Kreis Pinneberg. Der dreijährige Kursus ist einmalig im Süden Schleswig-Holsteins. In der Betreuung Behinderter werden dringend Fachkräfte benötigt.
Die Kreisberufsschule (KBS) in Pinneberg bietet zum 1. Februar einen neuen Ausbildungskursus in Heilerziehungspflege an. Eine solche dreijährige Qualifizierung gibt es im Süden Schleswig-Holsteins bislang nicht. Angesprochen sind junge Erwachsene, die bereits eine Berufsausbildung haben, aus der Kranken- oder Altenpflege kommen oder einschlägige Erfahrung in diesem Bereich haben, erklärt Ute Brandt, die stellvertretende Leiterin der KBS, das neue Angebot. „Wir suchen Menschen, die im Leben stehen und Lebens- und Berufserfahrung in diesem Bereich haben, damit sie wissen, was auf sie zukommt.“
Initiiert hat die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger Anfang 2017 der Schulausschuss des Kreistages. Im September wurde er dann einstimmig beschlossen. „Es ist der Versuch, den Fachkräftemangel in der Heilerziehungspflege zu bekämpfen“, begründet Nicolai Overbeck (SPD) als stellvertretender Ausschussvorsitzender diesen Schritt. So solle Behinderten qualifizierte Betreuung an die Seite gestellt werden und sich für sie die Pflegesituation verbessern. Overbeck weiter: „Zudem wollen wir hier eine Ausbildung für einen Zukunftsberuf anbieten.“
Behindertenbeauftragter spricht von „großer Not“
Für Dirk Uwe Schmidt vom Awo-Werk-schiff in Pinneberg, das mit 18 hauptamtlichen Mitarbeitern 110 Behinderte
betreut, ist dieser Ausbildungskurs „auf jeden Fall hilfreich“. Heilerziehungspfleger könnten in Bereichen wie Jugend und Familie eine erhebliche Entlastung darstellen. Dieser Auffassung ist auch Axel Vogt, der Behindertenbeauftragte des Kreises Pinneberg. „Vor allem bei der Pflege behinderter Kinder herrscht eine große Not.“ Im Kreis Pinneberg gebe es für diese jungen Menschen zurzeit nur einen einzigen darauf spezialisierten Pflegedienst. Darum müssten sich viele Angehörige oft selbst darum kümmern, was zu erheblichen Belastungen führe und für die Behinderten auch nicht so gut sei, als wenn eine examinierte Fachkraft diese Aufgabe übernimmt. „Hier gibt es einen erheblichen Bedarf, der gerade in den vergangenen zwölf Monaten massiv zugenommen hat.“
Welcher Aufwand in diesem Bereich inzwischen nötig ist, zeigen auch die Ausgaben für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, die für 2018 fast 66 Millionen Euro allein für den Kreis Pinneberg ausmachen.
Den enormen Bedarf der Heilerziehungspflege bestätigt auch Berufsschulleiter Ulrich Krause: „Dieses Vorhaben wird von der Arbeitsagentur in Elmshorn unterstützt, ebenso von vielen Einrichtungen im Kreis Pinneberg, die bereits jetzt einen Fachkräftemangel in diesem Bereich beklagen“, heißt es in seiner Begründung für das neue Schulangebot, für das zum zweiten Halbjahr 1,25 zusätzliche Planstellen im Berufsbildungszentrum geschaffen werden.
Geleitet wird die Ausbildung von Sabine Werwitzke und Isabel Ahrens vom gesundheitlich-medizinischen Fachbereich der KBS mit jetzt schon etwa 400 Berufsschülern. „Der Süden des Landes ist bislang ein weißer Fleck in der Ausbildung von Nachwuchs in der Heilerziehungspflege“, sagt Sabine Werwitzke.
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Die Kursteilnehmer lernen in den 30 Unterrichtsstunden pro Woche alle rechtlichen Grundlagen, Ansprüche für Sachleistungen sowie alle wichtigen Inhalte von Pädagogik über Psychiatrie und Entwicklungspsychologie bis hin zu Pflegemodellen, erläutert Isabel Ahrens das Konzept. Aber auch kreative Inhalte wie Musik, Zeichnen, Spielen und Bewegung gehörten dazu, damit die Schüler auf eine umfassende Betreuung von Behinderten vorbereitet sind, die der staatlich geprüfte Heilerziehungspfleger ja auch individuell ambulant in den Familien vollbringen könne. Auch als Schulbegleiter für behinderte Kinder, für integrative Kindergartengruppen, Wohngruppenbetreuung und sogar in der Geriatrie käme dieser Beruf infrage. Der dreijährige Ausbildungskursus, der zunächst für 24 Schüler ausgerichtet ist, umfasst zudem ein acht- bis zehnwöchiges Praktikum pro Schuljahr in verschiedenen Behinderteneinrichtungen.
Teilnehmer, die zuvor bereits berufstätig waren, müssten nicht befürchten, während der Ausbildung ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten zu können, sagt Berufsschullehrerin Werwitzke. Sie hätten Anspruch auf das Aufstiegs-Bafög, das für Verheiratete mit Kindern bis zu 1400 Euro im Monat ausmachen könne. Die Aussichten, nach dieser anspruchsvollen Ausbildung einen Job zu finden, seien bei dem akuten Fachkräftemangel sehr groß. „Das ist vergleichbar mit der Situation im Erzieherberuf. Die sind vom Markt leer gefegt.“