Rellingen. Am 11. September kommt ein Comic-Künstler aus dem Reich der Mitte zum Gespräch nach Rellingen. Was die Besucher zu erwarten haben.

Es gibt Menschen, die wälzen am liebsten schwere Brocken. So ein Mensch scheint der chinesische Künstler und erfolgreiche Unternehmer Jing Liu zu sein. Nicht nur, dass er zwei Uni-Abschlüsse gemacht und in Peking eine florierende Firma für Werbedesign aufgebaut hat, zu deren Kunden die BBC, die Ford Foundation und Unicef zählen. Er hat außerdem vor neun Jahren begonnen, die lange Geschichte Chinas in Form eines Comic zu erzählen und arbeitet derzeit an deren fünftem Band. Am 11. September kommt Jing Liu auf Vermittlung des Schenefelder Galeristen Gerd Uhlig in die Rellinger Rathaus-Galerie zum Künstlergespräch.

Anlass für diesen überraschenden Besuch ist die Kunstausstellung „Seidenstraße“, die der Schenefelder Galerist Gerd Uhlig vom 7. September bis 26. Oktober im Rahmen der Veranstaltungsreihe „China Time“ in Rellingen präsentiert. Vernissage ist am 6. September um 19 Uhr.

Bilder sind am digitalen Zeichenbrett entstanden

Die ersten vier Bände des chinesischen Historien-Comics reichen von 3000 vor Christus bis zur Abdankung des letzten Kaisers im Jahr 1912. Für sein Riesenprojekt, dessen Übersetzungen bereits in den USA, Frankreich und Südkorea erschienen sind, hat der chinesische Künstler internationale Preise bekommen, darunter den Independent Publishers Book Award.

Das liegt zum einen an der gekonnten ästhetischen Umsetzung dieser überaus anspruchsvollen Aufgabenstellung, zum anderen daran, wie kreativ, intelligent und gewitzt Jing Liu hochkomplexe Fragestellungen zusammenfasst und visualisiert. Seinen Stil bezeichnet er als „Hybrid zwischen traditioneller chinesischer Gongbi-Kunst und modernen Ausdrucksmitteln des Comics“. Alle Bilder sind am digitalen Zeichenbrett entstanden.

Der chinesische Künstler Jing Liu kommt nach Rellingen Foto: Jing Liu Jing Liu Konfuzius prägte China

Als seine Frau mit dem inzwischen achtjährigen Sohn schwanger gewesen sei, „da wollte ich etwas Besonderes für ihn machen, um ihm die Geschichte von China nahe zu bringen, des Landes, in dem er geboren war“, sagt Jing Liu. Seit neun Jahren ist er also dabei, mehrere Tausend Jahre Geschichte aufzuschreiben und ihr eine Form zu geben. Entlang des wiederholten Rhythmus’ diverser Dynastien mit Blütezeit, moralischem Verfall, Hungersnöten, Kriegen, Überfällen, 1621 Überschwemmungen, 1392 Dürren.

Ihn hätten „die treibenden Kräfte hinter der Geschichte“ interessiert, sagt er. Chinesische Machthaber hätten stets ihre Herrschaft damit gerechtfertigt, dass sie von höherer Macht berufen seien. „Doch chinesische Philosophen glauben, das Himmelsmandat sollte als Mandat des Volkes verstanden werden. Die regierenden Eliten müssen eine sensible soziale Ordnung aufrechterhalten, um die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen.“ China sei entscheidend ethisch-moralisch geprägt worden durch herausragende Geistesgrößen wie Konfuzius, der sagte: „Die gute Gesellschaft beginnt mit guten Menschen“.

Die Comics als Bezugssystem für das eigene Land

Während die großen Religionen einen Gott als Urvater postulierten, hätten die Chinesen anfangs nicht an ein höheres Wesen geglaubt, sondern eben daran, dass die chinesische Zivilisation von herausragenden Menschen erschaffen wurde, schreibt Jing Liu. Und nicht immer seien die Dinge sofort sichtbar: „Was für eine Generation bedeutungslose Kämpfe zu sein scheinen, mögen unvermeidbare Schritte in Richtung von etwas Größerem sein, das den Menschen ein paar Generationen später zugute kommt.“

Nun hofft der Künstler, dessen vier erste Bände bei China Books in Zürich erschienen sind (16,92 Euro pro Band), dass seine Comics viele Menschen außerhalb seiner eigenen Kultur dazu animieren, über grundlegende Menschheitsfragen, Strukturen und Entwicklungskurven nachzudenken: „Ich hoffe, die Leser lernen nicht nur etwas über Chinas Weg dorthin, wo es heute steht, sondern dass sie diese Erzählung auch als Bezugssystem nutzen, um auf ihre eigenen Länder zu blicken.“

Künstlergespräch mit Jing Liu: Di 11.9., 18 Uhr Rathausgalerie Rellingen, Hauptstraße 60, Eintritt: fünf Euro

Alle Infos zur „China Time“:

Zum siebten Mal wird China in und um Hamburg zum zentralen sozio-kulturellen Thema. Rund 150 Veranstaltungen widmen sich bis zum 23. September unter dem Titel „Pulse of The City“ urbanen Themen und den damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Veränderungen. Zu erleben sind innerhalb der Plattform „China Time Hamburg“ Konzerte, Vorträge, Ausstellungen, Diskussionen, Workshops, Filme, Lesungen oder kulinarische Rundgänge. Infos: www.chinatime.hamburg.de