Pinneberg. Eine Branche verschwindet: Rund um die Kreisstadt wird es ab Ende Dezember keinen klassischen Spielwarenladen mehr geben.

Die Regale sind gut gefüllt, die hölzerne Einrichtung ist top in Schuss. Sabine Körner steht inmitten ihres Spielwarengeschäfts am Pinneberger Lindenplatz, in dem es auch Kinder- und Jugendliteratur gibt. Nichts deutet darauf hin, dass hier bald die Lichter ausgehen. Abgesehen vom Plakat neben der gläsernen Eingangstür. Darauf sagt Körner ihren Kunden schon mal Tschüs, wirbt für den Ausverkauf. Bei „Lesen und Spielen als Erlebnis“, dem seit 14 Jahren im Erdgeschoss des Bananenbunker genannten Einkaufszentrums PiZ beheimateten Fachgeschäft, ist am 22. Dezember Schluss. Körner hat trotz intensiver Bemühungen keinen Nachfolger gefunden. Das Spiel ist aus.

Für die Region rund um die Kreisstadt bedeutet das einen Kahlschlag. Der klassische Spielwarenladen stirbt aus. Das hat vielfältige Gründe. Die gebürtige Pinnebergerin Körner nennt unter anderem falsche Entscheidungen, die für den Standort getroffen worden seien. Etwa als die Stadt Veranstaltungen auf dem von Geschäften umgebenen Lindenplatz verbot. „Ich verstehe bis heute nicht, warum da auf einmal keine Wurstbude mehr stehen durfte.“ Auch städtebaulich sei einiges falsch gelaufen. Die Konzentration auf eine „neue Mitte“ in Pinneberg tue dem Lindenplatz nicht gut.

Birgit Nowak musste den Spielwarenladen Zobawa in Rellingen aufgeben
Birgit Nowak musste den Spielwarenladen Zobawa in Rellingen aufgeben © HA | Andreas Daebeler

Ein anderes Problem für Spielwarenhachhändler ist fraglos, dass mittlerweile Supermärkte, Drogerien, Zeitschriftenhändler und in Pinneberg nicht zuletzt Ein-Euro-Shops ein Sortiment für Kinder anbieten. Auch wenn fachkundige Beratung dort in der Regel ausfällt, bleibt doch die Versuchung, mal eben schnell ein kostengünstiges Geschenk zu kaufen.

Billigketten, die höhere Mieten zahlen können, verdrängen den klassischen Fachhandel aus den Innenstädten. Das bestätigt auch Jennifer Plaumann vom Handelsverband Nord. Sie malt ein düsteres Bild, prognostiziert branchenübergreifend bis 2020 die Schließung von 50.000 kleinen Fachgeschäften in Deutschland. Probleme der Spielwarenverkäufer entstünden überwiegend durch den Onlinemarkt, sagt sie. Der könne niedrigere Preise bieten. „Im stationären Handel sind die laufenden Kosten höher“, sagt Plaumann mit Blick auf anfallende Ladenmieten.

Bis vor wenigen Monaten hatten Kunden im südlichen Kreis Pinneberg noch die Wahl, wenn es um Spielzeug ging. Doch dann gingen bei Zobawa an der Hauptstraße in Rellingen nach knapp 40 Jahren die Lichter aus. „Das Internet hat uns kaputt gemacht, die dort aufgerufenen Preise können wir nicht halten“, sagte Betreiberin Birgit Nowak seinerzeit, bevor sie die Ladentür für immer abschloss. Sie berichtete von massiven Einbußen beim Geschäft vor Ort. So sei der Jahresumsatz von früher 240.000 Euro auf zuletzt 185.000 Euro zurückgegangen. Kürzlich ist ein neuer Mieter in das ehemalige Spielwarengeschäft eingezogen – ein Beerdigungsinstitut. Wo einst Kinderaugen leuchteten, geht es fortan um Bestattungen.

Ein Spielwarenfachgeschäft in Uetersen hatte bereits 2015 geschlossen. Im Norden des Kreises Pinneberg sieht es noch etwas besser aus. In Elmshorn und Barmstedt gibt es noch zwei inhabergeführte Spielwarenläden, die unter dem Namen Max Bieberstein firmieren. Wedel hat noch einen klassischen Spielwarenladen.

„Die Branche hat unverkennbar Schwierigkeiten wegen des geänderten Einkaufsverhaltens, viele Menschen bestellen lieber im Netz“ sagt Pinnebergs Wirtschaftsförderer Stefan Krappa. „Bedauerlich“ nennt er das Aus für Körner am Lindenplatz. „Das war eine Institution.“

96 Fachhändler

Landesweit gibt es laut Industrie und Handelskammer (IHK) zu Kiel momentan noch 208 Einzelhändler, die Spielwaren anbieten.

Aber nur 96 davon firmieren als Fachhändler für Spielzeug, die anderen sind Bastelshops, Modellbauläden und auch Elektronikmärkte, in denen Computerspiele verkauft werden.

Vergleichszahlen aus der Vergangenheit liegen der IHK nicht vor.

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Sabine Körner hätte ihren Laden gern weiterleben gesehen. Doch mehrerer Gespräche mit potenziellen Nachfolgern scheiterten. Das Konzept sei gut angekommen, der Standort jedoch nicht. „Niemand wollte nach Pinneberg“, sagt die gelernte Buchhändlerin. Dabei sieht die 67-Jährige trotz des Onlinehandels durchaus Chancen für engagierte Unternehmer. Sie habe jährlich rund eine halbe Million Euro Umsatz gemacht. „Man kann von dem Geschäft leben, muss allerdings viel arbeiten“, sagt sie. Von den Menschen komme viel zurück: „Viele bedauern, dass hier Schluss ist, wir hatten ein großes Einzugsgebiet.“

Sabine Körner will weiterarbeiten, obwohl sie ihr Rentenalter längst erreicht hat. Und zwar als Beraterin fürs Segment Spielwaren. Wirtschaftsförderer Stefan Krappa hat schon mal vorgefühlt. Er hofft, an anderer Stelle in Pinneberg einen Platz für einen neuen Spielwarenfachhandel zu finden. Vielleicht kann Sabine Körner ihm dabei helfen. Dass es Kunden gäbe, davon ist sie überzeugt. „Langfristig werden die Menschen feststellen, dass es netter ist, sich vernünftig beraten zu lassen, als nur in die Tasten des Computer zu hauen“, sagt sie. Und wendet sich einer jungen Mutter zu, die jemanden sucht, der sie berät.