Rellingen. Die Künstlerin Friederike Lydia Ahrens fängt die Poesie der Straße ein und stellt sie in einem Abrisshaus in Rellingen aus.

Placart nennt sie ihre Kunstrichtung, eine Mischung aus Plakat und Art. Also Kunst. Friederike Lydia Ahrens kratzt alte Plakate und Konzertankündigungen von voll geklebten Hauswänden, Laternenpfählen, Zäunen. Zwischen all den Schichten Papier findet sie längst überklebte Streetart, politisch geprägte Botschaften, Konzertankündigungen vergangener Jahrzehnte. Ihr Metier sind verlassene Hinterhöfe, Abrisshäuser, Stadtviertel, die alles andere sind als Schickimicki. Ahrens fängt die Poesie der Straße ein, verarbeitet sie zu Collagen.

Am Wochenende, 17. und 18. Februar, stellt sie in den ehemaligen Räumen der LBS Immobilien GmbH an der Hauptstraße 46 in Rellingen aus. Das Haus steht leer. Hauseigentümer Thomas Pötzsch wird es bald abreißen lassen. „Bis dahin dürfen wir es nutzen“, sagt der auf Kreativtechniken spezialisierte Maler- und Lackierermeister Thorsten Baumann aus Rellingen (raumplanstudio.de).

Baumann hat den Holzfußboden „asphaltiert“ in Anlehnung an die Straßenkunst. Mit seiner Hilfe und die seiner Mitarbeiter entsteht in einem kleinen Raum ein kleines Mittelmeerparadies. Er und Ahrens hatten vor Jahren in Hamburg in einem gemeinsamen Projekt ein Restaurant gestaltet. Nun führten die Wege sie wieder zusammen. Baumann lud Ahrens ein, in Rellingen eine Pop-up-Galerie zu inszenieren.

An anderer Stelle arbeitet sie mit Streetartkünstlerin wie Mittenimwald oder Toner zusammen, gibt etwas in Auftrag, was sie anschließend in ihren Collagen verwendet. „Ich würde nie aktuelle Streetart abreißen“, sagt Ahrens. Die Papierschnipsel klebt die Künstlerin Stück für Stück, mal großformatig über mehrere Meter, dann schmal und hoch oder kleine Quadrate. Kleinmöbel wie ein alter Teewagen oder ein Beistelltisch werden zu Kunstwerken beklebt.

Nach ihrem Studium an der Hochschule für bildende Künste Hamburg lebte Ahrens 23 Jahre lang in Tornesch, betrieb dort eine Keramikwerkstatt. Mittlerweile ist sie geschieden und nach Hamburg gezogen, wo sie ein eigenes Atelier hat. Beide Söhne sind erwachsen. Im Stadtteil Hamm betreibt sie die Galerie Schichtwechsel.

Ihr Material sammelt sie bei Städtetrips durch Lissabon, Venedig, Berlin, Mailand, Neapel oder London. Das Material würde sie nie mixen. Es gibt dem Betrachter Hinweise, an welchen Orten sie es gefunden hat. Die Plakatreste von der Algarve sind durch die intensive Sonne in ein Rosa getaucht. Protestschriften gegen zu viel Schiffsverkehr verweisen auf Venedig. Die alten Zettel gepflückt vom Hamburger Pudel Club wurden an die Holzwand getackert. Rostige kleine Löcher im Papier zeugen davon.

Kernige Sprüche wie „Orgasmus-Garantie“ oder „Reichtum besteuern“ stammen aus Berlin. „Zudem sind die Plakate farbintensiv“, sagt sie. In Italien werden Todesanzeigen plakatiert. Das verwendete Papier ist hochwertig. Manche Menschen werfen ihr beim Abreißen böse Blicke zu oder schimpfen. „Manchmal bedanken sich Passanten aber auch bei mir fürs Saubermachen“, sagt Ahrens und lacht herzlich.

Ausstellung: Sa 17.2., 14 - 20 Uhr, So 18.2., 14 - 19 Uhr, Hauptstraße 46, in Rellingen, freier Eintritt. Führungen auf Anfrage: 0177/817 09 53.