Barmstedt. Vor der Kommunalwahl:Politiker in Barmstedt wollen ihre Stadt trotz leerer Kassen attraktiver für Tagestouristen machen.
Die größte Überraschung erwartet die 8256 Wahlberechtigten in Barmstedt, kleinste Stadt im Kreis Pinneberg, bereits bei der Stimmabgabe. Denn statt wie bislang üblich bei zwei können sie am 6. Mai nur bei einem Kandidaten ihr Kreuz machen. „Das wird richtig spannend“, sagt Bürgervorsteher Christian Kahns (FWB), und Ortwin Schmidt (CDU) pflichtet ihm bei. Die Wählergemeinschaft und die Partei haben sich bisher mit der SPD die Direktmandate fast brüderlich geteilt.
Die Spitzenkandidaten
Schuld daran, dass sich das Wahlverfahren jetzt ändert, ist das stetige Wachstum Barmstedts. Mit der Überschreitung der 10.000-Einwohner-Grenze im Jahr 2015 muss Barmstedt jetzt gemäß der Gemeindeordnung in zwölf Wahlbezirke aufgeteilt werden, in denen jeweils nur der Kandidat direkt gewählt ist, der die meisten Stimmen erhält. Vorher waren es fünf Bezirke, die jeweils zwei Kandidaten in die Stadtvertretung schickten. Das machte ein Stimmensplitting wie bei der Landtags- oder Bundestagswahl möglich. Das ist nun vorbei. Zugleich erhöht sich dadurch die Zahl der Stadtvertreter von 19 auf 23.
Feuerwache und Bücherei sind unmodern und zu klein
Auch inhaltlich verspricht die kommende Wahlperiode sehr spannend zu werden. Denn die Barmstedter Ratspolitiker stehen vor wegweisenden Entscheidungen, die sich städteplanerisch und finanziell noch auf die nächsten Generationen auswirken werden. So gilt es, einen neuen Standort für die Feuerwache und die Stadtbücherei zu finden, deren bisherige Räumlichkeiten in der Marktstraße und im Holstenring viel zu klein und unmodern geworden sind. Allein hierfür sind 5,1 Millionen (Feuerwache) und 2,2 Millionen Euro (Bücherei) in den nächsten beiden Jahren eingeplant, Grundstückskauf sowie Bau- und Planungskosten schon eingeschlossen. Wobei der Stadt bei der Bücherei, die direkt neben dem Rathaus in einem Wohn- und Geschäftshaus errichtet werden könnte, ein privater Investor finanziell unter die Arme greifen könnte.
Das ist auch bitter nötig, weil die Stadt Barmstedt finanziell eher am Hungertuch nagt. Das aktuelle Haushaltsdefizit beläuft sich inzwischen bei einem 34-Millionen-Euro-Etat auf 6,5 Millionen Euro. Ende des Jahres wird die Verschuldung mit 21,8 Millionen Euro einen neuen Höchststand erreicht haben. Rein rechnerisch steht demnach jeder Barmstedter Bürger mit mehr als 2000 Euro bei den Banken in der Kreide.
Kein Wunder, dass Marina Quoirin-Nebel, Spitzenkandidatin der Grünen, sagt: „Wie wir von den Schulden runterkommen, zieht sich quer durch alle Themen.“ Darin seien sich im Grunde alle Fraktionen einig, sagt auch Schmidt (CDU), der wieder für Gemeinderat und Kreistag kandidiert. Auch wenn die Barmstedter Linke Liste (BALL) für diese Finanznot eine andere Rechnung aufmacht: An den sechs Milliarden Euro, die das Land Schleswig-Holstein für die Misswirtschaft der HSH Nordbank aufbringen muss, sei Barmstedt mit gut 21,5 Millionen Euro beteiligt, erklärt Spitzenkandidat Günter Thiel. Eine Summe, die ziemlich genau dem jetzigen Schuldenstand der Stadt entspricht. Seine Argumentation: Wenn das Land also nicht das Geld den Banken hinterherwerfen müsste, „wäre die Finanznot hier ganz einfach zu lösen“.
Immerhin hoffen die Stadtväter, dass ihnen endlich die Landesplanung jene Fessel löst, die es ihnen noch verbietet, im Achsenraum zwischen den Autobahnen auch gewinnträchtiges Gewerbe ansiedeln zu dürfen. Dann könnten sie mehr Gewerbesteuer einnehmen. Barmstedt bekommt hierbei nur ein Zehntel des Kuchens ab, den das doppelt so große, aber deutlich verkehrsgünstiger gelegene Quickborn einstreichen darf.
Die SPD will zudem noch einen anderen Mangel beseitigen und die medizinische Versorgung der Bevölkerung verbessern, kündigt ihr Spitzenkandidat Hans-Christian Hansen an. Statt sieben gebe es nur noch vier Allgemeinmediziner in der Stadt. „Fachärzte kriegen wir gar nicht.“ Helfen soll nun ein Projekt ähnlich dem, mit dem die Gemeinde Büsum an der Nordsee ihren Ärztemangel beseitigt habe. Für drei Millionen Euro wurde dort ein Ärztehaus von der Gemeinde errichtet und anschließend an Ärzte vermietet. „Die ärztliche Versorgung ist ein Standortfaktor“, so Hansen.
Dem Museum fehlt ein zeitgemäßes Konzept
Das gilt natürlich erst recht für die Attraktivität für Tagestouristen im einzigen anerkannten Erholungsort im Kreis Pinneberg. Dafür sorgt seit vielen Jahren die idyllische Schlossinsel am Rantzauer See mit ihren Kulturstätten. Doch die denkmalgeschützten Gebäude aus der Preußenzeit sind marode und in die Jahre gekommen. Auch für das Museum fehlt derzeit ein modernes Konzept. Das langjährige ehrenamtliche Betreiberpaar hat seinen Job aus Altersgründen aufgegeben.
Nun muss hier alles von Grund auf neu überplant werden. In den Haushalt sind dafür bereits 35.000 Euro für Planung und weitere 150.000 Euro aus der Städtebauförderung des Landes für eine Bestandsaufnahme aller Schäden und einen Maßnahmenkatalog eingestellt worden.
Ein Förderverein soll zudem Ideen beraten und verwirklichen, die die Bürgerschaft bereits im Dutzend eingebracht hat, einschließlich einer kleinen Bimmelbahn, die Touristen zwischen Insel und Innenstadt hin und her kutschieren könnte. Aktuell wird zudem gerade ein Stadtmarketingkonzept erarbeitet.
„Die Sanierung der Schlossinsel wird ein Riesenprojekt, das gewuppt werden muss“, ist BALL-Chef Thiel überzeugt. Und Bürgervorsteher Kahns prognostiziert: „Das ist eine Aufgabe, die uns die nächsten Wahlperioden beschäftigen und die uns zehn bis 15 Millionen Euro kosten wird.“