Schenefeld. Die Luftfeuchte in einer Schenefelder Kita wird dank eines biotechnischen Luftbefeuchtungssystems um etwa 15 Prozent erhöht.
Neugierig schieben Benno und Marieke die Stängel beiseite und gucken zwischen den Pflanzen hindurch. Was in dem großen Kasten in ihrem Gruppenraum in die Höhe wächst, ist Zyperngras. Eine Pflanzenart, die wenig dekorativ aussieht, dafür aber eine wichtige Funktion erfüllt. Sie verbessert das Raumklima in der Kita Biene Sonnenstrahl in Schenefeld und soll dazu beitragen, dass die Kinder und die Erzieher den Winter ohne große gesundheitliche Probleme überstehen.
Das war im vergangenen Winter in der im März 2015 eröffneten Einrichtung anders. Die Schützlinge und ihre Betreuerinnen hatten mit trockenen Schleimhäuten, Bindehautentzündungen, Kopfschmerzen und Problemen mit den Nasennebenhöhlen zu kämpfen. Viele Kinder blieben zu Hause, viele Mitarbeiterinnen meldeten sich krank. Zeitweise konnte nur ein Notbetrieb aufrechterhalten werden.
Eine Zeit, an die sich Kita-Leiterin Morna Fiedler nicht gern zurückerinnert. „Schon im ersten Winter nach der Eröffnung kam es zu Problemen. Wir haben damals gedacht, dass es an der Lüftungsanlage liegen würde.“ Die Anlage wurde gewartet, alle Filter ausgetauscht. Der Winter ging, der Frühling kam, die Probleme waren passé – bis der Sommer 2016 in den Winter überging. Die Probleme kamen zurück, schlimmer denn je. „Man hatte das Gefühl zu ersticken“, erinnert sich die Leiterin der Einrichtung, die dank Lüftungsanlage, Wärmepumpe, Eisspeicherheizung und zusätzlicher Wärmedämmung als das Energiesparwunder der Stadt gilt.
Und genau hier liegt, wie sich nach langen Untersuchungen herausstellte, das Problem. Dank der extrem starken Dämmung sinkt im Winter während der Heizperiode die Luftfeuchtigkeit in der Kita auf deutlich unter 30 Prozent. Werte, die gerade bei Kindern mit noch nicht vollständig ausgebildetem Immunsystem Gift sind. „Wir haben Kinder, die sich bis zu 9,5 Stunden am Tag in den Räumen aufhalten“, so Fiedler weiter. 57 Kinder werden an der Lindenallee in zwei Elementar- und zwei Krippengruppen von zehn Erzieherinnen betreut. „Es sind schon einige Mitarbeiter gegangen, weil sie es mit der Luft in den Räumen nicht mehr ausgehalten haben“, sagt die Kita-Leiterin.
Dass die „dicke Luft“ der Vergangenheit angehört, ist maßgeblich Willy Kanow zu verdanken. Der 78 Jahre alte Diplom-Ingenieur hatte schon den Bau der Kita Biene Sonnenstrahl hinsichtlich des vorbildlichen Energiekonzeptes begleitet und setzte nun alles daran, für das Problem mit dem Raumklima eine umweltfreundliche Lösung zu finden. Das Ergebnis: ein biotechnisches Luftbefeuchtungssystem, basierend auf der Photosynthese. Pflanzen wandeln klimafreundlich mittels Sonnenlicht Wasser und Kohlendioxid (CO2) um, wobei auch neue Wassermoleküle gebildet und an die Umgebung abgegeben werden. „Auf diese Weise nehmen die relative Luftfeuchte und der Sauerstoffgehalt zu, und so wird das Raumklima verbessert“, erläutert Kanow.
Schon der Bau der Kita war problematisch
Der Schenefelder nahm Kontakt zum Diplom-Biologen Manfred Radtke aus München auf, der den Verantwortlichen das Zyperngras empfahl – eine Pflanzenart, die als Hochleistungsverdunster gilt. Und der Biologe ermittelte in einem Gutachten anhand verschiedener Einzelparameter auch, wie hoch der Wasserbedarf in jedem der zehn Kitaräume exakt ist. Auf diese Weise konnte die Anzahl der Pflanzen genau berechnet werden. 35 waren laut der Untersuchung notwendig, um das Raumklima dauerhaft zu verbessern.
Pünktlich zum Beginn der Heizperiode sind die speziell für den Kitabedarf gezüchteten Pflanzen in Schenefeld eingetroffen und in den großen Übertöpfen eingesetzt worden. „Wir sind zuversichtlich, dass das biotechnische Luftbefeuchtungssystem die rechnerisch angestrebte Erhöhung der Luftfeuchte um etwa 15 Prozent erreichen wird“, sagt Kanow weiter. Bereits an den ersten etwas kälteren Wintertagen habe sich das System bewährt, das Kosten in Höhe von 7000 Euro verursacht. Derzeit wird abgeklärt, ob die Stadt die volle Summe trägt oder ob der Kitaträger, das Heilpädagogische Förderzentrum Friedrichshulde, sich beteiligen muss.
Ihre volle Leistung werden die Pflanzen erst nach acht bis zehn Monaten entfalten, wenn sie mit einer Höhe von 1,80 Meter voll ausgewachsen sind. Doch schon jetzt überragen sie, wenn auch nur dank der Übertöpfe, die Kinder um ein Vielfaches. Die lernen jetzt spielerisch, was Pflanzen alles leisten – und können im wahrsten Sinn des Wortes aufatmen.