Groß Offenseth. Serie Kennzeichen H: Das Abendblatt stellt Dietmar Kirsch und seine Sportwagensammlung vor. Ein Ortstermin in Groß Offenseth-Aspern.

George ist schockiert. Eben war es noch so schön ruhig in der kleinen Werkstatthalle, und nun das: Dietmar Kirsch dreht den Zündschlüssel seiner Corvette Stingray, der Sieben-Liter-Hubraum-Riese erwacht. Er brüllt beim Druck aufs Gaspedal wie ein übellauniger Löwe, trompetet energisch und spuckt eine Abgaswolke aus den Endrohren. Zu viel für George. Der Yorkshireterrier gibt auch Vollgas – bloß raus hier – und flüchtet auf den Hof. Der 420-PS-Motor blubbert und brabbelt nun im Leerlauf vor sich hin, wie es nur ein amerikanischer Achtzylinder kann. Kirsch (78) grinst wie ein Mann, den gerade ein Glücksgefühl überkommen hat.

Die Corvette Stingray, Baujahr 1965, ist einer von fünf Oldtimer-Sportwagen, die Kirsch besitzt und liebt. Die er nicht einfach gekauft, sondern eigenhändig mit Hingabe und Leidenschaft restauriert hat und nun in der Nähe von Gut Aspern bekümmert.

Dietmar Kirsch hat sein Vermögen als Herrenausstatter gemacht. Seit 1972 kleidet er gut betuchte Hanseaten ein. Noch heute besitzt er ein Geschäft am Neuen Jungfernstieg direkt neben dem Hotel Vier Jahreszeiten, lebt in den Elbvororten. Er ist ein Hanseat wie aus dem Bilderbuch. Elegant und stilvoll bekleidet mit blauem Sakko, grauer Hose und italienischen Schuhen, die Krawatte sitzt perfekt, die silbergrauen Haare sind voll und gewellt.

Karosserie der Corvette Stingray ist aus Kunststoff

Der lässige Gentleman legt Wert auf hanseatisches Understatement. „Willkommen in meinem Schrebergarten, hier züchten wir die Tomaten selbst“, sagt Kirsch lächelnd. Was er Schrebergarten nennt, ist eine geräumige Garage, die Tomaten sind schnelle Schönheiten aus Blech und Kunststoff. Kunststoff? Ja, die komplette Karosserie der Corvette Stingray ist aus diesem Material, das nicht zu den stabilsten gehört. „Einmal hat sich bei Tempo 280 die Motorhaube gelöst, ich konnte gerade noch bremsen, bevor Schlimmeres passierte.“

Dietmar Kirsch (78) am Steuer seiner Corvette Stingray.
Dietmar Kirsch (78) am Steuer seiner Corvette Stingray. © Melanie Mallon | Melanie Mallon

Ein anderes Mal rutschte er auf einer tückisch glatten Stelle gegen einen Laternenpfahl, die US-Schönheit war hinten rechts arg lädiert. „Der blöde Laternenpfahl steht da immer noch. Ein Hamburger Bootsbauer hat für den Wagen ein neues Seitenteil gefertigt, eingebaut habe ich es selbst.“ Ja, Kirsch hegt und pflegt seine Preziosen eigenhändig – er restauriert sie, und er fährt sie vor allem auch, anstatt sie wie in einem Museum einfach nur zu präsentieren. Das gilt für alle seine Oldtimer, neben der Corvette Stingray ein Triumpf TR3, Baujahr 1957, zwei Lotus Elan, Baujahr 1963 und 1967, und ein Porsche 356 von 1957.

Der Mann hat Benzin im Blut, und das schon seit seiner Kindheit. Als Achtjähriger steuerte Kirsch den Opel Olympia seines Vaters auf privaten Straßen. „Meine Beine waren noch zu kurz zum Kuppeln; also bin ich schnell vom Fahrersitz runter gerutscht, habe die Kupplung getreten und bin dann wieder hoch gerutscht, um auf die Straße gucken zu können.“ Sogar im normalen Straßenverkehr gab er bisweilen die Richtung vor. „Ich durfte beim Chauffeur meines Vaters auf dem Schoß sitzen und lenken – das war ganz großes Kino.“

Rallye-Beifahrer konnte keine Straßenkarten lesen

Sein erstes eigenes Auto war 1960 ein neuer VW Käfer mit 34 PS. Als er ihn verkaufte, bekam er 4000 Mark dafür, fast den Neupreis. Es folgten zwei Borgward, ein Käfer Cabriolet, ein Alfa Romeo Farina und der erste von mehreren Porsche. „Das war ein roter 356 Cabrio aus dem Besitz von Jil Sander. Ein wunderschönes Auto, es rostete aber wie Hölle. Ich habe es wieder fit gemacht und nach Afrika verkauft.“

Kirsch fährt und organisiert diverse Rallyes. „Einmal hatte ich einen Intellektuellen als Beifahrer, einen echten Feingeist, der leider nicht Straßenkarten lesen konnte.“ Die Folge: Sein Porsche 911 S wurde von einem Opel-Kadett-Lieferwagen überholt.

Als Kirsch es sich leisten konnte, Autos zu sammeln, legt er sich einen Lotus Elan S3 zu, der in einem erbärmlichen Zustand war. Er baute selbst eine Werkstattgrube in seiner Garage und fing an zu schrauben. Eine Sattlerei bezog die Sitze um baute ein neues Verdeck, um den Einbau kümmert er sich selbst, ebenso um die Lackierung. Um den Sportwagen staubfrei mit dunkelblauem Lack spritzen zu können, baute er ein Kunststoffzelt um ihn herum. „Learning by doing“ ist seine Devise, Original-Handbücher erweisen sich als äußerst hilfreich. „Karosserie, Getriebe und Motor des Lotus habe ich komplett selber restauriert.“ Am Ende kam der Lotus so frisch daher wie derjenige, den Diana Rigg in den 60er-Jahren als Emma Peel in der britischen Krimi-Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ gefahren hatte.

Kirsch liebt besonders seinen getunten Porsche 356

Kirsch liebt alle seine Autos, ganz besonders den getunten Porsche 356, Baujahr 1957, 140 PS stark. „Mit dem habe ich mal bei einem Rennen auf dem Nürburgring einen Mercedes 300 SL Flügeltürer abgehängt. Das 215-PS-Geschoss galt in den 50er-Jahren als das Nonplusultra. Dessen Pilot, ein Werksfahrer und Entwicklungsingenieur, war fassungslos.“ Das Erfolgsgeheimnis: Der 356 ist leichter und in Kurven wendiger.

Kirsch will den Motor des Porsche starten, der springt nicht an, lediglich ein klägliches Hüsteln ist zu hören. „Die Benzinpumpe“, sagt Kirsch achselzuckend. Der Porsche ist das einzige Coupé in der Garage, alle anderen Autos haben Stoffdächer. „Im Cabrio bist du immer näher am Auto, du siehst, riechst und hörst mehr; ich muss vor allem alles hören können. Cabrio zu fahren, ist ein durch und durch sinnliches Vergnügen.“

Kirsch zieht das blaue Sakko aus und streift seinen grauen Arbeitskittel über. Er will noch schrauben. Yorkshire George hat sich unterdessen zurückgetraut und checkt die Lage. Die Luft ist wieder rein, das US-Ungetüm schweigt.

Die Karossen von Kirsch:

Das sind Dietmar Kirschs Oldtimer: Porsche 356 Coupé, Baujahr 1957, getunt auf 140 PS, 1,6 Liter Hubraum, vier Zylinder; Corvette Stingray Cabrio, Baujahr 1965, 420 PS, sieben Liter Hubraum, acht Zylinder; Lotus Elan S1 Cabrio, Baujahr 1963, 140 PS, Twin Cam (zwei Nockenwellen), 1,6 Liter Hubraum, vier Zylinder; Lotus Elan S3 Cabrio, Baujahr 1967, 160 PS, 1,4 Liter Hubraum, vier Zylinder; Triumph TR3 Cabrio, Baujahr 1957, 143 PS, 2,0 Liter Hubraum, vier Zylinder.

Alle Fahrzeuge haben TÜV, sind zugelassen und mindestens 200 Kilomeer pro Stunde schnell. Die Corvette schafft Tempo 280.

Als Alltagauto fährt Dietmar Kirsch ein Mercedes C 400 Cabrio der neuen Baureihe mit 333 PS starkem V6-Motor.

Seine Frau Gudrun steuert abwechselnd einen komplett überholten, 18 Jahre alten Jaguar XK8 Cabrio mit 284 PS und 4,0-Liter-Achtzylinder-Motor sowie einen 150 PS starken Opel Adam S.