Uetersen/Hamburg. Der Holzfrachter „Emanuel“ steht im Museumshafen Oevelgönne. Er wurde 1934 zur 700-Jahr-Feier der Stadt Uetersen gebaut.

Es ist das einzige Ausstellungsstück hinter Glas: Das Modell des Ewers „Emanuel Uetersen“. Im Museumshafen Oevelgönne in Hamburg liegen ehemalige Arbeitsschiffe, die auf der Elbe im Einsatz waren. Außerdem gibt es hier Arbeitskräne, einen Leuchtturm – und eben besagtes Modellschiff. Die Uetersener Schiffergilde Emanuel hat den hölzernen Fracht-Ewer 1934 zum Jubiläum 700 Jahre Uetersen bauen lassen.

Ewer wurde auf der Werft J.Jacob gebaut

„Wir wollten es gut sichtbar präsentieren und zeitgleich so, dass es vor den Witterungseinflüssen geschützt ist“, sagt Bjørn Nicolaisen, Vereinsgeschäftsführer im Hamburger Museumshafen. Die Lösung war eine verglaste Stahlvitrine, die auf dem Anleger Neumühlen, gleich hinter dem Nachbau des historischen Wartehäuschens steht. Seit 1982 ist das Modellschiff aus Uetersen nun hier, das belegt ein Auszug aus der Hauspostille des Museumshafens von Mai 1982. Darin steht auch, dass die Kosten für die Vitrine mit 30.600 D-Mark „beträchtlich“ waren. Doch trotz der Schutzmaßnahmen sei es an der Zeit für eine Generalüberholung des Modells, meint Nicolaisen. Dafür ist der Museumshafen auf Spenden angewiesen. Nicolaisen hat schon überlegt, sich vielleicht an die Stadt Uetersen zu wenden. Doch dort weiß kaum jemand etwas über das Ausstellungsstück.

Nicht einmal Johann-Otto Plump. Der Vorsitzende des Vereins Historisches Uetersen, wusste zwar, dass es so ein Modellschiff mal gegeben hat, aber dass es im Hamburger Museumshafen zu finden ist, war ihm nicht bekannt. „Und das will schon etwas heißen“, sagt er und lacht. Beim Blick auf die Ausstellungsstücke im Uetersener Heimatmuseum, in einer Vitrine über die Schiffergilde Emanuel, wird er fündig. Zwei historische-Bilder zeigen den Modellbau. Und auch in der Festschrift zum Hundertjährigen der Gilde gibt es ein Bild des Ewers.

Johann-Otto Plump, Vorsitzender des Vereins Historisches Uetersen, mit einem historischen Bild des Ewers „Emanuel“ aus einer Vitrine des Heimatmuseums in Uetersen
Johann-Otto Plump, Vorsitzender des Vereins Historisches Uetersen, mit einem historischen Bild des Ewers „Emanuel“ aus einer Vitrine des Heimatmuseums in Uetersen © HA | Mirjam Rüscher

Fahnen der Gilde, Modellschiffe, Kopierbücher, Statuten, Sammelteller und mehr maritimes „Gedöns“ im Heimatmuseum deuten nicht nur auf die Geschichte der Schiffergilde hin, sondern zeigen auch, wie wichtig die Schifffahrt damals in Uetersen war. Der Ewer ist ein typisches Boot für den Warenverkehr im Bereich der Niederelbe sowie für die Versorgung Hamburgs mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen gewesen – über Jahrhunderte. Der flachbodige Ewer mit Seitenschwertern und herzförmigem Spiegelheck war der vorherrschende Schiffstypus. In Uetersen waren Dutzende davon beheimatet.

In den Aufzeichnungen des Museumshafens Oevelgönne heißt es, das Modell des Ewers „Emanuel“ habe kein bestimmtes Vorbild gehabt, sondern sei von der Werft J. Jacobs in Moorrege „aus freier Hand in altgewohnter Weise gebaut worden“. Auf der Werft in Moorrege wurden rund hundert kleiner und mittelgroßer Fracht-Ewer gebaut – erst aus Holz, später aus Stahl. So wie die „Elfriede“, die ebenfalls im Museumshafen liegt und 1904 als volleiserner Ewer gebaut wurde. Mit einer Länge von 14,75 Metern ist „Elfriede“ mehr als doppelt so groß wie „Emanuel“.

Das Modellschiff hatte seinen ersten großen Einsatz auf der 700-Jahr-Feier von Uetersen. Am 24. Juni 1934 zum historischen Umzug wurde es auf einem blumengeschmückten Pferdewagen durch die Stadt gezogen. Kinder durften darin Platz nehmen. Es folgten weitere Auftritte bei späteren feierlichen Anlässen. Zum Beispiel auf dem Rosen-Festwagen der Gilde beim Schützenfest 1955. „Ich habe des Modellschiff selbst in den 60er-Jahren irgendwann bei einem Umzug mit meiner Frau zusammen gesehen“, erinnert sich Plump.

Der Hafen

Die Aufgabe des Museumshafens Oevelgönne ist es, außer Dienst gestellte Wasserfahrzeuge der Berufsschifffahrt, die für die norddeutsche Küstenregion prägend waren und Denkmalcharakter besitzen, zu erwerben, zu restaurieren und der Öffentlichkeit in Fahrt zu präsentieren.

Die Schiffe stammen überwiegend aus dem Jahrhundert zwischen 1880 und 1980. Der Hafen feierte im Juli dieses Jahres sein 40-jähriges Bestehen.

1/2

Was nach der Auflösung der Gilde mit dem Ewer passierte, lässt sich weder im Heimatmuseum noch in den Unterlagen des Museumshafens herausfinden. Das Modell tauchte wieder auf, als der Autor Joachim Kaiser für sein Buch „Segler im Gezeitenstrom. Die Biografie der hölzernen Ewer“ (erschienen 1974) recherchierte. Es fand sich in einer Scheune. Der Verlag Egon Heinemann in Norderstedt erwarb das Modell und ließ es restaurieren, um ein Stück heimatlicher Kulturgeschichte zu erhalten. Die Uetersener Schiffergilde gibt es längst nicht mehr, der Modell-Ewer hingegen ist noch gut erhalten – auch wenn man ihn in Uetersen vergessen hat.