Wedel/Holm. Holmer Detlef Winkel ermöglicht virtuellen Spaziergang durch die längst verfallene Festung. Daraus könnte ein Computerspiel entstehen.

Detlef Winkel steht in Wedel am Geesthang und blickt hinaus auf die Elbe. An diesem strategisch wichtigen Punkt am Ende der Hatzburgtwiete stand rund 400 Jahre lang eine Burg, mit der die damals regierenden Schauenburger Grafen ihre Macht sicherten. Heute sind dort nur noch fünf kleine Hügel zu sehen. Die Hatzburg – in der Realität existiert sie nicht mehr.

Model der Hatzburg
Model der Hatzburg © HA | Detlef Winkel

Virtuell ist sie hingegen wieder da. Winkel zieht sein Smartphone aus der Tasche. Er schaltet die Kamera ein, und schon ist auf dem Bildschirm die Wedeler Landschaft am Elbstrand zu sehen. Dann schaltet er eine App zu – und es erscheint die Turmhügelburg, als ob sie am Elbhang wieder errichtet worden wäre. Winkel geht einmal rund um das scheinbar in der Landschaft stehende Gebäude, kann die Hatzburg von allen Seiten begutachten. Immer hat er auf seinem Handybildschirm vorn das historische Bauwerk, im Hintergrund sieht er die heutige Bebauung und die Wedeler Marsch. „So lässt sich das historische Gebäude ganz realistisch erleben“, sagt der Holmer.

1311 erstmals urkundlich erwähnt

Um 1300 wird die Hatzburg durch die Grafen von Schauenburg erbaut. Auf einer Urkunde mit dem Datum 13. Dezember 1311, unterzeichnet vom Grafen Adolf VI. von Holstein, wird sie erstmals urkundlich erwähnt. Darin verspricht er, Hamburgern und anderen Kaufleuten von der Hatzburg aus keinen Schaden zufügen zu wollen.

Von der Burg aus kontrollieren die Schauenburger Grafen den sogenannten Ochsenweg – damals einer der wichtigsten Wirtschaftswege Europas, der von Dänemark zum Ochsenmarkt nach Wedel führt. Außerdem nutzen die Grafen die Burg als Verwaltungszentrum für Holstein-Pinneberg. Doch sie nutzen sie nicht lange.

1400 ziehen die Grafen nach Pinneberg, weil die Burg nicht mehr ihren Ansprüchen gerecht wird. Der Verwaltungssitz bleibt jedoch bis 1710 in der Hatzburg. Danach verfallen die Gebäude, heute ist von ihnen nichts übrig geblieben.

Ausgrabungen in den Jahren 1987 bis 1989 ergaben, dass es vermutlich zwei Festungsbauten gab. Das erste Gebäude war eine Turmhügelburg mit vermutlich einem hölzernen Turm auf einem künstlich aufgeschichteten Erdhügel. Dieser Turm wurde später abgerissen und durch einen Bergfried aus Steinen ersetzt.

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„Augmented Reality“ nennt sich diese Technik – eingedeutscht etwa „erweiterte Realität“ –, mit der eine vorher am Computer entstandene dreidimensionale Grafik in ein real vorhandenes Bild eingefügt werden kann. Als Grafik dient ihm ein Modell der Hatzburg, das er an seinem heimischen Computer entstehen ließ.

Detlef Winkel ist gelernter Grafiker, hat Malerei studiert und sich früh mit einer Grafikfirma selbstständig gemacht. Als die ersten Computer auftauchten, war er „sofort Feuer und Flamme“ für die neue Technologie. „Immer einen Augenblick voraus zu sein“ ist für Winkel zur unternehmerischen Maxime geworden. Das gilt insbesondere für die technische Ausstattung. Heute erstellt er Computeranimation und Computergrafik sowie interaktive Präsentationen und Dokumentationen. Mit seinen Animationen zeigt er zum Beispiel, wie ein Heizkörperthermostat zusammengebaut wird und wie eine Schiffswinde funktioniert. Sein Wissen hat er 13 Jahre lang als Dozent an der Fachhochschule Wedel im Studiengang Medieninformatik im Fach Mediengestaltung und Computeranimation weitergegeben.

Urlaub auf Bornholm weckte die Lust an Burgenkunde

Das Wissen über modernste Animationstechniken kombiniert Winkel bei der Hatzburg-Visualisierung mit einem nicht alltäglichen Hobby, der Burgenkunde. Als junger Vater besuchte der heute 60-Jährige in den Sommerferien mit seiner Familie die Burg Hammershus auf Bornholm. Die ist heute nur noch eine Ruine, jedoch so imposant, dass sie die ganze Familie faszinierte. Auf viele Fragen der wissbegierigen Kinder hatte Winkel keine Antwort – und beschloss, sich schlauzumachen. Burgenkunde wurde zu seiner Leidenschaft. Er lernte Dänisch, um Originaltexte über die Hammershus lesen zu können. Auf der Suche nach alten Büchern zur Bornholmer Burg reiste er sogar bis in die DDR.

Ergebnis der Recherche ist unter anderem eine Computeranimation der Hammershus, wie sie einmal ausgesehen hat. Mit der Maus kann der Besucher wie in einem Computerspiel über die Festungsmauern spazieren, durch dunkle Gänge schleichen und das hügelige Vorfeld der Burg inspizieren. „Virtual Reality“ nennt der Fachmann diese Darstellungsform. Virtual Reality gilt als Vorform von Augmented Reality. Beides gibt es bereits seit mehreren Jahrzehnten, erklärt Winkel. Die Entwickler der Computerprogramme haben ihre Erlösmodelle in den vergangenen Jahren so verändert, dass sie leichter nutzbar sind. Die Programme können kostenlos geladen werden. Erst ab einem bestimmten Umsatz werden für den Nutzer Gebühren fällig. Deswegen arbeiten immer mehr Firmen an dem Einsatz der Programme. So will Ikea etwa Augmented Reality einsetzen, um den Aufbau seiner Möbel leichter nachvollziehbar zu machen. Die Zeiten der leidigen Baupläne auf Papier wären vorbei.

In seiner unmittelbaren Umgebung, im nahen Wedel, hat der Holmer ein weiteres Objekt seines Wissensdurstes und für seine Tüftelei gefunden. Die Hatzburg gehört zu den wichtigsten herrschaftlichen Gebäuden im Kreis. Wie die Burg, die Anfang des 14. Jahrhunderts errichtet wurde, aussah, sei bisher unbekannt, so der Hobby-Burgenkundler. Es gibt keine historischen Darstellungen, lediglich die Fundamente sind erhalten geblieben. Diese Fundamente ähneln sehr einer Turmhügelburg, die etwa zur selben Zeit in Lütjenburg errichtet wurde und erhalten geblieben ist. Historiker gehen davon aus, dass die Wedeler Burg gleich oder wenigstens sehr ähnlich aussah.

Erste Modelle entstanden bei ihm am Computer. Mit einem 3-D-Drucker konnte Winkel das Turmbauwerk sowie andere Gebäude, die damals auf dem Gelände gestanden haben, in der Größe eines Schuhkartons wieder auferstehen lassen. Das 3-D-Modell schenkte Winkel dem Wedeler Stadtmuseum.

Mithilfe des virtuellen Zugangs hat der Fachmann mittlerweile einen Spaziergang durch die Hatzburg möglich gemacht. Eine Seite der Hatzburg hebt sich ab. Stockwerke und Treppen werden sichtbar. Die Möblierung ist zu erkennen.

Von den Animationen auf dem Bildschirm in seinem Büro wäre es für Winkel nur noch ein kleiner Schritt, ein Computerspiel daraus zu machen. Wie in den populären Mittelalter-Spielen könnten die Nutzer die Hatzburg in einer unangestrengten Form erkunden. Er sucht allerdings noch einen Abnehmer für diese Form der Geschichtsvermittlung. Er sagt: „Ich erhoffe mir, dass etwa Schüler damit einen leichten Zugang zum Leben in der mittelalterlichen Hatzburg finden.“