Elmshorn. Elmshorns Bürgermeister erlebte einen Shitstorm. In Berlin spricht er mit Steinmeier über Hass und Anfeindungen gegen Mandatsträger

Der Elmshorner Bürgermeister Volker Hatje ist am Freitag gemeinsam mit zwei Kollegen aus anderen Teilen Deutschlands von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue in Berlin empfangen worden. Gesprächsthema war Gewalt gegen Mandatsträger. Bürgermeister Hatje war im vergangenen Jahr massiven Anfeindungen ausgesetzt, nachdem er sich gegen rassistische Hetze gewandt hatte. Auslöser waren im November abfällige Bemerkungen der früheren CDU-Politikerin und AfD-Unterstützerin Erika Steinbach auf ihrer Facebook-Seite über ein Werbeplakat für den Elmshorner Lichtermarkt, wie der Weihnachtsmarkt in der Stadt seit Jahren heißt. Das Plakat zeigt ein dunkelhäutiges Mädchen.

Die Stadt kritisierte Steinbach und erntete im Netz selbst üble Kommentare. Bürgermeister Hatje sagte damals, er habe privat Nachrichten erhalten, die man als Morddrohung auffassen könne. So sei ihm geschrieben worden, Galgen stünden bereit. Die Polizei hatte Ermittlungen in zehn Fällen wegen Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung aufgenommen.

Der Bundespräsident rief am Freitag zum Respekt vor Kommunalpolitikern auf. Steinmeier sagte nach Angaben des Präsidialamts in dem vertraulichen Gespräch angesichts der Fälle von Bedrohungen: „Wenn wir diesen Trend nicht brechen, wird es immer schwieriger, Menschen zu finden, die bereit sind, in den Kommunen Verantwortung zu übernehmen.“ Der Bundespräsident forderte, Wertschätzung denjenigen gegenüber zu zeigen, die sich jenseits ihrer beruflichen Verpflichtungen und oft nach Feierabend für das Zusammenleben in ihren Gemeinden einsetzten. „Wer politische Verantwortung auf Stadt- oder Gemeindeebene übernimmt“, so der Bundespräsident, „trägt zum Gelingen unserer Demokratie ganz wesentlich bei.“

Die Eingeladenen waren alle Ziel von Hasskommentaren

Neben Hatje waren auch die Oberbürgermeisterin von Zwickau (Sachsen), Pia Findeiß (SPD), der Bürgermeister von Kandel in Rheinland Pfalz, Volker Poß (SPD), sowie der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der Einladung Steinmeiers gefolgt.

„Es war eine sehr angenehme Gesprächsatmosphäre und ein Erlebnis“, sagt Volker Hatje. Der Bundespräsident habe seine Wertschätzung deutlich gemacht. „Für mich war es sehr interessant, auch die Berichte der anderen zu hören.“ Über die Inhalte habe man Stillschweigen vereinbart.

Klar ist, dass die Eingeladenen alle Ziel von Hasskommentaren im Internet waren, die in Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik stehen. So war Findeiß von drei Männern im Alter von 41, 49 und 53 Jahren verleumdet worden. Sie sollen der Rathaus-Chefin unterstellt haben, in ihrem Haus zwei Terroristen zu beherbergen. Der Fall wird am Amtsgericht Zwickau verhandelt.

Gewalt nimmt zu

In fast jeder zweiten Kommune (47 Prozent) wurden Bürgermeister, Mitarbeiter oder Gemeinderäte im Zusammenhang mit ihrer Flüchtlingspolitik beschimpft oder beleidigt.

Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Magazins „Kommunal“ unter 1000 Bürgermeistern. In sechs Prozent kam es zu körperlichen Angriffen, davon die Hälfte im Zusammenhang mit Flüchtlingspolitik.

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Poß wurde mit zahlreichen Drohungen per E-Mail und mit anonymen Hasskommentaren überschüttet, nachdem in seiner 16.000-Einwohner-Stadt ein Flüchtling offenbar seine 15-jährige Ex-Freundin mit einem Messer erstochen hatte. Poß hatte daraufhin zur Besonnenheit aufgerufen und zu pauschale Forderungen nach einem härteren Umgang mit Flüchtlingen beklagt. Daraufhin begann die Hasswelle gegen das Stadtoberhaupt.

Die Gesprächsteilnehmer brachten ihre Sorge darüber zum Ausdruck, dass die Bedingungen für die Arbeit kommunaler Amtsträger in vielen Regionen schwieriger geworden sind. Nicht nur sie selbst, zum Teil auch ihre Familien, seien von Drohungen und Häme betroffen.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) nahm das Gespräch zum Anlass, seine Forderungen nach einem konsequenten Entgegenwirken gegen Hass, Bedrohungen und Übergriffe gegen Mandatsträger zu erneuern. Die Verschärfung der politischen Auseinandersetzung in Art und Ton sowie die Gewaltandrohung und Gewaltausübung auch gegenüber Bürgermeistern stelle eine ernste Gefahr für unsere Demokratie dar. Der DStGB fordert daher unter anderem, Mandatsträger in Ausübung ihrer Funktion in den geschützten Personenkreis von Paragraf 113 und 114 des Strafgesetzbuchs aufzunehmen, die den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte regeln. Er schlägt zudem vor, den Stalking-Paragrafen um einen neuen „Straftatbestand Politiker-Stalking“ zu erweitern.

Elmshorner demonstrierten gegen Fremdenfeindlichkeit

In Elmshorn hatte Hatje große Solidarität erfahren. Mehr als 1000 Menschen fanden am Nikolaustag den Weg auf den Elmshorner Lichtermarkt, um gemeinsam Flagge zu zeigen gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass. Die Aktion war von den „Elmshorner Nachrichten“, Vereinen, Institutionen, Gewerkschaften und Vertretern der Stadt und Kirche organisiert und unterstützt worden. Hatje sagte nach dem Besuch im Schloss Bellevue: „Es war gut und richtig, wie wir damals mit der Hetze gegen unseren Lichtermarkt umgegangen sind.“