Elmshorn. Elmshorner Verein will öffentliches Bewusstsein schaffen – und wird dabei vom HSV-Cheftrainer Christian Titz unterstützt.
Als der Arzt im Mai 2010 die Diagnose stellte, war es erst mal ein totaler Schock: Kerstin Benneckes Sohn Tobias hatte Rheuma – und das im Alter von zehn Jahren. „Mir war nicht bekannt, dass auch Kinder diese Krankheit bekommen können“, sagt Bennecke heute. Wie viele andere dachte auch die Mutter zweier Kinder, dass Rheuma nur bei älteren Menschen auftritt. Diese Unwissenheit führte letztendlich dazu, dass Bennecke den Verein RheumaKinder gründete. Einen Verein, der jetzt Christian Titz als Schirmherrn hat.
Der HSV-Cheftrainer, dessen Sohn selbst von der Krankheit betroffen ist, war am Wochenende in Elmshorn bei der RheumaKinder-Jahreshauptversammlung. „Der Verein hat uns ganz außergewöhnlich unterstützt“, sagte Titz. Für ihn sei es eine Selbstverständlichkeit, anderen Menschen, denen ein ähnliches Leid widerfahren ist, zu helfen. Titz, der seit mehr als einem Jahr Mitglied bei den RheumaKindern ist, hatte den Elmshorner Verein bereits in der Vergangenheit durch unterschiedliche Aktionen unterstützt.
Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus
„Es ist eine riesengroße Ehre, einen so prominenten Schirmherrn zu haben“, sagt die Vereinsvorsitzende Bennecke, die sich davon erhofft, mehr Aufmerksamkeit und Verständnis für das Thema Rheuma bei Kindern in der Öffentlichkeit zu erlangen. Das sei auch bitter nötig: „Für die meisten ist Rheuma eine Alte-Leute-Krankheit.“ Viele wüssten gar nicht, dass es Kinderrheuma gibt und was das bedeutet.
Laut der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie seinen bundesweit etwa 20.000 Menschen im Alter bis 18 an Rheuma erkrankt. Weil es so schwierig sei, die Krankheit bei Kindern und Jugendlichen zu erkennen, sei aber von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
Bennecke weiß aus eigener Erfahrung, wovon sie spricht. Ihr Sohn hatte lange Zeit viele unterschiedliche Symptome. Erst als einer Kinderärztin nach etwa anderthalb Jahren auffiel, dass zeitgleiche Fuß- und Nackenschmerzen nicht zusammenpassen, wurde Tobias mit Verdacht auf Rheuma zu einem Spezialisten geschickt. „Damit fing die Odyssee erst an“, sagt die Elmshornerin, deren Tochter Anika nur vier Jahre später, mit 13 Jahren, auch an Rheuma erkrankte.
Durch die Erkrankung ihrer Kinder kam die 54-Jährige in Kontakt mit anderen Eltern rheumakranker Kinder und entschloss sich, eine Umfrage unter Betroffenen zu erstellen. Etwa 100 Personen beteiligten sich und erzählten von ihrem Leidensweg. „Ich war total geschockt, was die Familien durchmachen mussten“, sagt Bennecke. Häufig dauere es mehrere Jahre, bis die Diagnose steht. Dabei würde den Kindern oft Unrecht getan: Lehrer und Ärzte glaubten ihnen nicht oder verabreichten nur Schmerzmittel. Einige Kinder zögen sich vollkommen zurück, andere würden ausgegrenzt.
Hier gibt’s Hilfe
Hilfe gab es nur wenig. Die Deutsche Rheuma-Liga hat zwar einige Flyer zum Thema Kinderrheuma, und es gibt Elternkreise, aber ein Verein nur für Kinder existierte nicht. Das wollte Bennecke ändern und gründete im Juni 2016 gemeinsam mit anderen Eltern Betroffener die RheumaKinder. Außer der „Sensibilisierung für das Thema“ ist es erklärtes Ziel des bundesweit tätigen Vereins, den Leidtragenden direkt zu helfen.
Unterstützung gibt es individuell und auf breiter Ebene. Die meisten Eltern haue die Diagnose erst mal „aus den Socken“ und lasse sie ratlos zurück, so Bennecke. Plötzlich ändere sich das gesamte Familienleben. Durch die hohe psychische, zeitliche und logistische Herausforderung stießen viele an ihre Grenzen. Der Verein steht den Kindern und Familien bei der Bewältigung im Alltag zur Seite. Dazu gehören Gespräche, Aufklärung, Begleitung und Hilfestellung in Kindergärten, Schulen und Ausbildungsbetrieben.
Auf die richtigen Medikamente kommt es an
„Wir haben beispielsweise Laptops für einige Kinder gekauft, die Schwierigkeiten beim handschriftlichen Schreiben haben“, sagt Bennecke. Einem Mädchen, das Probleme beim Laufen hat, habe der Verein einen Therapieroller zur Verfügung gestellt. „Jetzt kann sie wieder selbstständig in den Kindergarten kommen.“
Bei Informationsveranstaltungen und Fortbildungen wird über das Thema Kinderrheuma aufgeklärt. Auch Ärzte sollen sensibilisiert werden. „Leider ist der Weg bis zur richtigen Diagnose noch immer viel zu lange, wodurch wertvolle Zeit vergeht“, sagt Bennecke. Mit den richtigen Medikamenten könne sich bei den Erkrankten eine Remission einstellen. Das bedeutet einen Stillstand der Krankheit, bei dem die Symptome weitgehend verschwinden.
„Nach dem anfänglichen Schock hat Tobias’ Diagnose auch Hoffnung gegeben“, sagt Bennecke. Die richtige medikamentöse Einstellung habe ihm sehr geholfen. „Seit etwa zweieinhalb Jahren hat mein Sohn keine Symptome mehr und kann alles machen, was er vorher konnte.“
Seite 18 Christian Titz’ schwierigster Kampf