Ein Pferdezüchter in Tornesch baut einen Kuhstall für 400.000 Euro zum Wohndomizil für Menschen mit Behinderung um.

Ein Trecker knattert über den Hof. Auf ihm sitzen zwei Männer und fahren das tägliche Futter zu den Pferdeställen. Harm Johannsen sieht lächelnd und mit einem gewissen Stolz zu. Denn die beiden Männer auf dem Trecker sind keine gewöhnlichen Angestellten auf seinem Hof. Es sind Menschen mit Behinderung. Und diesen bietet Johannsen nicht nur einen Job, sondern auch ein Zuhause. Und es werden mehr kommen. Denn Johannsen baut aus.

Auf seinem Hof an der Ahrenloher Straße in Tornesch hat der 47-Jährige, der Pferde züchtet und eine Pferdepension betreibt, gerade damit begonnen, einen Kuhstall, den er nicht mehr benötigt, in ein Wohndomizil für Menschen mit Behinderung umzubauen. Das hört sich ungewöhnlich an, und das ist es auch. Denn der Stall wird optisch weitgehend erhalten bleiben. Umgebaut wird von innen heraus. „Der Stall wird künftig sechs kleine Wohnungen haben, Küchen und einen Gemeinschaftsraum“, sagt Johannsen und zeigt auf einen Entwurfsplan. Steine und Zement stehen überall im Raum. Das Fundament ist bereits gegossen, die ersten Mauern sind in Teilen hochgezogen. 2019 soll der Umbau des Stalls fertig sein. Fast 400.000 Euro kostet das. 100.000 Euro steuert hierfür die Aktivregion Pinneberger Marsch und Geest bei. Und das nicht ohne Grund.

Für den Vorstandsvorsitzenden Jürgen Manske und den Projektbetreuer Matthias Günther ist das, was Johannsen macht, wegweisend und besonders wertvoll. Denn die Kombination aus Wohnen, Arbeit und sozialer Gemeinschaft auf einem derart definierten Raum sei nicht alltäglich. „Das, was Herr Johannsen hier macht, ist in dieser Form einmalig in der Region“, sagt Manske. Für den Vorstand der Aktivregion sei sofort klar gewesen, dass das Vorhaben in die höchste Förderkategorie gehöre, erklären Manske und Günther.

Für viele Behinderte ist der Weg zur Arbeit ein Hindernis

Bereits seit sechs Jahren arbeitet Harm Johannsen mit Behinderten zusammen. Es habe sich irgendwann einfach ergeben, sagt der Tornescher. Sicher, die Zusammenarbeit mit Behinderten sei etwas anders als die mit Menschen ohne körperliche oder geistige Beeinträchtigungen, sie erfordere einen etwas anderen Arbeitsumgang, doch das habe auch seinen Reiz. Die durchweg guten Erfahrungen, die Johannsen im Lauf der Jahre gesammelt hat, haben ihn letztlich dazu bewogen, die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung weiter zu intensivieren und ihnen die Integration in die Arbeitswelt und in das soziale Umfeld in Tornesch zu erleichtern.

„Viele Behinderte können nicht Auto fahren. Das ist ein Problem“, sagt Johannsen. Sie müssten dann zum Beispiel mit dem Fahrrad zu Arbeit. „Das schränkt ihren Arbeitsradius aber enorm ein“, sagt er. Was also tun, wenn Behinderte nur schwer zur Arbeit kommen, insbesondere im Winter? Die Lösung ist für den Tornescher naheliegend: „Dann wohnen die Behinderten halt direkt vor Ort an ihrem Arbeitsplatz.“ Und darum baut Johannsen jetzt um. Für ihn ergebe sich, wie er erklärt, durch den Wohnungsbau auch eine Win-win-Situation. Er bekomme Mieter auf seinen Hof sowie motivierte Arbeitskräfte, die Mieter im Gegenzug ein Zuhause, einen Job und eine soziale Gemeinschaft.

Auch auf dem Schäferhof in Appen betreuen Behinderte Pferde

Der Schäferhof in Appen der Stiftung Hamburger Arbeiter-Kolonie ist ein weiterer Ort im Kreis Pinneberg, wo Menschen mit Behinderung Pferde betreuen. Dort ist die Zahl der Beschäftigten im Gegensatz zum Hof Johannsen sehr viel größer als in Tornesch, und auch die Organisationsstrukturen sind breiter.

Zudem werden dort nicht nur Menschen mit Behinderung sondern auch Menschen mit sozialen Problemen unterstützt und integriert. Der Schäferhof arbeitet seit 2007 in Kooperation mit der Lebenshilfe in Pinneberg an dem integrativen Konzept des Reiterhofs.

Die Stiftung Hamburger Arbeiter-Kolonie hatte den Schäferhof 1898 erworben, um dort wohnungslosen Menschen Hilfe und eine neue Lebensperspektive zu bieten. Dieser Aufgabe ist die Stiftung heute noch verpflichtet. Der etwa 300 Hektar große Hof bietet eine gegliederte Agrarlandschaft, die von Wasserläufen und Knicks durchzogen ist.

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„Ich fühle mich für die Menschen, die bei mir arbeiten, verantwortlich“, sagt Johannsen. Dazu zähle nicht nur, dass er ihnen Arbeit ein Dach über dem Kopf gibt. Gerade das gemeinsame Frühstück, das Leben auf dem Hof, die Integration der Behinderten in die sozialen Strukturen und die tägliche Arbeit, bei der sie Pensionspferde anderer Menschen betreuen, das alles zählt für Johannsen ungemein. „Wichtig, ist, dass sie Spaß an ihrer Arbeit haben, dass sie das gern machen. Dann bin ich zufrieden“, sagt Johannsen. Sollte jemand einmal nicht mehr in den Stallungen arbeiten wollen, so bedeute das nicht, dass er wieder ausziehen müsse. „Die können dann hier erst einmal bleiben“, sagt der Tornescher. Die Behinderten wieder aus einem aufgebauten Sozialgefüge raus reißen, dass wolle er nicht.

Manske schätzt diese Einstellung. Sie sei vorbildlich. Und da Johannsen bereits in der Vergangenheit mehrere Projekte gestartet hatte, die von der Aktivregion unterstützt wurden, war die Entscheidung, ihn erneut zu unterstützen, eine leichte gewesen. Man kenne Johannsen, wisse, was man an ihm habe. Vielleicht, so Manske, folgen andere Johannsens Beispiel. „Das wäre ein Gewinn für die Region.“