Wedel. Etwa 150.000 Zuschauer haben die Inszenierungen des Kinderbuchklassikers bis heute auf dem Theaterschiff „Batavia“ gesehen.

„Ich wollte es unbedingt machen“, sagt Christine Rebien. Die heute 36-Jährige hatte sich beim Theaterschiff „Batavia“ beworben, um eine Hauptrolle zu übernehmen. Sie wollte auf der Bühne am Wedeler Brooksdamm unbedingt die Pippi Langstrumpf spielen. Und sie durfte. Aber das ist lange her, sehr lange.

Das Stück wird dort noch immer gespielt. Es hat die Jahrzehnte überdauert und ist länger im Programm als die Musicals im benachbarten Hamburg. Christine Körner – so Christine Rebiens Mädchenname – war eine der ersten Pippis. Und Theaterchef Hannes Grabau feiert jetzt ein Jubiläum: Vor 30 Jahren wurde Pippi Langstrumpf erstmals auf der „Batavia“ gespielt. Seitdem haben beinahe 150.000 Zuschauer das Stück gesehen, rechnet der leidenschaftliche Intendant vor.

Grabau hatte bereits als ganz junger Theatermacher erkannt, wie wichtig Kinder für den Erfolg einer Bühne sein können. Als Uwe Decken in den 60er-Jahren das Theater für Kinder in Hamburg aus der Taufe hob, war der gelernte Polsterer und Dekorateur Grabau mit dabei. Mit Grausen erinnert sich der Theaterkapitän zwar an die Qualität der ersten Inszenierung. Dem weiteren Erfolg tat dies jedoch keine Abbruch. Und so hat Grabau Kindertheater bald nach der Eröffnung der „Batavia“ zu einem festen Bestandteil des Repertoires gemacht. Auf den Säulen Theater, Musik und Kabarett steht das Programm von Anfang an.

Astrid Lindgren war damals begeistert, dass die von ihr erfundene Mädchenfigur auf eine Theaterbühne gehoben wird. „In den ersten Jahren kam von dem Verlag immer der Hinweis, dass ich die Kritiken einreichen sollte“, erinnert sich Grabau. Die gab der Verlag weiter nach Schweden an die Autorin, die sie unbedingt lesen wollte. Mit „Lolli Molli“ schrieb Grabau sich eigene Kindertheaterstücke. Auch das Sams von Paul Maar sprang schon sehr erfolgreich über die Wedeler Kleinkunstbühne. Doch die unangefochtene Nummer eins ist und bleibt Pippi Langstrumpf.

Für die damals 13-jährige Christine Rebien bot die Rolle des aufmüpfigen und starken Mädchens eine große Chance. „Ich bin sonst gar nicht so“, sagt sie. Die Pippi war für sie der Startschuss zu einer jugendlichen Laienschauspielerkarriere. Mehrere Rollen, unter anderen die Lolli Molli, spielte sie auf der „Batavia“, und auch auf den Brettern des Theaters Wedel stand sie schon. Wenn Christine Rebien heute dem Kulturdampfer einen Besuch abstattet, hat sie eine neue Zuschauer-Generation dabei. Ihre Kinder Luis, Zoe und Nora sind neun, sieben und eins.

Den festen Willen, es als Pippi auf die Open-Air-Bühne mit dem wunderbaren Blick auf die Wedeler Marsch zu schaffen, hat auch Lea Wrage (13). Demnächst soll sie einsteigen. „Wir haben immer mindestens drei Pippis“, sagt Grabau. 25 Personen sind in einer Aufführung beteiligt, 15 auf sowie zehn hinter und neben der Bühne. „Wir spielen immer noch die erste Inszenierung“, sagt er. Die Theaterarbeit auf der Bühne am Ufer neben der im alten Auehafen vertäuten „Batavia“ hat so ihre Tücken. „Ab Windstärke sechs wird es schwierig für die Darsteller. Sie müssen sehr laut sprechen, um noch verstanden zu werden“, sagt der Regisseur. Lange Zeit stand auch Grabau auf der Bühne, wenn Pippi gespielt wurde, etwa als ihr Vater, als Pirat oder als Polizist.

Selbst in der DDR hat die Pippi von der „Batavia“ schon gespielt. Als Wedel kurz nach der Maueröffnung eine Städtefreundschaft mit Wolgast schloss, wollte auch Grabau einen Beitrag leisten. Eine Vorstellung sollte in dem Haus der Freundschaft gegeben werden, aber die Wolgaster bestanden auf drei Vorstellungen. Wie populär Pippi auch in der DDR war, erlebten die Theaterleute bei der damals noch existierenden Grenzkontrolle. Mit zwei Fahrzeugen waren sie unterwegs, einem Bus für die Akteure und einem Transporter für die Kulissen. Das ganze Equipment sollte ausgepackt werden, befahlen die Grenzer. Grabau hatte geahnt, dass es Stress geben würde. Er wies vorher eine Pippi-Darstellerin an, ihr Kostüm anzuziehen, sich aber nicht zu schminken. Auf sein Zeichen sprang sie aus dem Bus und rief laut: „Ich bin Pippi, das stärkste Mädchen der Welt.“ Da hellten sich die Minen der Grenzer auf. „Wo willst’e denn hin?“, sächselte einer. „Nach Wolgast“, kam die Antwort. Die Batavia-Truppe konnte die Auspackaktion beenden, und ihnen wurde noch eine gute Fahrt gewünscht.

Auch die Kinder, die anfangs Pippi sahen, sind mittlerweile erwachsen geworden und kommen nun mit ihren Kindern in die Vorstellung. Die erwachsenen Theaterbesucher der ersten Jahre sehen sich mittlerweile mit ihren Enkeln die Aufführungen an. Für Grabau steht deswegen fest: „Pippi werden wir immer spielen.“