Wedel. Ätzende Partikel aus dem Kraftwerk? TÜV kommt zu anderem Ergebnis als BI-Gutachten. Betroffene Anwohner wenig beeindruckt.
Auf ein Gutachten folgt ein Gegengutachten: Langjährige Beobachter des Ringens um die Zukunft des in die Jahre gekommenen Wedeler Steinkohlekraftwerks kennen das schon aus den vergangenen Jahren. So verwundert es nicht, dass zwei Tage, nachdem die Anwohnerinitiative die Ergebnisse eigens in Auftrag gegebener Kfz-Gutachten veröffentlicht und schwere Vorwürfe gegen das Umweltministerium in Kiel und den Kraftwerksbetreiber erhoben hat, nun ein weiteres Gutachten vorliegt. Das kommt zu einem ganz anderen Ergebnis.
Im Kern geht es um die Frage, ob der seit einem Jahr plötzlich auftretende Partikelausstoß aus dem Kraftwerk eine ätzende Wirkung hat und folgenschwere Schäden verursacht. Ja, sagen die betroffenen Anwohner und haben sich auch in Vorbereitung einer Klage einen Sachverständigen hinzugezogen. Der untersuchte bislang elf Fahrzeuge und stellte „Verätzungen“ fest, die sich durch mehrere Lackschichten erstreckten. Durch ein einfaches Wegpolieren könnte das nicht behoben werden. Als mögliche Schadensursache käme laut Gutachter ausgestoßener Ruß von Feuerungsanlagen infrage.
Fünftägiger Feldversuch offenbart keine Schäden
Das Umweltministerium und der Kraftwerksbetreiber Vattenfall sehen das anders. Sie weisen die Vorwürfe zurück und berufen sich auf das Ergebnis eines TÜV-Gutachtens, das seit Dienstag vorliegt. Dabei handelt es sich um eine Art Feldversuch, den die Kieler Aufsichtsbehörde dem Kraftwerksbetreiber auferlegte hatte. „Dafür hat der TÜV gezielt Partikel aus den Rauchgaskanälen genommen und sie fünf Tage lang auf verschiedenen Motorhauben, Glasplatten etc. einwirken lassen“, erklärt Nicola Kabel, Sprecherin des Umweltministeriums. Demnach seien nach der Einwirkungszeit keine dauerhaften Schäden wie zum Beispiel Verätzungen an Oberflächen festgestellt worden.
Kristina Hillmer, Pressesprecherin bei Vattenfall, ergänzt: „Alle Oberflächen konnten mit handelsüblichen Reinigungsmitteln beziehungsweise Autopolitur rückstandslos gereinigt werden, obwohl die Partikelapplikationen in extremen Mengen-Bedingungen durchgeführt wurden. Somit können wir den Vorwurf etwaiger Beschädigungen nicht bestätigen.“
Die Ergebnisse des Feldversuches hinterlassen bei den betroffenen Anwohner wenig Eindruck. „Das Ergebnis ist irrelevant. Denn es sollte doch gar keine Schäden durch Partikel geben, und wir Betroffenen haben nachweislich welche“, betont BI-Sprecherin Kerstin Lueckow.
Am Ende muss nun wohl das Gericht den ätzenden Partikelstreit entscheiden. Die BI will in der kommenden Woche Klage einreichen.