Wedel. Seit mehr als 50 Jahren zieht ein Wedeler Kleingärtner Früchte im wahrsten Wortsinn groß. Dicksten Kürbis kann er allein nicht heben.
Einen Kürbis, wie Arno Andres ihn in seinem Garten wachsen hat, gibt es in keinem Supermarkt: Allein kann er ihn nicht einmal anheben, so groß ist er gewachsen. „Wenn ich etwas anbaue, dann muss das immer in XXL sein“, sagt Andres. Fünf der orangefarbenen Riesen, jede Menge Rote Beete und ein Apfelbaum, der seine Früchte kaum tragen kann, schmücken Andres’ Garten. Das Vordach seiner Laube, eine Zimmermannsarbeit, ist von Trauben bewachsen und gibt Schatten in der Mittagssonne.
Der begeisterte Kleingärtner bewirtschaftet seit mittlerweile 52 Jahren eine Parzelle in der versteckt liegenden Kolonie Brünschen in Wedel. Damit gehört er nicht nur zu den langjährigsten Pächtern, sondern ist auch einer der ersten – die Kolonie gibt es seit 1961.
Der Kleingarten – das ist längst nicht mehr das Betätigungsfeld ausschließlich älterer Menschen wie Andres. Im Wedeler Verein sind 16 Prozent der Mitglieder jünger als 40, und es dürften bald noch mehr sein. Bei jungen Städtern liegt Kleingärtnern voll im Trend. „Die Vereine in den Ballungsräumen haben lange Wartelisten“, sagt Stefan Grundei, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde. Und er ergänzt: „Insgesamt wird die soziale Struktur in den Gärten bunter.“
Der Gärtner achtet auch auf die Fruchtfolge
Bei den Älteren sitzt jeder Handgriff. Der 78-jährige Andres weiß, was er tut. Seine Gartenfläche ist zweigeteilt. Jedes Jahr wechselt er die Pflanzen, die er auf der jeweiligen Hälfte anbaut. „Ich nutze die Fruchtfolge, das machen die Landwirte auch so.“ Viele Gärtner pflegten den Boden nicht ausreichend. „Pflanzen entziehen dem Boden Kalk.“ Deshalb streut er den ein- bis zweimal pro Jahr nach.
Doch woher kommt die über Jahrzehnte ungebrochene Liebe zur Gärtnerei? Schon mit elf Jahren half Andres mit einem Schulkameraden – damals in einem Dorf bei Cuxhaven zu Hause – auf einem Bauernhof aus. „Wir haben kein Geld bekommen, es ging nur ums gute Essen“, beschreibt er die Zeit Anfang der 50er-Jahre, als nach dem Krieg noch Knappheit herrschte. Die Schule musste da zurückstecken – der Ranzen kam gleich nach dem Unterricht in die Ecke, dann misteten die Jungen den Stall aus und holten Kartoffeln aus dem Boden. „Die Hausaufgaben haben wir dann am Morgen abgeguckt, da lernst du nichts, aber so war es damals.“ Die Arbeit auf dem Hof habe er als Junge gern gemacht, in die Landwirtschaft wollte er trotzdem nicht gehen.
Also entschied er sich für eine Lehre als Fleischer. Nach einigen Jahren als Geselle in einer Metzgerei in Hamburg reichte es ihm. Die Arbeit in der Wurstabteilung war zu eintönig. Ein Bekannter war Klempner und weckte Andres’ Interesse an der Branche. Bald konnte er Fuß fassen und stattete Neubauten im Raum Wedel und Schwimmbäder auf Amrum aus. Später begann er eine Beschäftigung bei der Stadtsparkasse Wedel.
Kleingarten ist kein Hobby, sondern viel Arbeit
Die Liebe zur Natur behielt sich Andres bei und teilte sie sich mit seiner Frau Antonia. Anders wäre es auch nicht möglich gewesen. Ein Kleingarten sei eben kein Hobby, sondern viel Arbeit. Da müssen beide mitziehen. Doch Antonia Andres kam aus der Landwirtschaft, das passte. Die beiden wollten unbedingt eine Gartenparzelle, der Zustand war ihnen eigentlich egal, denn es gab auch damals Wartelisten. So ein Stückchen Grün wäre eine schöne Abwechslung zur ersten Wohnung. „Wir hatten eine ganz kleine Wohnung an der Bahnhofstraße. Eineinhalb Zimmer ganz oben bei der Doppeleiche. In der Küche konnten gerade mal zwei Mann sitzen. Aber wir waren dort glücklich.“
Zustand egal? Als seine Frau endlich einen Garten organisiert hatte, war Arno Andres erst mal doch ziemlich entsetzt. Die Parzelle war völlig zugewachsen, das Unkraut stand hoch. Trotzdem blieb die Begeisterung fürs Thema Kleingarten an sich. Und so wurde daraus ein fruchtbares Stück Land, das Andres heute allein bewirtschaftet – seine Frau lebt nicht mehr.
Er legt großen Wert auf gesunden Ertrag. Er nutzt kein Gift und keinen Kunstdünger, nur Rinderdung und Hornspäne. Die Lebensmittel einzukaufen wäre leichter: „Beim Grünkohl muss ich alle drei, vier Tage durchgehen und die Kohlweißlinge absuchen, die fressen sonst die ganze Pflanze auf. Das ist viel Arbeit, aber ich sage immer, ich weiß, was ich da esse.“
Weitere Infos:
23 Kleingärtnervereine gibt es im Kreis Pinneberg. In Wedel bewirtschaften 330 Pächter ihre Parzellen. Arno Andres gehört zu den wenigen, die schon mehr als 50 Jahre dabei sind, länger als er bewirtschaften nur zwei Gärtner ihren Boden. Im Wedeler Verein sind etwa 64 Prozent der Pächter 50 Jahre und älter, doch auch jüngere Kleingärtner sind dabei: 16 Prozent sind 20 bis 40 Jahre alt. Weil einige ältere Mitgliederkarteien des Vereins noch nicht digitalisiert sind, fehlen 19 Prozent der aktiven Mitglieder in der Auswertung.