Kreis Pinneberg. Berufsfremde mit Zusatzausbildung könnten die Pastoren ersetzen. Denn in der Zukunft droht ein Mangel an Geistlichen.
Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt zwar, aber die Kirchensteuern sprudeln vor allem wegen der guten Konjunktur noch kräftig. Allerdings droht den Kirchengemeinden in den nächsten Jahren „eine gewaltige Pensionierungswelle“, sagte am Montag Propst Thomas Bergemann vom Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf, dem etwa 35.000 Gemeindeglieder im Norden des Kreises Pinneberg (Elmshorn, Barmstedt, Hörnerkirchen) angehören. Landesweit gehe bis 2030 mehr als jeder zweite der zurzeit rund 1700 Pastoren in Pension. „Von diesen 900 frei werdenden Stellen werden wir aber voraussichtlich nur 300 nachbesetzen können.“
Für Propst Bergemann ist dieses prognostizierte Defizit von rund 600 vakanten Stellen in der Nordkirche eine „dramatische Größenordnung“. Amtskollege Thomas Drope vom Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, der 80.000 Mitglieder in 24 Kirchengemeinden im Kreis Pinneberg vertritt, bestätigt diese Zahlen. „Das ist ein ernstes Problem, das da auf uns zukommt. Auch wenn es uns wohl erst Ende der 2020er Jahre treffen wird.“ Bis dahin würden die 45 Pastorenstellen im Kirchenkreis mit etwas Verzögerung noch nachzubesetzen sein, meint Drope.
„Aber da wird die Landeskirche gegensteuern müssen“, fordert Propst Bergemann. Schon die nächste Landessynode 2018 werde sich mit diesem Thema zu beschäftigen haben, kündigt Amtskollege Drope an. Eine Konvent der 35 Pröpste der Nordkirche in der vorigen Woche habe dazu bereits Ideen entwickelt. Ein Vorschlag sei gewesen, dass die Kirche künftig auch Seiteneinsteigern die Zulassung zum Pastorenamt ermöglichen könnte. Dies könnten Diakone sein, die als Pastoren arbeiteten, oder sogar berufsfremde Quereinsteiger, die eine Zusatzqualifikation zu absolvieren hätten. „Das wird zurzeit rechtlich geprüft“, erklärt Drope.
So würde es zwar noch viele Theologiestudenten geben, die sich auf das geistliche Amt vorbereiten. Aber längst nicht mehr so viele wie benötigt, sagt Propst Bergemann. „Wir werden alle Mühe haben, Stellen nachzubesetzen, weil wir nicht hinreichend genug Nachwuchs haben werden.“ Der Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf sei zwar noch nicht ganz so überaltert wie andere Kirchenkreise. Aber auch ihn werde diese Entwicklung treffen.
Zumal ja durchaus die Gefahr bestehe, dass ein Großteil der Hochschulabsolventen sich angesichts dieser Entwicklung seinen Arbeitsplatz werde aussuchen können. „Wer sagt uns denn, dass die nicht alle nach Hamburg gehen?“ Bergemann: „Wir brauchen eine flächendeckende pastorale Versorgung, damit nicht die völlige Ausblutung droht.“
Zusammenlegung einzelner Gemeinden erscheint denkbar
Der Pastorenmangel werde wohl auch nicht ohne Konsequenzen für die Kirchengemeinden bleiben, sagt Propst Drope. Wenn Gemeinden kleiner werden würden, müsse darüber nachgedacht werden, wie sie stärker zusammenarbeiten könnten. Auch eine Zusammenlegung einzelner Gemeinden sei nicht auszuschließen.
Neben der Zulassung von Seiteneinsteigern habe der Propstenkonvent auch über die Arbeit der Pastoren beraten, sagt Drope. So könnten diese wieder mehr seelsorgerische Aufgaben als Verwaltungsarbeit übernehmen. Zudem verstärke die Nordkirche die Ausbildung von Vikaren, zurzeit 78, erklärt Nordkirchensprecher Stefan Döbler. Auch die Regelaltersgrenze für Pastoren werde auf das 67 Jahre angehoben.
Kirchensanierung
Finanziell gehe es den Kirchen trotz der steigenden Einnahmen nicht nur rosig, sagt Propst Bergemann. So seien zwar die Steuereinnahmen 2017 um 800.000 Euro auf 13,5 Millionen Euro angestiegen. Aber immer mehr gesetzliche Aufgaben wie der Klimaschutzfonds oder der Datenschutz würden dem Kirchenkreis und den Gemeinden ihre Arbeit schwerer machen. „Das führt zu einer Schieflage“, warnt Thomas Roßmann vom Kirchenkreis.
Zumal die Personalkosten erheblich schneller anstiegen als die Steuereinnahmen, erläutert der Finanzchef Roßmann. So koste eine der 52 Pastorenstellen in Vollzeit heute 76.000 Euro im Jahr statt 70.800 Euro noch ein Jahr zuvor. Diese Steigerung von acht Prozent sei auf die exorbitant wachsenden Pensionsrückstellungen zurückzuführen. Langfristig werde diese Entwicklung dazu führen, „dass wir weniger Geld für Personal ausgeben können“.