Pinneberg. Acht Bürgermeister– zwei Frauen und sechs Männer – leiteten nach 1945 die Verwaltung der Kreisstadt. Am Sonntag wird wieder gewählt
Seit 2013 ist Urte Steinberg Pinnebergs Bürgermeisterin. Das will sie bleiben. Ob daraus was wird, entscheiden die Wähler am 9. September. Auch Taxifahrer Jitendra Sharma will den Job. Er wäre der achte gewählte Bürgermeister nach 1945. Das Abendblatt blickt zurück: Das waren die Rathauschefs nach dem Zweiten Weltkrieg.
Nach einer wenige Monate dauernden Periode des von den Briten als Stadtdirektor eingesetzten Dietmar Petersen wählte die Ratsversammlung am 14. Dezember 1945 mit Richard Köhn einen alten Bekannten zum Bürgermeister.
Der Pensionär hatte in Pinneberg schon vor dem Krieg Politik gemacht – unter den Nazis war damit Schluss. Pensionär Köhn führte das Rathaus in von Hunger und Aufbau geprägten Nachkriegsjahren, bevor am 24. April 1950 Henry Glissmann zum Bürgermeister gewählt wurde.
In Glissmanns Zeit fiel die Diskussion um den Neubau einer Oberschule, zudem legte er den Grundstein für die bis heute lebendige Städtepartnerschaft mit dem amerikanischen Rockville. „Ich habe ihn noch erlebt, als Kind eine Urkunde von ihm überreicht bekommen“, erinnert sich SPD-Urgestein Herbert Hoffmann, der alle Glissmann folgenden Verwaltungschefs hautnah im Politalltag erleben sollte.
Ein harter Hund mit einer fürsorglichen Hand
Nach dem Bürgermeister, dem in Pinneberg wohl am meisten nachgetrauert wird, ist seit fünf Jahren die Hochbrücke benannt. Hans-Hermann Kath trat am 1. März 1963 seinen Job an. Kath haftete schon zu Lebzeiten der Ruf des Machers an. Der Kontrollzwang des Verwaltungschefs ist ebenso legendär wie seine harte Hand. So soll es sogar Abhöraktionen im Rathaus gegeben haben. Kritiker nannten den Mann im Rathaus später Beton-Kath, weil sie ihm städtebaulichen Raubbau vorwarfen.
Zeitzeuge Hoffmann hat jedoch gute Erinnerungen an den Mann, der länger die Geschicke im Rathaus lenkte als jeder andere nach dem Krieg: „Kath war korrekt und gradlinig, das erwartete er auch von seinen Amtsleitern, und er konnte schon mal etwas lauter und deutlich werden, wenn deren Arbeit nicht seinen Ansprüchen entsprach.“ Ansonsten habe Kath stets ein offenes Ohr gehabt und sei bei persönlichen Problemen für seine Leute da gewesen. „Er konnte ein harter Hund sein, hatte aber auch eine fürsorgliche Hand“, erinnert sich Hoffmann. Kath starb völlig überraschend am 17. Januar 1990 an Herzversagen – er war noch immer Bürgermeister. Wer sich umhört, der weiß, dass in Pinneberg eine Art Sehnsucht nach dem starken Mann geblieben ist.
Der war Jan Nevermann nicht. Eher ein gemütlicher Pfeifenraucher, der Ruhe in die Amtsstuben trug. Der kürzlich verstorbene Sozialdemokrat, Sohn des Hamburger Bürgermeisters Paul Nevermann und Bruder der Ex-Bundesministerin Anke Fuchs, trat am 21. Juni 1990 in den Dienst der Stadt. Nevermann, der zuvor schon lange in der Politik aktiv war, galt als verlässlicher Ansprechpartner und Experte in Finanzfragen. So tiefe Spuren wie sein Vorgänger hinterließ er nicht. „Als Nachfolger Kaths hatte Nevermann es nicht immer leicht“, so Parteifreund Hoffmann. „Er hatte aber genug politische Erfahrung, um manche Pinneberger Klippe zu umschiffen.“
Auf Nevermann folgte ein Bayreuther. Horst-Werner Nitt zog im Juni 1996 ins Rathaus ein. Ein Mann, an dem sich bis heute die Geister scheiden. Erinnert sei an Ratssitzungen, in denen es zu geradezu skurrilen Momenten kam. Etwa wenn Politiker den Bürgermeister direkt ansprachen, Antworten fordernd. Hochroten Kopfes saß Nitt dann oft da. Drehte sein Haupt, Rat suchend bei seinen hinter ihm sitzenden Amtsleitern, die ihn jedoch zuweilen hängen ließen. „Den Geiger“ nannten Spötter Nitt ob seines Hangs zur klassischen Musik gern. Bei Kulturveranstaltungen war der Franke in seinem Element, taute auf und unterhielt das Volk. „Und ein Schlitzohr, das es verstand, Menschen für seine Sache auf seine Seite zu ziehen“, erinnert sich Hoffmann, der 2002 selbst gegen Nitt ins Rennen um den Bürgermeisterjob zog und im Wahlkampf auch unfaire Attacken aushalten musste. „Nitt repräsentierte gern, die eigentliche Amtsführung litt darunter“, so Hoffmann. „Es gibt noch heute einiges aufzuarbeiten, was liegen blieb.“
Bürgermeisteramt als Sprungbrett für Karriere
Kristin Alheit war die erste Frau, die in Pinnebergs Rathaus das Zepter schwang. Von der SPD aufgestellt, glänzte die in Hessen geborene Juristin im Wahlkampf. Stets präsent und an unzähligen Pinneberger Türen klingelnd, jagte sie Amtsinhaber Nitt im Frühjahr 2008 mit satten 58 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang aus dem Amt. Ein lautstarkes Lachen zog ins Rathaus ein. Und die einnehmende Art der neuen, durch die Stadt radelnden Bürgermeisterin kam an. Nach und nach jedoch bekam das Kleid Flecken.
Alheit wurden Versäumnisse beim Schulbau vorgeworfen, von Baupfusch war gar die Rede. In der Stadtkasse gab es Wirbel um nicht eingetriebene Schulden. Bei vielen hinterließ die kurze Ära Alheit einen faden Beigeschmack. Sie zog nie nach Pinneberg, blieb lieber in Altona. Ihr wird vorgeworfen, das Amt der Bürgermeisterin von vornherein nur als Sprungbrett für eine politische Karriere genutzt zu haben. 2012 holte sie Ministerpräsident Torsten Albig als Sozialministerin nach Kiel. Hoffmann: „Ich hätte es für gut befunden, wenn sie in Pinneberg geblieben wäre.“
Was für Alheit ein Karrieresprung war, drohte Pinneberg ins Mark zu treffen. Führungslos in schwierigen Zeiten der Finanzmisere – dieses Schicksal wurde von CDU-Stadtrat Klaus Seyfert abgewendet. Er sprang für Monate als Bürgermeister ein, machte seinen Job ebenso zuverlässig wie es schon Herbert Hoffmann nach dem plötzlichen Tod Kaths 1990 getan hatte.
Hoffmann war es, der 2012 für seine SPD und mit der CDU die bis dahin bei der Sparkasse Südholstein beschäftigte Urte Steinberg als Kandidatin für den Chefsessel im Rathaus präsentierte. Die Unterstützung der SPD hat die dann gewählte Bürgermeisterin heute nicht mehr. Ihr Gegenkandidat Sharma allerdings ebenso wenig. Zeitzeuge Hoffmann hält die 1998 eingeführte Direktwahl übrigens für gescheitert. „Zu wenige nehmen ihr Stimmrecht in Anspruch, und es wird zu einer teuren Farce, wenn nur wenige zur Wahl gehen“, sagt der Mann, der noch immer im Pinneberger Rat sitzt. Der Bürgermeisterkenner.