Wedel . Trotz Sanierungssatzung und Milieuschutzes weichen prägende Gebäude neuen Mehrfamilienhäusern. Grüner kritisiert die Verwaltung.

Die Farbe blättert von der Außenmauer, ein riesiger Riss zieht sich durchs Gemäuer bis fast hin zum Boden. Im Keller steht Wasser, das durch eine Grube und eine kaputte Tür ins Innere gelangt ist. Es ist schon ein trauriger Anblick, den das alte Haus mit der ungewöhnlich gestalteten Fassade bietet. Das Gebäude mit der Hausnummer 2 ist an der viel befahrenen Pinneberger Straße in Wedel zu finden. Seit 122 Jahren steht es nun schon dort, trotzt der Witterung. Sogar die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg hat es überstanden. Ob es auch den heutigen Umgang mit alter Architektur und den Bauboom übersteht, scheint fraglich. Zwar hatte der Bauherr 2016 eine Sanierung im Zusammenhang mit der Genehmigung eines neuen Mehrfamilienhauses mit 14 Wohnungen im rückwärtigen Teil des Grundstückes zugesagt. Passiert ist seither aber nichts.

Rettung in letzter Minute: Das Hafenmeisterhaus an der Elbe sollte laut einem Gutachten abgerissen werden. Eine politische Mehrheit stemmte sich dagegen.
Rettung in letzter Minute: Das Hafenmeisterhaus an der Elbe sollte laut einem Gutachten abgerissen werden. Eine politische Mehrheit stemmte sich dagegen. © HA | Katy Krause

Für Olaf Wuttke ist das ein Unding. Der Chef der Wedeler Grünen-Fraktion setzt sich seit Jahren für den Erhalt alter Bausubstanz in seinem Wohnort ein. Insbesondere die Altstadt liegt ihm am Herzen. Für den Bereich, in dem auch das Haus an der Pinneberger Straße steht, existiert seit 1987 eine Erhaltungssatzung. Sie sieht vor, dass rund um den Marktplatz am Roland eine Vielzahl der Gebäude aufgrund ihrer städtebaulichen Bedeutung erhalten wird. Ziel ist es demnach, die „kleinteilige Baustruktur mit ein- bis zweigeschossiger Bebauung im ortstypisch ländlichen Heimatstil (roter Backstein) beziehungsweise die um die Jahrhundertwende vorherrschenden Stilrichtungen“ zu schützen. So die Theorie. Doch laut Wuttke sieht es in der Praxis anders aus.

Abriss und Neubauplänen würden zugestimmt, ohne alternative Lösungen zu prüfen und ohne deren Symbolwirkung auf andere Bauherren zu bedenken. „Die Stadtverwaltung geht lieblos und fahrlässig mit Wedels Resten an alter Bausubstanz um“, kritisiert Wuttke scharf.

Die alte Stadtbücherei ist kaum noch wiederzuerkennen

Denn er kann außer dem verfallenden Haus an der Pinneberger Straße zahlreiche weitere Beispiele benennen, wo Bauherren dem Erhalt nicht nachkommen müssten. In der Riststraße 18 wich zum Beispiel ein altes Haus einem neuen Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage, das ortsprägende Bauernhaus mit Adresse Marktplatz 1 wurde 2017 durch einen verklinkerten Neubau mit acht Wohneinheiten ersetzt.

Aus alt macht neu: An der Riststraße wich ebenfalls ein altes Gebäude für neue Mehrfamilienhäuser samt Tiefgarage trotz Erhaltungssatzung
Aus alt macht neu: An der Riststraße wich ebenfalls ein altes Gebäude für neue Mehrfamilienhäuser samt Tiefgarage trotz Erhaltungssatzung © HA | Katy Krause

Andere Ecke, gleiches Problem: Jahrelang stritten die Wedeler um den Erhalt des alten Gebäudes in der Bahnhofstraße 42. Mit dem Rotklinker-Haus, in dem einst das Kino und später die Stadtbücherei ansässig war, verbinden viele Wedeler Erinnerungen. Als das städtische Gebäude verkauft und für die Erweiterung der Welau-Arcaden abgerissen werden sollte, gründete sich sogar eine Bürgerinitiative zur Rettung des Gebäudes. Abgerissen wurde es nicht. Doch es ist nach dem Verkauf und der Grundsanierung kaum wiederzuerkennen. Weißer-grauer Putz statt rotem Klinker, auch die vom Investor einst vorgesehene Nutzung als Bistro mit Billardcafé wurde nicht umgesetzt. Im Erdgeschoss ist dafür eine große Landenfläche entstanden, auf der Mode angeboten wird. Die gemeinnützigen Vereine sind raus.

Im Kaufvertrag mit der Stadt finden sich laut Wuttke auch keine Verpflichtungen in Bezug auf Gestaltung und Nutzung, um den Käufer nicht zu verprellen. „Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie man das Interesse vieler Wedeler an einem städtebaulich prägenden Gebäude dem Partikularinteresse eines Investors opfert“, sagt Wuttke. Er will sich verstärkt dafür einsetzen, dass Gebäude und Gebäudeensembles in Wedel einen höheren Schutzstatus erhalten, indem sie beispielsweise auch unter Denkmalschutz gestellt werden.

Am Marktplatz 1 wich ein prägendes Altbaugebäude für ein neues Mehrfamilienhaus mit 8 Wohnungen
Am Marktplatz 1 wich ein prägendes Altbaugebäude für ein neues Mehrfamilienhaus mit 8 Wohnungen © HA | Katy Krause

Das letzte Wort hat da allerdings die Obere Denkmalschutzbehörde des Landes. Ob ein Gebäude aufgrund seines Alters, seiner besonderen Bedeutung oder seines Charakters schutzwürdig ist, darüber entscheiden die Experten in Kiel. Tipps und Vorschläge für mögliche schützenswerte Gebäude können aber von der Verwaltung, von Politikern, Nachbarn und dem Eigentümer selbst kommen.

„Am besten informiert man auch uns als Kreisbehörde über das Anliegen und macht Fotos von dem Gebäude“, erläutert Kreisdenkmalpflegerin Antje Metzner, die die steuerlichen Vorteile eines solchen Schutzstatus’ für Hauseigentümer hervorhebt. So könnten 90 Prozent der Kosten einer Denkmalschutzsanierung zehn Jahre lang steuerlich geltend gemacht werden.

Hafenmeisterhaus wurdein letzter Minute gerettet

Für das Objekt in der Pinneberger Straße 2 ist es für den Denkmalschutz aber zu spät. Auf Anfrage der Kreisbehörde teilte das Landesamt für Denkmalpflege in Kiel mit, dass die Chancen für einen Schutzstatus schlecht stehen. „Durch An- und Umbauten am Gebäude ist die ursprüngliche denkmalschutzwürdige Identität nicht mehr gegeben“, erläutert Kreissprecher Oliver Carstens.

Denkmalschutz

Derzeit 25 Gebäude stehen in Wedel derzeit unter Denkmalschutz, wobei in fast allen Fällen noch eine Überprüfung und Aktualisierung vorgesehen ist. Das geht aus einer Liste der Oberen Denkmalschutzbehörde von Ende 2017 hervor.

In der Liste sind unter anderem das alte Kraftwerk, Häuser der Theodor-Johannsen-Siedlung, die Ladiges Villa, das Reepschlägerhaus, der Roland und auch das Museumsgebäude an der Küsterstraße zu finden. krk

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Es gibt aber Beispiele, da gelingt es, das alte Gebäude vor dem Abriss zu bewahren. Ein Gutachten stellte dem alten Hafenmeisterhaus am neugestalteten Schulauer Hafen ein schlechtes Attest aus. Abriss und Neubau waren im Planungsausschuss schon beschlossen, doch in der Ratsversammlung votierte eine neue Mehrheit für den Erhalt. Der soll laut den beauftragten Planern sogar 12.000 Euro weniger kosten als ein Neubau, der mit rund 140.000 Euro ohne Abrisskosten veranschlagte wurde. Eine Gruppe, die sich für den Erhalt und die zukünftige Nutzung stark machen will, hat sich gegründet. Wuttke ist Mitglied.