Nienstedten. Bernward Mezgers Kapelle liegt in einem Hochsicherheitsbereich: auf dem Gelände der Führungsakademie der Bundeswehr in Nienstedten.

Wer die Wache am Haupteingang der Führungsakademie (FüAk) passiert hat, erlebt – nur einen Steinwurf entfernt von Villen, Mehrfamilienhäusern und bunt bepflanzten Gärten – eine völlig andere Welt. Das weitläufige Gelände ist von einem hohen Zaun gesichert, hinein kommt man ohnehin erst nach Voranmeldung und sorgfältiger Prüfung der Personalien.

Der Sicherheitsbereich dahinter wirkt so still wie ein Kurpark. Die Großstadt scheint hier so weit entfernt wie der Äquator, und wie die berühmte Puppe in der Puppe gibt es inmitten dieser lärmbefreiten Idylle einen Ort, der sogar noch viel ruhiger ist: die Andachtskapelle. Ganz am Ende des Haupthauses liegt in einem Seitenflügel das Refugium von Militärdekan Bernward Mezger – ein eher unscheinbarer Raum mit einer starken Ausstrahlung. Die Kapelle gibt es schon, seitdem die Führungsakademie 1958 auf dem Gelände der Clausewitz-Kaserne eingeweiht wurde, das Haupthaus ist noch mehr als 20 Jahre älter. Das von außen eher dunkle, langgezogene Gebäude wirkt im Inneren relativ modern und freundlich. Hier treffen Repräsentationsräume mit Gemälden und Bundeswehr-Insignien auf ganz normale Büros, in denen täglich Schreibtischarbeit erledigt werden muss. Alles in allem keine schlechte Mischung. Einen ganz ähnlichen Eindruck entfaltet der Andachtsraum selbst. Obwohl er naturgemäß feierlich, fast Respekt gebietend wirkt, sorgen die niedrige Decke und die vielen, weit hinuntergezogenen Fenster für entspannte Stimmung. „Spirituelle Kultur ist in hohem Maße Atmosphäre“, sagt Mezger, der im September 2015 aus Nordrhein-Westfalen an die Elbe wechselte.

55 Militärdekane gibt es bundesweit – und etwa 20 Referenten. Mezger pendelt in Hamburg zwischen drei Standorten, hilft bei Bedarf auch einmal in diversen Gemeinden aus. Oft habe er eine Sieben-Tage-Woche, erzählt der drahtige Radfahrer, der in Wedel lebt und dessen Hobbys Orgel- und Klavierspielen sind. „Seelsorge kennt eben keinen Feierabend.“ Die gehört genauso zu Mezgers Arbeitspensum wie Ehe- und Taufvorbereitungen und lebenskundlicher Unterricht. Die Sorgen und Fragen der jungen Soldaten unterscheiden sich nicht wesentlich von denen anderer 20-Jähriger. Konflikte mit Vorgesetzten gehören genauso dazu wie Heimweh oder Liebeskummer – „alles, alles ist dabei“, so Mezger. Er selbst kennt auch die Schattenseiten der Welt, hat Lkw für die Rumänienhilfe gefahren und war in Afghanistan im Einsatz – der „seelsorgerischen Intensivstation“, wie er sagt.

Letztlich liegt es auf der Hand: Auch Mezger selbst findet Kraft und Energie im Andachtsraum der FüAk, sei es in der Zwiesprache mit Gott, sei es während einer Andacht. Alleine der Altar hat eine Aura, die man hier nicht vermuten würde. Das auffällig schöne Kreuz wurde von der Künstlerin Eva de Maizière gefertigt, die mit dem einstigen Generalinspekteur der Bundeswehr, Ulrich de Maizière verheiratet und Mutter des jetzigen Bundesinnenministers war.

Immer freitags um halb acht gibt es eine Andacht, die meist rund 20 Minuten dauert. Mezger sucht dann eine Bibelstelle aus, die mit dem Alltag der Soldaten in Verbindung gebracht werden kann. Der 57-Jährige liebt den Andachtsraum sehr. Der habe trotz oder gerade wegen seiner Schlichtheit eine stark religiöse Ausstrahlung, befindet Mezger. Mit dezenten Gesten erläutert er das Zusammenwirken von Orgel, Altar und Buntglasfenstern und bilanziert: „Hier ist nichts improvisiert.“

Für die Soldaten und ihn selbst sei die Kapelle nicht nur logistisch ein unantastbarer Raum in einer Schutzzone, sagt Bernward Mezger. „Hier gibt es kein Befehl und Gehorsam, hier stehen alle vor Gott.“