Wedel/Itzehoe. Knapp ein Jahr nach dem Großbrand von Wedel hat der Prozess gegen drei Tatverdächtige mit der Verlesung der Anklage begonnen.

Hemd, Jackett, akkurat gestutzte Haare: Deniz B. (37) präsentierte sich Montag als seriöser Geschäftsmann. Und doch wiegen die Vorwürfe gegen ihn schwer: Der in Hamburg lebende Türke soll gegen Geld zwei Bekannte dazu angestiftet haben, die von ihm angemietete Disco „Viva Wedel“ in Brand zu setzen, um die Versicherungssumme zu kassieren – und er soll dabei einen hohen Sachschaden und den Tod Unschuldiger in Kauf genommen haben.

Vor dem Landgericht Itzehoe begann jetzt der Prozess gegen die drei Männer – und er startete mit einem wenig glamourösen Auftritt des Trios: Deniz B. hatte sich die Robe seines Anwalts über den Kopf gestülpt, um sein Gesicht vor den Fernsehkameras auf dem Flur zu verbergen. Der mitangeklagte Mehmet P. (36) versuchte, sich hinter der heruntergezogenen Kapuze seiner Jacke zu verstecken. Und der dritte Angeklagte, Peter S. (38), hielt sich einen Aktendeckel vor den Kopf.

Peter S., der aus Wedel stammt, ist der Einzige des Trios, der Haftverschonung genießt. Im Gegensatz zum mutmaßlichen Anstifter Deniz B., der in der Justizvollzugsanstalt Itzehoe einsitzt, und Mehmet P., der zurzeit eine Zelle im Gefängnis in Neumünster bewohnt. Warum der Wedeler sich in Freiheit befindet, ist schnell erklärt: Er ist der Kronzeuge, hat im Ermittlungsverfahren als Einziger ein umfassendes Geständnis abgelegt. Auf den Angaben des 38-Jährigen basiert ganz wesentlich die Anklageschrift, die Peter S. und Mehmet P. gemeinschaftliche besonders schwere Brandstiftung und Deniz B. Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung sowie Versicherungsbetrug vorwirft.

Der Hamburger, der Ende 2014 die unter den früheren Namen Mr. Pommeroy und Maxx sehr bekannte Großraumdiskothek übernahm, soll laut Anklage zwischen Februar 2017 und dem Tattag am 25. Mai 2017 den Plan gefasst haben, das zuletzt unter dem Namen Viva Wedel betriebene Etablissement durch einen Brand zerstören zu lassen, um auf diese Weise an die Inventar- und die Betriebsausfallversicherung zu kommen. Der 38-Jährige soll bei mehreren Gelegenheiten mit Mehmet P. und Peter S. über die Umsetzung dieses Plans gesprochen und ihnen hohe Geldsummen angeboten haben, wenn sie das Feuer legen.

Millionenschaden

2.578.597,59 Euro beträgt laut Anklageschrift der Schaden des Großfeuers.

Der gesamte Komplex, der einem Hamburger Geschäftsmann gehört, soll sogar für mehr als vier Millionen Euro versichert gewesen sein.

Die Ruine wird Ende April/Anfang Mai abgerissen.

Genaue Neubaupläne gibt es noch nicht.

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Demnach sollte Peter S. 40.000 Euro erhalten, Mehmet P. die Hälfte. Laut Anklage war den Männern bekannt, dass ein im Erdgeschoss des Komplexes liegendes vietnamesisches Restaurant lange geöffnet hat und die unmittelbar neben der Disco gelegene Spielhalle Fantasia sogar bis 4 Uhr nachts aufgesucht werden konnte. „In dem Komplex war zu jeder Tages- und Nachtzeit mit der Anwesenheit von Menschen zu rechnen“, heißt es dazu in der Anklageschrift. Beim Ausbruch des Feuers hätten sich drei Personen in dem Gebäude befunden – zwei Köche des Restaurants, die dort heimlich übernachteten, sowie die Spielhallenaufsicht. Die habe um 2.57 Uhr das Feuer auch entdeckt.

180 Feuerwehrleute konnten das Gebäude nicht mehr retten
180 Feuerwehrleute konnten das Gebäude nicht mehr retten © HA | Anne Dewitz

Laut Anklage verschafften sich Peter S. und Mehmet P. zwischen 0.30 und 2 Uhr über einen Seiteneingang gewaltsam Zugang zur Disco. Im Innern habe Peter S. die Bürotür eingetreten, Unterlagen auf dem Boden verstreut und die Scheiben mehrerer Kühlschränke eingetreten. Dann habe Mehmet P. ein Geschirrtuch mit Benzin getränkt, das Peter S. mitgebracht hatte, es mit einem Feuerzeug angezündet und das Tuch über den Tresen geworfen, was zu einer Verpuffung führte.

Am 8. Juni 2017 habe Deniz B. der Versicherung den Schaden gemeldet. Zur Auszahlung kam es nicht. Im Oktober klickten die Handschellen.

Die Angeklagten folgten regungslos der Verlesung der Anklageschrift. Im Anschluss wurde der Prozess nach dem Antrag der beiden Verteidiger von Peter S. unterbrochen. Mirko Laudon und Christiane Rusch bemängelten, dass sie erst am 15. März Einsicht in die Ermittlungsakten erhalten hätten. „Das sind sechs Leitz-Ordner und 24 Sonderbände mit insgesamt 4500 Blatt“, so Laudon. Er beantragte, das Verfahren auszusetzen oder zumindest so lange zu unterbrechen, bis sich die Verteidigung ausreichend eingelesen hat. Die Kammer will darüber am 25. April entscheiden. Die für diesen Tag erwartete Einlassung von Peter S. wird es nicht geben. Ob die beiden anderen Angeklagten dann zu den Vorwürfen Stellung nehmen, ist nicht bekannt.