Elmshorn. Dutzende Mieter eines Hochhauses bibbern, weil seit Wochen die Heizung streikt. Der Vermieter verspricht Reparatur.
Der Ausblick ist grandios. Die Räume sind hell und geräumig. Der Fahrstuhl, der Artur Spoczynski in den sechsten Stock des Hochhauses an der Beethovenstraße trägt, wird modernisiert. Eigentlich kann der Familienvater nicht meckern. Mit seiner Frau Malgorzata und den beiden Töchtern Klaudia und Paulina lebt Spoczynski gern zentral gelegen, über den Dächern von Elmshorn. Problem nur: Er friert. Seit Ende September ist die Heizungsanlage außer Betrieb. Was im Oktober und November mit vergleichsweise milden Temperaturen noch halbwegs zu ertragen war, wird jetzt zum Riesenproblem. Die Mieter an der Beethovenstraße bibbern. Und sie werden krank. Denn sie leben in Elmshorns größtem Kühlschrank.
Montagmorgen: Draußen liegt Schnee, die Temperaturen kratzen an der Null-Grad-Marke. Besuch in der Kühlkammer der Familie Spoczynski: Mitte 2016 ist die Familie in das Hochhaus an der Beethovenstraße gezogen. Die 13-jährige Klaudia trägt dicken Parka, ihre Mutter hat sich noch den Wollschal rausgesucht. Vater Artur bittet rein – und muss sich abwenden. Ein Hustenanfall schüttelt ihn. „Wir waren alle schon krank, jetzt hat es auch ihn erwischt“, klagt Mutter Malgorzata. Vom Vermieter, dem in Bochum sitzenden Unternehmen Vonovia, hat die Familie vier winzige Heizlüfter bekommen. „Einer davon ist schon kaputt“, sagt Malgorzata. Gegen die nächtlichen Minusgrade kommen die kleinen Geräte ohnehin nicht an. Außerdem verursachen sie trockene Luft, die die Atemwege angreift. Mieter Michael Kurzhals berichtet sogar von 13 Grad, die er in seiner Wohnung in der achten Etage täglich misst und dokumentiert. Laut Deutschem Mieterbund sind Vermieter verpflichtet, während der von Anfang Oktober bis Ende April geltenden Heizperiode Temperaturen von mindestens
20 Grad zu gewährleisten. Nur nachts, zwischen 23 und 6 Uhr darf es bis zu
18 Grad auskühlen. Kurzhals reicht es. „Ich weigere mich, Miete zu zahlen.“ Über das Angebot des Vermieters, der einmalig 150 Euro Mietminderung angeboten haben soll, kann er nur lachen. „Der Zustand ist nicht zumutbar.“ Immer wieder sei er von der Vonovia vertröstet worden. Der versprochene Techniker sei nie aufgetaucht.
Wird die Mindesttemperatur von 20 bis 22 Grad Celsius im Winter nicht erreicht, liegt laut Mieterbund ein Wohnungsmangel vor. Der Vermieter ist dann verpflichtet, diesen Mangel schnellstmöglich zu beheben. Passiert das nicht, kann der Mieter die Miete mindern. Bei einem völligen Heizungsausfall und Minusgraden im Winter ist eine Mietminderung bis zu 100 Prozent möglich. Wird es in der Wohnung maximal 18 Grad Celsius warm, ist eine Mietminderung bis zu 20 Prozent denkbar. Bleibt es auf Dauer kalt und drohen somit Gesundheitsschäden, ist der Mieter berechtigt, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.
Hochhaus wird nach verheerendem Brand saniert
Artur Spoczynski will das nicht. Er wohnt eigentlich gern in dem Hochhaus, das nach einem verheerenden Brand im März 2014 komplett saniert wird. Und es gibt offenkundig Hoffnung auf wärmere Zeiten: Am Montagmittag taucht ein Mitarbeiter des Wohnungsunternehmens Vonovia auf. Der Kran, der den kaputten Wärmetauscher aus dem Gebäude heben solle, sei auf dem Weg, lässt der Installateur vernehmen. Von einem wochenlangen Ausfall der Anlage sei er nicht in Kenntnis gesetzt worden. „Ich dachte, das wäre gerade erst passiert.“
Und das sagt der Vermieter Vonovia
Unten im Treppenhaus hängen mehrere Zettel. Auf einem machen sich die Bewohner Luft, es wird zu gemeinsamem Protest aufgerufen. Auch das Unternehmen Vonovia meldet sich zu Wort. In knappen Worten wird Besserung gelobt. Der Einbau werde „spätestens am Dienstag erfolgen“. Man bitte „vielmals um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten“. Dass es nicht nur bei der Heizung hakt, macht ein handschriftlicher Kommentar eines Mieters deutlich. Der fragt, wann es an der Beethovenstraße endlich wieder Internet und Kabelfernsehen gibt.
Vonovia ist mit 350.000 Wohnungen der größte Vermieter Deutschlands. Das Unternehmen war 2015 aus der Deutschen Annington hervorgegangen. Die Annington hatte in der Region einen zweifelhaften Ruf. 2010 sorgte sie überregional für Schlagzeilen. In Pinneberg hatte der Konzern den kaputten Fahrstuhl eines Hochhauses an der Friedrich-Ebert-Straße wochenlang nicht repariert. Und das, obwohl eine gehbehinderte Seniorin unterm Dach des Hauses festsaß. In Elmshorn hatte kurz darauf der Ausfall einer Heizungsanlage im tiefsten Winter schon einmal für Proteste gesorgt.