Elmshorn. Fotografenmeister Wolfgang Gaedigk über die Entwicklung der Technik und die Veränderung seines Handwerks

Liebevoll nimmt Wolfgang Gaedigk den Apparat in die Hand, öffnet das Lederfutteral, streicht sanft die Metallbox und wischt über die beiden Linsen, um ein paar Staubflöckchen zu entfernen. Mit der Rolleiflex hat der Elmshorner lange Zeit gearbeitet. Die zweiäugige Spiegelreflexkamera galt damals als Inbegriff deutscher Ingenieurs- und Handwerkerkunst. Von diesen guten alten Zeiten zeugt im Haus des Fotografenmeisters nur noch ein Schrank, in dem der heute 72-Jährige seine schönsten Apparate ausstellt, die die Motive noch auf Filme bannten.

Die Fotografie hat sich durch die günstigen Digitalkamera oder die Smartphones stark verändert. „Eine horrende Menge an Bildern“ sei so entstanden, der Mensch würde „in der Flut der Bilder ertrinken“. Die Fotos werden abgespeichert, und nach einem Jahr interessiert sich niemand mehr für sie. „Die Wertigkeit der Bilder ist weg“, sagt der Profi-Fotograf. „Jeder meint, ein gutes Foto machen zu können.“ Der Verlust der Wertigkeit spiegelt sich für Gaedigk auch in der Ausbildung der Fotografen wider, etwa an der Landesberufsschule oder der Berufsfachschule in Kiel. Die Zahl der Absolventen ist nicht gesunken, wohl aber die Zahl der Fotografen, die danach erfolgreich in den Beruf gehen und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Bei der Ausstattung nicht dem „Industrieterror“ erliegen

Gaedigk ging mit der Zeit, fotografiert heute mit dem Spitzenmodell eines japanischen Kameraherstellers, verfügt ferner über einen hochwertigen Computer, an dem er die digitalen Bilder nachbearbeiten kann. Die Technik, mit der Profi-Fotografen wie ambitionierte Laien arbeiten, hat sich rasant verändert – doch eines ist gleich geblieben: „Wir sind alle auf der Suche, nach dem guten Foto, wollen ein Bild schaffen, das mehr zeigt als eine Wiedergabe der Realität.“

Was ein gutes Foto ist, da möchte sich Gaedigk nicht festlegen. „Ich betrachte heute ein Foto und finde es gut. Morgen kann ich es schon wieder schlecht finden.“ Er hat jedoch ein paar Tipps, was ein ambitionierter Hobby-Fotograf machen kann. „Sei experimentierfreudig!“ ist seine oberste Regel. Um einen eigenen Fotostil zu entwickeln, sollte man unterschiedliche Positionen zum Objekt einnehmen sowie verschiedene Bildausschnitte ausprobieren. Brennweite und Belichtungszeit können verändert werden. Anschließend vergleicht der Fotograf die Ergebnisse – und entscheidet, was ihm besser gefällt.

Wer dem eigenen Urteilsvermögen nicht recht traut, kann die Meinung anderer einholen. Foto-Communities im Internet bieten diese Möglichkeit. „Das ist ein harter Weg, sich zu entwickeln“, sagt der Fachmann. Mal findet die Community die Bilder toll, mal werden sie verheizt. Besser sind Kurse der Volkshochschule, Fotoclubs oder Gruppen von Kulturvereinen. Dort steht der Austausch im Vordergrund, gemeinsam wird gearbeitet. „Da ziehen dann ganze Gruppen los, etwa durch die Speicherstadt, um zu fotografieren.“

Schon mittelpreisige Kameras machen gute Bilder

Bei der Wahl der passenden Ausstattung wendet sich der Profi gegen den „Industrieterror“. Die Hersteller bringen Kameras für mehr als 1000 Euro heraus, die angeblich viel mehr leisten als die Vorgängermodelle. Schon ein halbes Jahr später werden die nächste Kameras auf den Markt geworfen, von denen das Gleiche behauptet wird. Der Kunde sollte sich gut informieren und abwägen. Bei den Chips für die Kameras habe sich in den vergangenen Jahr wirklich eine deutliche Leistungssteigerung abgespielt, so Gaedigk. Aus seiner Sicht bieten mittelpreisige Kameras – Spiegelreflex wie Kleinbild – gute Qualität. Wer ein Equipment wie die Profis will, „kann viel Geld ausgeben“. Und selbst einige Smartphones verfügten über so gute Kameras, dass ein Einsatz bei entsprechender Beherrschung der Technik sinnvoll sein kann.

Gaedigk wusste schon als Kind, das er Fotograf werden wollte. Nach der Schule wurde er erst einmal Drogisten-Azubi, weil erst mit 18 Jahren eine Ausbildung zum Fotografen möglich war. Von Nachteil war das nicht. „Fotografie hatte damals auch mit Chemie zu tun“, sagt Gaedigk mit Blick auf die Fotolabore. Nach der Ausbildung fotografierte der gebürtige Hamburger für verschiedene Firmen, assistierte einem Werbefotografen, und er leitete die Bildstelle der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.

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Gaedigk war ehrgeizig im Beruf. Er machte den Meister, absolvierte einen Lehrgang zum Betriebswirt des Handwerks. „Wir waren eine nette Clique“, erinnert er sich. Die anderen Teilnehmer gründeten in ihren Gewerken Betriebe. Gaedigk hat es ebenfalls versucht, erst zur Probe in Hamburg-Eimsbüttel, dann in Rellingen.

Einen Nachfolger für seinen Laden fand er nicht

„Die Leute haben mir damals gesagt, ich würde es nicht lange durchhalten.“ 30 Jahre sind es geworden. Neben seinen Fotoarbeiten und dem Verkauf von Kameras und Zubehör entwickelte sich der Handel mit Postern und Bilderrahmungen zu weiteren Geschäftsfeldern. Ende 2015 ging Gaedigk in den Ruhestand, machte den Laden dicht. Einen Nachfolger konnte er nicht finden. Wenn er heute nach Rellingen kommt, er engagiert sich im Verein zur Förderung der Musik an der Rellinger Kirche, hört er immer wieder den Satz: „Wir vermissen Sie.“

Und das sind die Tipps des Profis für ein gutes Foto

„Mit dem Licht malen“, sei die hohe Kunst der Fotografie, sagt Wolfgang Gaedigk. Grundsätzlich sollte der ambitionierte Laie keine Automatik-Programme benutzen, sondern Blende und Belichtungszeit selber einstellen. Anfangs lohnt es sich, mit unterschiedlichen Einstellungen zu experimentieren. Je kleiner die Brennweite eingestellt wird, um so mehr Tiefenschärfe bekommt das Bild. Die Belichtungszeit kann allerdings so lang werden, dass das Motiv verwischt. Bei großer Brennweite gibt es eine geringe Tiefenschärfe. Häufig wird dieser Effekt in der Werbung eingesetzt. Ein Produkt ist scharf abgelichtet, wird so hervorgehoben, der Rest des Bildes ist unscharf. Mit einer kurzen Belichtungszeit lässt sich eine Bewegung „einfrieren“. Eine lange Belichtungszeit bringt Bewegung ins Foto, etwa lässt sich so ein Wasserfall plastisch darstellen.

Arbeitet der Fotograf im Freien, sollte er auf das Wetter achten. „Bei grauem Himmel können Sie keine schönen Gebäudeaufnahmen machen“, erklärt Gaedigk. Ausgeprägte Wolkenformationen oder Gegenlicht der Sonne könnten interessante Lichtverhältnisse bieten.

Um optisch harmonische Bilder zu gestalten, sollte der Fotograf mit dem „Goldenen Schnitt“ umgehen können. Das Bild wird in annähernd drei gleich große Teile eingeteilt, egal ob horizontal oder vertikal. Auf diesen Achsen werden wichtige Bildelemente platziert. Beispielsweise wird bei einem Portrait im Querformat der Kopf nicht mittig platziert, sondern auf der linken oder rechten Seite, so dass die Drittelung eingehalten wird.

Nach seinen Lieblingsfotografen befragt, nennt er Charles Wilp, den Erfinder der Afri-Cola-Werbung in den 1960er-Jahren, Gerlinde Koebl, die zu den besten Porträtfotografen Deutschlands gehört, und der deutsche Modefotograf F.C. Gundlach. Alle drei haben ganz unterschiedliche Stile der Fotografie gepflegt.