Elmshorn. Kritik der Woche: Theaterfassung der Erzählung „Als ich ein kleiner Junge war“ von Erich Kästnerbegeisterte das Publikum.

Dass die große Schauspielkunst in der kleinen Geste, in feinen Schilderungen und der einfachen, aber ausdrucksstarken Sprache liegen kann, hat Walter Sittler mit seinem Auftritt im Elmshorner Stadttheater eindrucksvoll demonstriert. Mit dem Stück „Als ich ein kleiner Junge war“ nach dem Roman von Erich Kästner begeisterte der Darsteller das Publikum.

Knapp eineinhalb Stunden nahm der aus TV-Sitcoms wie „Girl Friends“ und „Nikola“ sowie als TV-Kommissar und Charakterdarsteller bekannte Schwabe die Zuschauer mit auf eine literarische Zeitreise vom Ende des
19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. Sittler hatte sich das literarische Solo mit Orchester nach dem autobiografischen Roman Erich Kästners von Regisseur Martin Mühleis zusammenstellen lassen. Der für junge Leser geschriebene Text wurde auf ein erwachsenes Publikum zugeschnitten.

Sechs Musiker, Geige, Schlagzeug, Trompete, Saxofon, Klavier und Kontrabass, verteilt auf der Bühne: Mal klangen sie wie ein Salonorchester von anno dazumal, dann wurde gejazzt und zur Weihnachtsgeschichte das passende deutsche Liedgut intoniert. Die musikalischen Pausen kommentierten die Texte und gewährten dem Schauspieler ein wenig Zeit, um innezuhalten.

Walter Sittler kam auf die Bühne, hängte seinen Trenchcoat an die Garderobe, stand mal links, mal rechts auf der Bühne, schlenderte hinter die Reihe der Musiker, stellte einen Stuhl an den Bühnenrand und wieder zurück.

Er erzählte von der Plackerei der Eltern, dem Vater, der erst als selbstständiger Sattler und dann als Arbeiter in einer Kofferfabrik schaffte. Und von der Mutter, einer einfachen, den Sohn über die Maßen liebenden Frau. Das Geld war knapp, die Zimmer der Familienwohnung mussten untervermietet werden. Ein Glücksfall für den jungen Erich Kästner, denn immer waren es Lehrer, die zur Untermiete wohnten, ihm die Freude an Büchern und den Durst nach Wissen vermitteln. Die Liebe zur Heimatstadt Dresden durchzieht die Schilderung – als einen Dreiklang des Geistes, der Architektur und der Natur.

Sittler, der auch eine Hörbuchfassung des autobiografischen Romans eingesprochen hat, ließ die Schönheit und den Reichtum der Kästnerschen Sprache erstrahlen, sein Text war mit einer großen Wärme für die Menschen und einer klaren Sicht auf die Dinge verfasst. Und immer wieder blitzte dieser besondere Kästner-Humor auf.

Sittler, der sich als „Kästner-Maniac“ bezeichnet, ist auch ein politischer Mensch. Unter anderem gegen den Bau von Stuttgart 21 erhob er die Stimme. Er ließ Kästner auch auf die Grauen des Ersten Weltkriegs – für den damals
15-Jährigen bedeutete es „das Ende der Kindheit“ – sowie der Nazidiktatur und des Zweiten Weltkrieg blicken. „Bestraft nicht die Völker, bestraft die Regierungen“ forderte Kästner angesichts der Zerstörung Dresdens.

Mit Standing Ovations verabschiedete das Publikum Schauspieler und Musiker.