leergefegt“, sagt Birke. Es ist nicht einfach, junge Menschen für den Beruf zu begeistern. Die Pflege ist anspruchsvoller und intensiver geworden. Außerdem müssen sich die Arbeitskräfte bereits in jungen Jahren mit dem Thema Tod auseinandersetzen. Es gibt aber auch die schönen Seiten. „Eine Patientin mit Alzheimer strahlt jedes Mal übers ganze Gesicht, wenn ich sie mit ihrem Namen anspreche“, sagt Birke, die alles versucht, um den Bewohnern einen angenehmen Lebensabend zu bereiten. Beispielsweise durch gemeinsames Plätzenbacken in der Weihnachtszeit. Birke: „Durch die dabei entstehenden Düfte werden Erinnerungen wach.“