Kreis Pinneberg. 21.000 Bewohner mehr als im Jahr 2000. Bürgermeister sehen Chancen für die Wirtschaft. Kritiker warnen

Pinneberg wächst weiter. Und zwar rasant. Das wird beim Blick in die aktuell veröffentlichten Zahlen des statistischen Landesamts deutlich. Demnach lebten zum Stichtag (30. September 2017) 312.351 Menschen im Kreisgebiet. Das sind 2020 mehr als ein Jahr zuvor und 21.000 mehr als im Jahr 2000. Allein die Stadt Pinneberg steigerte ihre Einwohnerzahl im besagten Zeitraum von 42.472 auf 43.023 Menschen. Tornesch wuchs von 13.332 auf 13.601 Einwohner, Halstenbek von 17.532 auf 17.672. In Wedel lebten Ende 2017 laut Landesamt 33.370 Menschen statt 33.303, Schenefelder gab es zum Stichtag 19.209 statt 19.132.

Während der Begriff Wachstum in der Wirtschaft ausschließlich positiv besetzt ist, gilt das für steigende Einwohnerzahlen nur bedingt. Kritiker bemängeln, dass die soziale Infrastruktur nicht schnell genug mitwachsen kann. In Pinnebergs Politik ist das seit Jahren ein Thema, zuletzt beim Ratsbeschluss für die Entwicklung des Mühlenauquartiers mit seinen 360 Wohneinheiten. Ähnliche Planungen gibt es für das Rehmenfeld in Thesdorf.

„Für alle Wohnbauflächen wurde und wird der Bedarf an sozialer Infrastruktur geprüft und ist jeweils auch bereitgestellt worden“, sagt Pinnebergs Bauamtschef Klaus Stieghorst. So sei bei der Parkstadt auf dem Gelände der Eggerstedt-Kaserne exakt die Anzahl von Wohneinheiten realisiert worden, die angestrebt worden sei. Auch sei eine zusätzliche Kita errichtet worden.

Bürgermeisterin Urte Steinberg sieht Chancen im wachsenden Siedlungsdruck aus der nahen Metropole Hamburg: „Vor allem junge Menschen, seien es Studenten oder Berufsanfänger, haben dort zunehmend Probleme, bezahlbare Wohnungen zu finden. Hier sind wir im Hamburger Rand gefordert, Angebote zu machen. Junge Menschen sind für uns in Pinneberg die Zukunft.“ Wenn die Stadt für sie attraktiv bliebe, würden Unternehmen in der Region dauerhaft Fach- und Führungskräfte finden, der Einzelhandel profitiere von der Kaufkraft der Neubürger, soziale und kulturelle Einrichtungen blieben vernünftig ausgelastet.

Marc Trampe sitzt im Chefsessel des Rellinger Rathauses. Seine Gemeinde ist ebenfalls auf Wachstumskurs, wenn auch behutsamer als andere Kommunen. Lebten laut Statistik im September 2016 noch 14.326 Menschen in Rellingen, waren es ein Jahr später 14.360. Trampe sieht sich und die Politik in der Pflicht, die Entwicklung weiterhin zu steuern. Bei 150 Neubürgern pro Jahr sei auf jeden Fall die Schmerzgrenze erreicht. „Wir wollen moderat wachsen, die bestehende Lebensqualität in Rellingen darf keinesfalls leiden“, so der Verwaltungschef. „Und wir brauchen bei uns eine vernünftige Mischung“, sagt Trampe, spricht in dem Zusammenhang von „Nachholbedarf bei bezahlbarem Wohnraum“. In Zusammenarbeit mit der Genossenschaft Neue GeWoGe wurden einige Bauprojekte in Rellingen aufs Gleis gesetzt.

Für Rellingens Bürgermeister steht fest, dass verfügbarer Wohnraum immer mehr zum Standortfaktor wird. In Zeiten des Fachkräftemangels sei für Unternehmen entscheidend, dass ihre Beschäftigten auch gut im Umfeld leben könnten. „Das spiegeln uns viele Firmenchefs und wir müssen dem nachkommen“, so Trampe. „Schulen und Kindergärten müssen mitwachsen“, setzt er nach.

In Pinneberg kann Wirtschaftsförderer Stefan Krappa beim Einwohnermeldeamt noch aktuellere Zahlen abholen, als sie das Landesamt veröffentlicht. Stand 1. Juni 2018 sei die Zahl der in Pinneberg lebenden Menschen auf nunmehr 45.394 angestiegen. Ein Sprung, der mit der Besiedlung der früheren Eggerstedt-Kaserne zu erklären ist, auf deren Areal 250 Wohneinheiten entstanden sind. Krappa sagt: „Der Siedlungsdruck aus Hamburg ist nach wie vor sehr hoch. Wachstum sollte aber immer qualitativ verstanden werden, es geht nicht darum, wer im Kreis Pinneberg die meisten Einwohner hat.“

Laut Prognosen der Investitionsbank hat die Kreisstadt bis 2030 einen Gesamt-Neubaubedarf von 2173 Wohnungen. „Wenn wir nicht genug bauen, führt die Verknappung zu immer höheren Preisen, sei es beim Eigentum oder den Mietwohnungen“, warnt Krappa. „Das ist eine unsoziale Entwicklung, die niemand wollen kann, denn die Wirtschaft braucht dringend Arbeitskräfte in allen Lohngruppen.“