Pinneberg. Baggerarbeiten auf einem Grundstück befördern gefährliches Fundstück ans Tageslicht. Kampfmittelräumdienst rückt zur Bergung an.

Der Gegenstand, den der Bagger aus der Tiefe des Bodens mit ans Tageslicht befördert hatte, kam Jan Diercks gleich verdächtig vor. „Der sah aus wie ein Ei mit einem Stift an der Spitze.“ Der Garten- und Landschaftsbauer alarmierte die Polizei. Und die Beamten identifizierten mithilfe des Kampfmittelräumdienstes das Fundstück als Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg. Es handelte sich um eine Eihandgranate 39 der Deutschen Wehrmacht.

Es war kurz nach 11 Uhr am Donnerstag, als Diercks und seine drei Mitarbeiter ihre gärtnerischen Aktivitäten auf dem Grundstück am Pinneberger Hätschenkamp überstürzt einstellen mussten. Die Polizei rückte an, sperrte Grundstück und Straße ab. Bis gegen Mittag ein Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes aus der Nähe von Kiel anrückte, hatten die Gärtner Zwangspause. Chef Diercks blieb vor Ort zurück, seine Mitarbeiter setzten die Arbeit auf einer anderen Baustelle fort.

Jan Diercks, Garten- und Landschaftsbauer aus Pinneberg, stieß am Donnerstag bei Baggerarbeiten auf die Handgranate
Jan Diercks, Garten- und Landschaftsbauer aus Pinneberg, stieß am Donnerstag bei Baggerarbeiten auf die Handgranate © HA | Arne Kolarczyk

„Wir haben mit einem Bagger große Löcher gegraben, um nahe der Grundstücksgrenze neue Büsche anzupflanzen“, so der Garten- und Landschaftsbauer. Ihm sei dann plötzlich im Erdaushub der Gegenstand aufgefallen. „Erst habe ich noch gedacht, es handelt sich um einen Stein“, erinnert sich der Pinneberger. Dann sei ihm die merkwürdige Form aufgefallen. „Ich habe dann mit der Schaufel mal draufgehauen“, so Diercks weiter. Da sei ihm klar gewesen, mit was für einem Fundstück er es zu tun hatte.

Es handelte sich um die meistgebaute Handgranate der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Sie war etwa so groß wie eine Orange, 76 Millimeter hoch, hatte einen Durchmesser von 60 Millimetern, wog etwa 230 Gramm und wurde aus dünnem Stahl gefertigt. Als Sprengstoff dienten 112 Gramm Donarit. Konstruiert wurde sie 1939, ab 1940 an die Wehrmacht ausgegeben. Gebaut wurde sie durchgehend bis zum Ende des Krieges.

Die Granate wurde durch Ziehen an einer Schnur gezündet, die wiederum unter einem Kopf an der Oberseite verborgen war. Laut Angaben des Kampfmittelräumdienstes war die Granate vermutlich noch zündfähig, eine unmittelbare Gefahr habe jedoch nicht bestanden.

Richtiges Verhalten bei explosiven Funden

Der Kampfmittelräumdienst gehört zum Landeskriminalamt (LKA). Die Spezialisten haben die Aufgabe, Kampfmittel an Land und in den Küstenmeeren zu bergen und zu beseitigen. Auch untersuchen sie Baugrundstücke auf Altmunition.

Das LKA rät, bei vermuteten Sprengstoff- oder Munitionsfunden jeden weiteren Kontakt mit dem Gegenstand zu vermeiden. Die Lage des Fundes darf möglichst nicht verändert werden. Die Fundstelle sollte markiert werden. Und ganz wichtig: Abstand halten.

Bei Verbrennungen sollte sofort die Kleidung ausgezogen werden. Bei Hautverfärbungen wird geraten, diese Stellen unverzüglich mit Wasser und Seife abzuspülen. Wer Muntion oder Sprengstoff findet, sollte sofort unter dem Polizeinotruf 110 Alarm schlagen.

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Vorsichtig hob ein Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes die vom Garten- und Landschaftsbauer auf der Grundstückseinfahrt abgelegte Granate an und legte sie in eine Box mit Sand. Sie wird nun von Fachleuten vernichtet.

Nach dem Abtransport des brisanten Fundstücks konnte auch der betroffene Hauseigentümer, ein 92 Jahre alter Mann, in sein Gebäude zurückkehren. Er hatte sein Grundstück aus Sicherheitsgründen verlassen und bis zur Entwarnung bei den Nachbarn warten müssen.

Auch für Garten- und Landschaftsbauer Diercks konnte danach die Arbeit weitergehen. „Angst hatte ich keine“, sagte der Pinneberger. Dass er bei Erdarbeiten Unerwünschtes ans Tageslicht befördert, komme ab und an vor. „Ich habe einmal in Hamburg einen Revolver ausgegraben.“

Dass Relikte aus den beiden Weltkriegen gefunden werden, ist durchaus nicht selten der Fall. 2017 wurden in Schleswig-Holstein 13 große Kriegsbomben entdeckt. 2016 waren es nur drei gewesen, 2015 zehn. Auch der Kreis Pinneberg bleibt von derartigen Funden nicht verschont. So wurde etwa am 18. Oktober vergangenen Jahres auf der zum Kreis gehörenden Hochseeinsel Helgoland eine 500 Pfund schwere britische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Sie lag in zwei Meter Tiefe an einem ehemaligen Spielplatz auf dem Oberland. Weil der Aufschlagzünder der Bombe verform war und damit bei der Entschärfung ein hohes Risiko bestand, mussten 1000 Menschen das Oberland verlassen.

Im Februar 2017 wurde in Wedel ein 250-Kilo-Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg bei Straßenarbeiten im Bereich der Kreuzung Tinsdaler Weg/Industriestraße in einem Industriegebiet nahe dem früheren Raffineriegeländes gefunden und entschärft. Und erst vorige Woche entdeckte ein Spaziergänger am Strand in Wedel einen verrosteten Metallgegenstand, aus dem es qualmte. Er wurde von den Experten des Kampfmittelräumdienstes als Überreste einer englischen Brandbombe identifiziert, die ebenfalls aus dem Zweiten Weltkrieg stammte. Ende Juli 2017 stieß ein Baggerfahrer in Uetersen auf eine französische Granate. Und im Juli 2014 verletzte in Hasloh eine britische Nebelhandgranate auf einer Baustelle zehn Personen.