Elmshorn. Nähtreffs wie der im Industriemuseum Elmshorn sind zunehmend auch bei Jüngeren beliebt. Selbstgemachtes ist angesagt.
Sie hängen an der Nadel und brauchen immer neuen Stoff. Neun Frauen sind an einem Abend im Industriemuseum Elmshorn zusammengekommen, um einem Hobby nachzugehen, das süchtig macht. Sie nähen. Leise summen die Nähmaschinen, es wir zugeschnitten, ausgemessen, eingefädelt und fröhlich geplaudert. Gesellig geht es hier zu.
„Wir kommen einmal im Monat in lockerer Runde zusammen“, sagt Museumspädagogin Sabine Stieper (53). Sie hat die offene Nähwerkstatt 2011 ins Leben gerufen. Stieper gibt hier und da Hilfestellung beim Einnähen von Reißverschlüssen – das Thema des Abends.
Lange Zeit galten Stricken, Häkeln und Nähen nur noch als Tugenden altmodischer Hausfrauen. Das hat sich grundlegend geändert. Nähen ist auch bei der jungen Generation angesagt. Selbermachen ist kein kurzzeitiger Trend, sondern zum Lifestyle geworden. Der Nähtreff im Industriemuseum ist längst nicht der einzige in Elmshorn. An der Dittchenbühne leitet Nadja Berning-Pampel seit zwei Jahren einen ebensolchen an. Und im Frauentreff Elmshorn kommen Frauen aus unterschiedlichen Kulturkreisen regelmäßig zusammen, um in Gesellschaft Handarbeiten zu machen. Nähen verbindet.
Auch Kinder beweisen Geschick an der Nähmaschine
Es ist auch ein Gegenentwurf zur Konsumgesellschaft. „Bei mir fing es damit an, dass ich Sachen der Kinder geflickt habe“, sagt Susanne Hennings. Dann versuchte sie sich an ersten Schnittmustern. Heute näht sie Shirts, Mützen und Co. selbst nach dem Motto „lieber selbst machen, als nur konsumieren“. Gerade versucht sie sich an einem Kosmetiktäschchen mit Bügelverschluss. Die Wirtschaftsingenieurin aus Sommerland (Kreis Steinburg) kommt seit ein paar Jahren in unregelmäßigen Abständen zu den Treffen ins Industriemuseum. Bei ihr liegt die Kreativität in der Familie. Ihre Großmutter, die sie selbst nie kennengelernt hat, war Putzmacherin und konnte gut schneidern, erzählt Hennings. Ihre Kinder hätten auch Spaß im Umgang mit der Nähmaschine. „Meine Tochter ist neun Jahre alt und näht auch gern“, sagt die 42-Jährige. Ihr Sohn (12) ist nicht weniger geschickt und hat sich selbst eine Tasche für die
Lust bekommen, selbst zu nähen?
Schule designt.
Massenmode von der Stange war gestern. „Oft fühlt sich die Qualität der gekauften Stoffe besser an“, sagt Barbara Pansegrau (65). Die Uetersenerin ist zum ersten Mal beim Elmshorner Nähtreff. „Ich brauche beim Vernähen des Innenfutters Hilfe“, sagt sie. Ohne die Kussmünder aus lila Stoff („Es muss ja nicht immer die Eisprinzessin sein“) sei ihr der Mantel für die sechjährige Enkelin zu eintönig. An der VHS in Tornesch hat sie schon mehrere Handarbeitskurse belegt. „Statt beim Einkaufen lange zu suchen, schneidere ich mir flott was selbst“, sagt die 65-Jährige. Das Prinzip hat sich seit 40 Jahren bewährt. Den Pullover aus rotem Samt mit Schalkragen, den sie trägt, hat sie auch selbst gemacht. „Oft gefällt mir nicht, was ich in den Geschäften sehe. Und wenn doch, ist es teuer.“
Selbstgemachtes bekommt neue Wertigkeit
Auch Gerda Jensen (66) möchte sich individueller, kreativer und nach eigenen Vorstellungen kleiden. Sie hat ein halb fertiges Kleid dabei, an dem sie nun einen verdeckten Reißverschluss einsetzen möchte. „Das ist auf Figur geschnitten. Das muss sitzen“, sagt die ehemalige Lehrerin für Textillehre. Die Elmshornerin kombiniert gern Farben, liebt besondere Materialien. Von ihren Reisen bringt sie sich regelmäßig Stoffe mit – Seide aus Kambodscha, Batiken aus Indonesien.
Aus etwa 2000 Stoffen können Kunden im Geschäft Schwesterlich in Elmshorn wählen. Die Preise liegen zwischen 9,50 Euro pro Meter für Baumwolle und bis zu 30 Euro für Bio-zertifizierten Strickstoff vom Designer. „Während früher vorrangig in ärmeren Familien genäht wurde, ist Nähen heute ein teures Hobby“, sagt Sinja Riewesell (35). Aber eines, das glücklich macht.
Die gelernte Zahnarzthelferin und ihre Schwester Simone Schulze-Kirketerp (37), gelernte Bankkauffrau, beschlossen, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen, und eröffneten 2013 ihren Stoffladen. „Zu uns kommen hauptsächlich junge Mütter, Frauen, die im Ruhestand wieder mehr Zeit haben, aber auch Kinder und Jugendliche“, sagt sie. Gerade jetzt vor Weihnachten kommen viele, die gern etwas Besonderes verschenken möchten. „Viele haben ja schon alles, da bekommt etwas Selbstgemachtes eine ganz andere Bedeutung.“ Welches Nähgarn ist für den gewählten Stoff richtig, und wie lässt er sich waschen und richtig pflegen? Die Mitarbeiterinnen könnten einige Tipps geben, sagt Riewesell. Sie seien selbst alle begeisterte Näherinnen.