Elmshorn/Kollmar. Die in Kollmar, Glückstadt und Elmshorn gedrehte Serie „Deichbullen“ erscheint auf DVD. Vorab sind Folgen auf Netflix zu sehen.

Das Wohnzimmer des weißen Ferienhauses ist klein. So klein, dass gerade einmal zwei Kameraleute, Tontechniker, Regisseur und die beiden Hauptdarsteller darin Platz finden. Das Ferienhaus wird zur Polizeistation, der Heimat der beiden Deichbullen „Reverend“ Christian Dabeler und René „Chucker“ Chambalu.

Regisseur Michael Söth (r.) gibt seinen Schauspielern Anweisungen beim Dreh
Regisseur Michael Söth (r.) gibt seinen Schauspielern Anweisungen beim Dreh © HA | Michael Söth

Und die Heimat der Deichbullen ist natürlich Kollmar. Ein Ort, der für den Elmshorner Filmemacher Michael Söth so etwas wie eine Allzweckwaffe ist. 2007 drehte er hier den Film „Deichking“, 2010 setzte er dem „Bauernfrühstück“ ein filmisches Denkmal. Und jetzt eben die „Deichbullen“. Söth, der inzwischen in Kiel lebt und seine Filmfirma dorthin verlegt hat, kennt Kollmar. Und die meisten Kollmaraner kennen inzwischen den Filmemacher. Und der bringt den kleinen, etwas verschlafenen Ort im nächsten Jahr mal wieder groß raus – dank der „Deichbullen“, die ab dem 12. Januar in einer neuproduzierten Langfassung auf DVD und Blu-Ray erhältlich und vorab – vermutlich ab Weihnachten – auf dem Streamingdienst Netflix zu sehen sein werden.

Als das Serienprojekt um die beiden Großstadtpolizisten auf dem platten Land 2015 begann, war dieser Erfolg nicht absehbar. Kein Fernsehsender wollte das Konzept kaufen, sodass Söth die Dreharbeiten aus Eigenmitteln finanzierte. Gearbeitet wurde mit einem kleinen Team von fünf bis sechs Leuten. „Das war so ein Familien-Ding, alle mussten alles machen. Die Darsteller haben nebenbei die Maske besorgt oder das Catering übernommen“, erinnert sich Söth. Auf diese Weise konnten die Produktionskosten niedrig gehalten werden. Weitere bescheidene Mittel kamen per Crowdfunding zusammen. „Aber dennoch war es unser Anspruch, das ganze professionell zu produzieren“, sagt der Elmshorner.

„Reverend“ Christian Dabeler (l.) und René „Chucker“ Chambalu
„Reverend“ Christian Dabeler (l.) und René „Chucker“ Chambalu © HA | Michael Söth

Das funktionierte. Die zehn Folgen, jeweils sechs bis sieben Minuten lang, waren im Netz der Hit und mehreren Festivals eine Auszeichnung wert. So wurde Studio Hamburg Enterprises (SHE), eine Firma der Studio Hamburg Gruppe, auf das Projekt aufmerksam – und stieg als Produzent ein. Jetzt hatte Söth den Partner, den er zu Beginn des Projektes verzweifelt gesucht hatte.

„Für uns war von Vorteil, dass wir ein fertiges Produkt hatten“, sagt er. Die Rechnung sei zu 100 Prozent aufgegangen. Söth: „Wir alle haben damals in das Projekt investiert, weil wir unerschütterlich daran geglaubt haben. Das hat sich jetzt ausgezahlt.“ Und Thore Vollert, Direktor of Marketing & Acquisitions bei SHE, ergänzt: „Wir waren von Anfang an von der Serie begeistert und freuen uns, dass wir das erfolgreiche Webformat nun in eine Langform überführen können.“ Dank des Partners wurde das Ferienhaus, das bereits 2015 als Polizeistation diente, im April und Mai 2017 reaktiviert. Auch in Elmshorn und Glückstadt wurde gedreht.

„Wir haben im ersten Anlauf 50 Minuten Material gedreht“, sagt Söth. Das sei für die Miniserie im Web ausreichend gewesen, für die Langfassung nicht. „Jetzt sind nochmals um die 100 Minuten dazugekommen.“ Hinzugekommen sind auch neue Figuren – Promi-Nebendarsteller wie Eva Habermann oder Ben Becker inklusive – und neue Handlungsstränge. Die beiden Hauptdarsteller, die Söth einst auf der Premiere einer Low-Budget-Produktion in Hamburg entdeckte, sind gleichgeblieben. „Wir hatten großes Glück, dass alle so kurzfristig Zeit hatten“, erinnert sich Söth. Und Glück, dass kein Feriengast in der „Polizeistation“ logierte und diese angemietet werden konnte.

Tini Lazar als Ulla-Hermine Steenbeck und Lenka Arnold als Dörte Steenbeck
Tini Lazar als Ulla-Hermine Steenbeck und Lenka Arnold als Dörte Steenbeck © HA | Michael Söth

„Reverend“ Christian Dabeler und René „Chucker“ Chambalu mimen zwei ältere Hamburger Polizisten, die aufs Land geschickt werden und mit der dortigen Kriminalität und der Bevölkerung zu kämpfen haben. Zusammen mit Söth haben die Hauptdarsteller auch am Drehbuch mitgeschrieben. „Unser neuer Partner hat sich nicht in die Bücher eingemischt. Wir waren völlig frei, was eigentlich ungewöhnlich ist“, sagt der Filmemacher, für den das Genre Serie nach eigenen Angaben noch immer Neuland ist. „Eine fortlaufende Geschichte über mehrere Folgen zu erzählen und die Spannung aufrechtzuerhalten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.“

Wie anspruchsvoll das Ergebnis ist. kann in Kürze jeder sehen. Die Premiere findet übrigens am 21. Dezember in einem Großkino in Kiel statt. „Netflix ist natürlich die Champions League. Dass wir da mit unserer Serie vertreten sind, hätten wir uns nicht träumen lassen“, sagt Söth. Sein Traum von einer zweiten Staffel der Deichbullen dürfte sich angesichts der starken Partnerschaft mit SHE erfüllen. Und auch eine Ausstrahlung im NDR Fernsehen erscheint über kurz oder lang realistisch, schließlich gehört die Studio Hamburg Gruppe über mehrere Ecken dem NDR.

Auf diese Weise dürfte das kleine weiße Ferienhaus am Deich von Kollmar künftig immer mal wieder zur Polizeistation werden. Und die Kollmaraner, die Söth als total nett und hilfsbereit beschreibt, dürften demnächst erneut Bekanntschaft mit so manchem prominenten Gesicht machen. Das von Söth kennen sie ja schon.