Elmshorn. An der Dittchenbühne wird fleißig geprobt. Denn am 24. August feiert das neue Stück „Reise nach Tilsit“ von Hermann Sudermann Premiere
Manchmal hilft der Inhalt einer Vereinssatzung, um einen fast vergessenen Künstler wieder ans Licht der Öffentlichkeit zu holen: Die Elmshorner Dittchenbühne hat sich der Pflege und Weiterentwicklung des Kulturgutes der ehemals deutschen Ostgebiete verschrieben. Jetzt führt sie zum zweiten Mal ein Theaterstück auf, das von dem ostpreußischen Schriftsteller, Essayisten und Dramatiker Hermann Sudermann (1857-1928) stammt. Premiere des Stücks „Die Reise nach Tilsit“ ist am 24. August.
Ende des 19. Jahrhunderts war Hermann Sudermann, nach dem in Elmshorn eine Straße benannt wurde, enorm beliebt. Zwischen 1888 und 1915 schrieb er fast jede Saison ein Theaterstück, außerdem Artikel, acht Romane und 26 Novellen. 1917 entstanden seine „Litauischen Geschichten“, für die ihn der Kritiker Paul Fechter als „Balzac des Ostens“ adelte, und in denen er Kindheitserinnerungen verarbeitete.
16-mal wurden laut Filmportal seine Geschichten verfilmt, teilweise mehrfach. „Reise nach Tilsit“ drehte der Nazi-Regisseur Veit Harlan („Jud Süß“) im Jahr 1939. Erneut wurde Sudermanns Dreiecks-Drama um einen verheirateten Fischer, der sich in seine Magd verliebt, im Jahr 1969 verfilmt. Die Elmshorner Stückfassung stammt von Raimar Neufeldt, Chef der Dittchenbühne, der außerdem Regie führt. Auch Sudermanns Schauspiel „Heimat“ taugte mehrfach als Film-Vorlage.
Hermann Sudermann stammte aus einfachen Verhältnissen. Er wuchs im Memelland als Sohn eines Bierbrauers auf – der älteste von vier Söhnen. Dank seiner Mutter konnte er über Umwege doch noch das Abitur machen und in Königsberg, später in Berlin studieren. Dort bewegte sich Sudermann in Zilles „Miljöh“, wurde als Hauslehrer engagiert, arbeitete zudem als Journalist und stand den Sozialisten nahe.
Schon 1887 erschien sein Roman „Frau Sorge“, dessen Held sich im Sinne des Naturalismus mit bürgerlichen Werten und sozialer Gerechtigkeit befasste. Auf einen Schlag berühmt wurde Sudermann aber mit 32 Jahren, als 1889 sein Drama „Die Ehre“ uraufgeführt wurde – im selben Jahr wie Gerhart Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“.
Das Thema der Ehre war etwas, das Sudermann, der im Zuge seiner Karriere die Milieus wechselte, häufig beschäftigte. Sei es in Form der Ehre von sitzengelassenen Mädchen oder in der gekränkter Männer, zu denen er selbst wurde. Sudermann befand sich nämlich bald in scharfer Konkurrenz zu seinem einstigen Kameraden, dem Dramatiker Gerhart Hauptmann, der die Kritiker auf seine Seite zog. Zwar wurde Sudermanns Stück „Die Ehre“ am Berliner Lessingtheater hundertmal vor ausverkauftem Haus gespielt und an mehr als 200 Bühnen nachgespielt, aber mächtige Theaterkritiker wie Alfred Kerr überzogen ihn mit Häme. „Die Ehre“ hat klassenkämpferische Züge, gleichwohl ist es witzig, aber auch etwas sentimental. Kerr warf ihm Oberflächlichkeit und französisch-leichte Gefälligkeit vor. Nachdem Sudermann im Berliner Tageblatt zum Gegenschlag gegen diese Art Kritikergebaren ausgeholt hatte, ließ Kerr seine Macht spielen, und kein gutes Haar mehr an ihm.
Aber Sudermann hatte stets auch politische Ambitionen: Um 1900 war er Mitbegründer des „Goethe-Bundes“ zur „Abwehr aller Angriffe gegen die freie Entwicklung des künstlerischen und wissenschaftlichen Lebens“, 1914 kämpfte er gegen die Kriegspropaganda und plante 1918 mit Gerhart Hauptmann die Gründung einer „Partei der geistigen Arbeiter“. Dennoch hatte er weiter Erfolg. Er unternahm Reisen, kannte berühmte Geistesgrößen, hielt Hof in einem Schloss und schenkte dieses nach seinem Tod bedürftigen Bühnenschriftstellern und -komponisten.
„Reise nach Tilsit“: Premiere Fr 24.8., 19 Uhr, Dittchenbühne, Hermann-Sudermann-Allee 50, Eintritt 25,-, Tickets für reguläre Vorstellungen kosten 15 Euro, ermäßigt 12 Euro, Kontakt unter der Nummer 04121/8 97 10