Borstel-Hohenraden. Bernd Heitmann aus Borstel-Hohenradener bewahrt Technik und Fertigkeiten aus früheren Zeiten. Das älteste Stück stammt aus 1850.

Bernd Heitmann wirft den roten Rasenmähermotor an. Es dauert ein paar Sekunden, bis der Keilriemen auf seine 1100 Umdrehungen pro Minute kommt. Erst wenn die Stiftendreschmaschine schnell genug läuft, können die Körner aus den Ähren geschlagen werden. Der Borstel-Hohenradener schiebt vorsichtig das erste Bündel Getreide in die Trommel mit den versetzt angebrachten Stiften. Hinten fallen die Körner aus dem Holzkasten, vorn zieht Heitmann ein Bündel Stroh raus.

er selbstständige Landmaschinenmechanikermeister im Ruhestand hat ein Faible für Altes. Als selbst ernannter „Botschafter der Vergangenheit“ möchte er Brauchtum früherer Zeiten bewahren. Dabei geht es dem Hobbyhistoriker vorrangig um Technik und Fertigkeiten, die einstmals vor allem im ländlichen Raum alltäglich und allgegenwärtig gewesen sind, heutzutage aber in Vergessenheit zu geraten drohen.

Mit schweren Erntemaschinen fahren Landwirte in Borstel-Hohenraden Futter für ihr Vieh ein
Mit schweren Erntemaschinen fahren Landwirte in Borstel-Hohenraden Futter für ihr Vieh ein © HA | Anne Dewitz

Das älteste Stück in seiner Sammlung ist eine Stövmühl aus dem Jahr 1850. Heitmann dreht an einer Kurbel und erzeugt so Wind. „Der trennt dann Kaff, also lose Strohteile, vom schwereren Korn“, sagt er. Ein Arbeitsschritt, der zuvor per Hand erledigt wurde. „Die Menschen haben immer etwas erfunden, was die Arbeit erleichterte.“ Ein anderes Stück in seiner Sammlung, das ihm lieb und teuer ist, ist ein Handwagen. Das Geschenk einer älteren Dame. „Ihr Vater hatte ihn als Meisterstück gefertigt“, sagt Heitmann. Bei ihm ist er in guten Händen.

Am liebsten zeigt er Kindern, wie hart vorangegangene Generationen arbeiten mussten, damit sie etwas zu essen hatten. „Eine Dürre, wie die Landwirtschaft sie in diesem Jahr erlebt, hätte damals unweigerlich in eine Hungerkatastrophe geführt“, sagt Heitmann. „Heute kann man alles bei Aldi kaufen, egal wie das Wetter ist.“

Heitmann macht Geschichte erlebbar, bei historischen Märkten, in Freilichtmuseen und auch bei Projektwochen in Kindergärten und Schulen. Er zeigt Reepschlagen, also das Anfertigen von Seilen. Er demonstriert Anbau und Verarbeitung von Flachs, er bindet Reisigbesen, er stellt Kinderspielen aus Naturmaterial her, die dann ausprobiert werden können.

Mit der Staubmühle (Stövmühl) wurde per Hand Wind erzeugt und „Kaff“ (lose Strohteile) vom Korn getrennt
Mit der Staubmühle (Stövmühl) wurde per Hand Wind erzeugt und „Kaff“ (lose Strohteile) vom Korn getrennt © HA | Anne Dewitz

Heitmann sammelt sein Wissen aus Büchern und bei Zeitzeugen, die er befragt. An einiges kann er sich selbst noch erinnern aus der Zeit, als er Kind war. „Als Schüler mussten wir in den Ferien noch auf den Feldern mitarbeiten“, sagt er. Und erinnert sich, wie gut ihm das Essen nach getaner Arbeit schmeckte. Die Familien hätten neben ihrer Arbeit noch Vieh gehalten und Nutzgärten bewirtschaftet. Heute wüssten manche Kinder nicht einmal mehr, dass Kartoffeln in der Erde wachsen.

Zurück zur Dreschmaschine: Einst wurde das Getreide noch mit der Sense gemäht und in der Scheuen eingelagert. In den Wintermonaten wurden dann die Ähren in mühevoller Handarbeit gedroschen, zunächst mit einem Dreschholz, dann mit einem Dreschflegel. Dreschmaschinen – es gab stationäre und fahrbare – erleichterten erst später diesen Arbeitsschritt.

Angetrieben wurden die Dreschmaschinen zunächst über Pferdegöpel oder Dampfmaschinen, später meist durch Elektromotoren, stationäre Verbrennungsmotoren oder Traktoren. Es gab aber auch kleine Dreschmaschinen für den Handbetrieb.

Zwischen Sense und Mähdrescher liegt wenig Zeit

In den 1950er- bis 1960er-Jahren lösten Mähdrescher die Dreschmaschinen ab. „Nicht jeder konnte sich so eine Maschine leisten, und so fuhr ein Lohndrescher von Dorf zu Dorf, um gegen Bezahlung die Felder abzuernten“, sagt Heitmann. So ist es auch bei seinen Eltern gewesen. Heute fahren vielerorts Dreschmaschinen mit zehn Meter Schnittbreite die Ernte ein. Aufgrund der Trockenheit haben die Landwirte früher als sonst damit begonnen, die Gerste einzufahren. Von der Getreideernte mit der Sense bis zu den Mähdreschern würden nur wenige Generationen liegen, sagt Heitmann. Es sei erschreckend, wie schnell das Wissen über alte Techniken verloren ginge.

Auf dem Tisch liegen verschiedene Körnersorten und Getreidehalme von Roggen (v.l.), Gerste, Weizen, Triticale (eine Kreuzung aus Roggen und Weizen) und Hafer als Anschauungsmaterial vor allem für Kinder
Auf dem Tisch liegen verschiedene Körnersorten und Getreidehalme von Roggen (v.l.), Gerste, Weizen, Triticale (eine Kreuzung aus Roggen und Weizen) und Hafer als Anschauungsmaterial vor allem für Kinder © HA | Anne Dewitz

Mit seiner Stiftendreschmaschine aus Essex will er Ende des Monats auf die 69. Norddeutsche landwirtschaftliche Fachausstellung und Verbrauchermesse, die Norla, nach Rendsburg, um sie dort vorzuführen. Auf der Fachmesse werden die modernsten Landwirtschaftmaschinen zu sehen sein. Daneben Heitmann mit seiner etwa 100 Jahre alten Rarität. Damit ihm die Aufmerksamkeit der Messebesucher gewiss ist, wirft er sich stilecht in Schale – in zerlumpte Kleider. Einen Probelauf hat er in Zechow in der Ruppiner Schweiz erfolgreich absolviert.

Heitmann bewahrt das Wissen der Vorfahren. Und schildert zugleich augenzwinkernd, wie die Zukunft aussehen mag: Erntemaschinen, die per Computerklick wahlweise Brownies, Muffins oder Brötchen auswerfen, fertig gebacken und verpackt für den Handel. Er sagt, auf ein Patent verzichtet er...

550 Aussteller kommen zur Norla

Vom 30. August bis 2. September findet auf dem Rendsburger Messegelände, Grüner Kamp 15–17, die 69. Norddeutsche landwirtschaftliche Fachausstellung und Verbrauchermesse, die Norla, statt. Auf 13 Hektar Fläche erwarten mehr als 550 Aussteller aus dem In- und Ausland alljährlich rund 70.000 Besucher. Der Fachbesucheranteil liegt bei 35 Prozent.

Schwerpunkt ist in diesem Jahr die Landtechnik. Auf technisch höchstem Standard werden moderne Schlepper, Mähdrescher und Bodenbearbeitungsgeräte präsentiert. Eine Attraktion vor allem für Familien mit Kindern ist das Programm auf dem Vorführring, wo ein Show- und Zuchtprogramm mit Shetlandponyschau und Fjordpferdetag geboten wird. Eintritt 8, erm. 4 Euro.

1/2

Kontakt zu Bernd Heitmann unter Telefon 04101/74184. Weitere Infos unter
www.botschafter-der-vergangenheit.de.