Wedel. ... sagt Trauerrednerin Louise Brown. Vieles ist im Wandel in der Bestatterszene. Anlässlich des Totensonntags zeigen wir Trends.

Wenn Louise Brown in ihrem Dienstwagen mit dem Aufdruck „Bestattungsinstitut“ unterwegs ist, erlebt sie die unterschiedlichsten Reaktionen: „Eben an der Ampel hat mich eine Frau ganz verlegen angeschaut und sich bekreuzigt“, erzählt die 42 Jahre alte Trauerrednerin und muss ein wenig schmunzeln. Dass Tod und Trauer für die meisten Menschen eher unangenehm sind, weiß sie nur zu gut: Als ihre Großmutter starb, hätten ihre Eltern noch versucht, darüber zu schweigen und das Thema von ihr fernzuhalten, sagt Brown. „Aber ich habe den Eindruck, dass sich das wandelt.“ Immer mehr Menschen würden offen mit ihrem Bedürfnis umgehen, über Tod und Trauer zu reden, die Nachfrage nach individuell gestalteten Trauerfeiern nehme zu.

Tod der Eltern gab Leben eine neue Wendung

Die gebürtige Londonerin und langjährige Journalistin arbeitet erst seit zwei Jahren als Trauerrednerin für das Wedeler Bestattungsinstitut Bade. Zuvor hatte ein Schicksalsschlag das Leben der Wahl-Hamburgerin verändert: Ihre Eltern starben kurz nacheinander. „Als Journalistin dachte ich, dass ich alles weiß. Durch den Tod meiner Eltern habe ich gemerkt, dass ich nichts weiß“, sagt Brown im Rückblick. Mit ihrer angenehmen Stimme und ihrem sanften Lächeln strahlt sie eine innere Ruhe aus, während des Gesprächs sucht sie immer wieder den Blickkontakt. Aus der persönlichen Krise heraus habe sie sich entschlossen, fortan etwas Sinnstiftendes zu machen – und wurde Trauerrednerin.

Sie übernimmt auf Beerdigungen gewissermaßen die Rolle des Pastors: Sie trifft sich zum Gespräch mit Angehörigen des Verstorbenen, bereitet die Trauerfeier vor und hält die Ansprache. Statt über Gott spricht sie häufig über die Liebe oder die Natur. „Auch in der Natur gibt es viele Phänomene, die wir einfach so hinnehmen müssen und die wir nicht ändern können.“ Je nach Wunsch werden bei ihren Zeremonien Kerzen angezündet oder wird der Sarg bemalt. Die Musikwünsche ihrer Kunden reichen von den Toten Hosen bis Mozart.

Individuell ist in

Traditionelle Bestattungsfeiern werden immer seltener. Laut der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur, Aeternitas, sank der Anteil kirchlicher Begräbnisse in Deutschland von 71,5 Prozent im Jahr 2000 auf 58,1 Prozent im Jahr 2015.

Individuelle, persönliche Abschiednahme wird hingegen immer beliebter, gleichzeitig wünschten sich viele Angehörige günstige und wenig aufwendige Bestattungen, sagt Sprecher Alexander Helbach. Oft komme es daher vor, dass eine Familie bewusst auf einen teuren Sarg verzichte, aber viel Wert auf die Gestaltung der Trauerfeier lege.

Die Bestattungsformen sind nach Aeternitas-Umfragen auch im Wandel: Mehr als 60 Prozent aller Bestattungen sind mittlerweile Feuerbestattungen, während es vor 20 Jahren erst 38 Prozent waren.

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„Die Menschen haben ein Bedürfnis nach Abschied und wollen das möglichst individuell zum Ausdruck bringen.“ Viele suchten nach Alternativen zu den Angeboten der Kirchen. Gleichzeitig erlebe sie im Hamburger Umland aber eine große Liebe zur Tradition: So dürften bei aller Individualität in vielen Fällen das Glockengeläut der Friedhofskapelle oder die Sargträger mit Dreispitzhut und Tracht nicht fehlen. Über die klassischen Trauerfeiern hinaus setzt Brown auch auf ausgefallenere Formate: Im Frühjahr moderierte sie erstmals eine Lesung im Wedeler Bestattungsinstitut, bei der der bekannte Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel über die Leichen auf seinem Seziertisch und seine brisantesten Fälle plauderte.

Zweimal im Jahr veranstaltet sie in der hauseigenen Kapelle eine Lichtgedenkfeier für alle, die um einen Angehörigen trauern. Und seit einigen Monaten moderiert Brown in der Hamburger Modern Life School Treffen des sogenannten Death Cafés, dessen Teilnehmer bei Kaffee und Kuchen über Themen rund ums Sterben diskutieren. „Ich meine, dass man offen über den Tod sprechen darf“, sagt Brown.

Sie freue sich, wenn bei Trauerfeiern oder Gesprächen auch geschmunzelt werde und lustige Erinnerungen an die Verstorbenen zur Sprache kämen, etwa an die Oma, die sich zum 100. Geburtstag einen langjährigen Wunsch erfüllte und sich nach langer Zeit noch einmal ans Steuer ihres Autos setzte.

Trauernden rät Brown, sich Gesprächspartner zu suchen und über ihren Schmerz zu reden – sei es in der eigenen Familie oder im Rahmen von professionellen Angeboten wie Trauercafés oder Trauerbegleitung. Wie schwer dieser Schritt manchmal sein kann, weiß Brown aus eigener Erfahrung: Nach dem Tod ihrer Eltern habe sie sich erst nach einem halben Jahr eingestanden, dass sie so nicht mehr weitermachen könne. „Das Reden darüber hat mir geholfen.“ Seither denke sie das Leben von hinten und überlege, was sie vor dem Tod noch alles machen wolle: „Das macht es zwar nicht immer einfacher, aber ich habe jetzt viel mehr Respekt vor dem Leben.“