Barmstedt. „Grüne Wolke“ in Barmstedt steht vor dem Aus. Neubau droht an fehlendem Gutachten zu scheitern. AKN zeigt sich stur
Die Behindertenstätte „Grüne Wolke“ in Barmstedt steht vor dem Aus. Die Einrichtung, die als einzige dieser Art im Kreis Pinneberg zehn schwerstbehinderte Menschen rund um die Uhr betreut, braucht dringend eine neue Bleibe. Ihr mehr als 100 Jahre altes Gebäude an der Austraße ist nicht barrierefrei und kann nicht saniert werden.
Ein seit zwei Jahren geplanter Neubau, der von der Bauaufsichtsbehörde vorbescheidlich genehmigt ist und von den Kostenträgern durchfinanziert wäre, droht jetzt an einem Bodengutachten zu scheitern, dessen Risiko der Grundstückseigentümer, die Eisenbahngesellschaft AKN, nicht tragen will. „Wir sind am Verzweifeln“, sagt Einrichtungsleiter Mark Elahi, der eine gemeinnützige GmbH für das Neubauvorhaben gegründet hat. „Es geht um unsere Existenz und die unserer Bewohner.“
Die „Grüne Wolke“, zu der auch das „Pink-Projekt“ mit ambulanter Behindertenbetreuung in Barmstedt gehört, hat der Barmstedter Bodo Schulz 1984 gegründet, um schwerstbehinderten Menschen, die nicht in der Lage sind, in einer Behindertenwerkstatt zu arbeiten, eine vollstationäre Bleibe zu bieten. Weil sie zum Beispiel psychisch krank und depressiv sind, traumatische Erlebnisse nicht verarbeiten konnten, verwahrlost aufgewachsen sind. Sie müssen rund um die Uhr betreut werden.
Das zweigeschossige Haus hat keinen Fahrstuhl
Das Gebäude, in dem sie untergebracht sind, entspricht längst nicht mehr den heute geltenden gesetzlichen Anforderungen, erklärt Elahi, der als Heilerzieher dort angefangen und vor vier Jahren die Leitung übernommen hat. „Das zweigeschossige Haus hat keinen Fahrstuhl und ist nicht einmal barrierefrei.“
Der alte Mietvertrag sieht vor, dass der Mieter alle Instandhaltungs- und Modernisierungskosten selbst aufzubringen hat. Dies lohne sich aber für das alte Gebäude nicht mehr und werde somit von den Kostenträgern nicht unterstützt, erklärt Elahi. Die Eingliederungsbehörde des Kreises Pinneberg gewähre der Einrichtung zwar Bestandsschutz. Aber den betreuten Behinderten sei es nicht mehr zuzumuten, unter diesen Bedingungen zu leben. Die Zimmer im Erdgeschoss seien den Rollstuhlfahrern vorbehalten. Aber die Bewohner würden alle älter werden, und schon bald würden auch einige aus dem Obergeschoss auf Gehhilfen angewiesen sein, erklärt Elahi.
Darum bemühe sich die Einrichtung bereits seit drei Jahren um einen Neubau. Zunächst versuchte Elahi dafür Investoren zu gewinnen, mit denen aber die Kosten zu hoch geworden wären, weil sich deren Investition auch rentieren soll. Also gründete Elahi mit dem Sohn des Grüne-Wolke-Gründers, Tim Schulz, eine gemeinnützige GmbH für das Neubauprojekt und begab sich selbst auf die Suche nach einem Grundstück. Das einzige, das bezahlbar und frei ist, misst 2243 Quadratmeter und liegt an der Bahnlinie der AKN; die AKN ist auch Eigentümerin. Es ist seit Jahren ungenutzt und wurde der Stadt Barmstedt schon vor einiger Zeit zum Kauf angeboten.
Auch ein Architektenentwurf für das Projekt liegt vor. Elahi hat ihn fast kostenlos erhalten. Danach wird die neue „Grüne Wolke“ ebenerdig geplant mit einer Nutzfläche von 806 Quadratmetern. Der Kreis Pinneberg hat einen positiven Bauvorbescheid erteilt. Mit den Zusagen der Kostenträger wäre der 2,5 Millionen Euro teure Bau zu refinanzieren, erklärt Elahi. „Die Eingliederungshilfe möchte diese Einrichtung unbedingt erhalten, weil sie die einzige im Kreis Pinneberg ist und es eine lange Warteliste für die Plätze gibt.“
Nun mache ihm die Forderung der Bauaufsichtsbehörde, ein Gutachten zu erstellen, das die Belastung des Bodens abklären soll, einen Strich durch die Rechnung, ärgert er sich. Zwar wären noch kleinere Sanierungsarbeiten in der Finanzierung des Projektes enthalten, sagt er. Wenn das Gutachten aber ergeben sollte, dass der Bau einer Behinderteneinrichtung auf diesem lange gewerblich genutzten Grundstück nicht infrage komme, würde er allein auf den Kosten von etwa 15.000 Euro für das Gutachten sitzen bleiben, ohne eine Perspektive für eine Alternative zu haben. „Die ,Grüne Wolke‘ wäre pleite.“
Barmstedts Bürgermeisterin schrieb schon Bettelbriefe
Darum bat er die AKN, den Grundstückskauf in diesem Fall wieder rückabwickeln zu können. Doch das Bahnunternehmen weigere sich, das zu tun. Obwohl es der Behinderteneinrichtung das Grundstück um ein Mehrfaches teurer anbiete als vor einigen Jahren der Stadt. Die AKN sei lediglich bereit, ein kleineres, 4000 Euro teures Gutachten mit dem Kaufpreis zu verrechnen, mit dem er allerdings nichts anfangen könne, weil der Bauaufsicht dieses nicht ausreiche.
Bettelbriefe von Barmstedts Bürgermeisterin Heike Döpke, die die „Grüne Wolke“ für „eine wunderbare Einrichtung“ hält, die unbedingt erhalten bleiben müsse, haben bislang nichts genützt. Die AKN zeigt sich auch auf Nachfrage des Abendblattes stur. Das Risiko der Rückabwicklung könne die AKN nicht eingehen, weil es „letztlich zu Lasten des Steuerzahlers geht, da wir ein Unternehmen der öffentlichen Hand sind“, lässt AKN-Geschäftsführer Wolfgang Seyb über die Presseabteilung mitteilen. „Der Kaufpreis des Gewerbegrundstücks bemisst sich an dem Verkehrswert, der gutachterlich festgelegt wurde und der für uns als öffentliches Unternehmen richtungsweisend ist.“
Die AKN könne auch der Bitte, sich finanziell an einer möglichen Bodensanierung zu beteiligen, „nicht nachkommen“. Was der Einrichtungsleiter Elahi nicht nachvollziehen kann: „Das Bodengutachten würde der AKN doch Aufschluss darüber geben, inwieweit ihr eigenes Grundstück belastet ist und künftig genutzt werden könnte.“